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Irene Rosenberg (geborene Oppenheim) * 1920

Bismarckstraße 67 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


IRENE
ROSENBERG
GEB. OPPENHEIM
JG. 1920
DEPORTIERT 1941
MINSK
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Bismarckstraße 67:
Joel Rosenberg, Manfred Rosenberg, Margarethe Silberstein

Irene Rosenberg, geb. Oppenheim, geb. am 4.2.1920 in Berlin, am 18.11.1941 nach Minsk deportiert, dort ermordet
Joel Rosenberg, geb. am 6.1.1941 in Hamburg, am 18.11.1941 nach Minsk deportiert, dort ermordet
Manfred Rosenberg, geb. am 10.5.1909 in Hamburg, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert, dort ermordet

Bismarckstraße 67

Der kleine Joel war erst 10 Monate alt, als er nach Minsk in den Tod geschickt wurde. Seine Eltern, der damals zweiunddreißigjährige Manfred Rosenberg und dessen elf Jahre jüngere Frau Irene, hatten noch versucht, dem NS-Terror zu entgehen: Sie waren im Mai 1940 von Hamburg nach Berlin gezogen, Irenes Geburtsort, um sich dort einer Hachschara-Gemeinschaft anzuschließen und auf diesem Weg ihre Auswanderung nach Palästina vorzubereiten. Da war die junge Frau bereits schwanger, und dieser Schritt mag ihnen als eine letzte Möglichkeit erschienen sein, ihr Leben und das ihres noch ungeborenen Kindes zu retten. Doch die Ausreise scheiterte und sie kehrten kurze Zeit später nach Hamburg zurück.

Manfred Rosenberg war der einzige Sohn des Ehepaars Bernhard und Martha Rosenberg. Seine Mutter stammte ebenfalls aus einer Familie Rosenberg. Diese lebte im kleinen Ort Lehe, heute ein Stadtteil von Bremerhaven, wo Martha 1887 zur Welt gekommen war. Sein Vater, 1883 in Hamburg geboren, hatte den Schlachterberuf erlernt und damit eine Familientradition fortgesetzt. Denn schon Manfreds Großvater Eduard Rosenberg hatte als Schlachter gearbeitet. Er kam aus dem Oldenburgischen und hatte die aus Altona stammende, fünf Jahre jüngere Minna Cohn geheiratet. Beide bekamen drei Kinder: Bernhard, den Ältesten, die zwei Jahre jüngere Bertha und Paul, der 1889 geboren wurde. Im Jahr darauf eröffnete Eduard Rosenberg eine Schlachterei in der Glashüttenstraße, wo er jedoch nur kurze Zeit blieb. 1892 wechselte er in die Brüderstraße 6, wo er sein Geschäft 15 Jahre lang betrieb.

Als er 1907 in den Ruhestand ging, trat Bernhard die Nachfolge an. Dessen Tätigkeit als Schlachter war jedoch zunächst nicht von langer Dauer. Im Mai 1909 bekamen seine Frau Martha und er einen Sohn, den sie Manfred nannten. Er sollte ihr einziges Kind bleiben. Einige Monate später zog Bernhard Rosenberg mit seinem Geschäft noch für zwei Jahre in die Bellealliancestraße, dann wechselte er die Branche. Zusammen mit seinem fünf Jahre jüngeren Bruder Paul, der Kaufmann gelernt hatte, gründete er 1912 im Durchschnitt 13 die Firma "Gebr. Rosen­berg, Agentur und Kommission", beide arbeiteten fortan als Handelsvertreter. Im selben Haus lebten mittlerweile auch ihre Eltern, Eduard und Minna Rosenberg. 1914 schied Bernhard Rosenberg jedoch aus der Firma aus und sein Bruder Paul führte sie allein weiter.

1919 verließ Bernhard Rosenberg mit seiner Familie Hamburg, um in Marthas Geburtsort bei Bremerhaven sein Glück zu suchen. Dort war gerade ein großer Schlacht- und Viehhof eröffnet worden, ein Umstand, der das Ehepaar möglicherweise zu diesem Schritt bewogen hatte. Neun Jahre später kehrten sie nach Hamburg zurück, und Bernhard Rosenberg eröffnete in der Lindenallee 12, im Souterrain, eine eigene Schlachterei. Im selben Haus fand das Ehepaar auch eine Wohnung. 1928 starb Bernhards Mutter Minna; im selben Jahr heiratete sein Bruder Paul Bertha Rubensohn. Auch Bertha Rosenberg war mittlerweile verheiratet, mit dem Friseurmeister Siegfried Wolff. Das Ehepaar wohnte in der Hansastraße.

Als Manfred Rosenbergs Eltern nach Hamburg zurückkehrten, war er 19 Jahre alt. Er hatte eine kaufmännische Ausbildung absolviert und fand in der Hansestadt Arbeit als kaufmännischer Angestellter. Er wohnte nicht länger bei den Eltern, sondern unter wechselnden Adressen zur Untermiete – unter anderem in der Altonaer Straße, am Kleinen Schäferkamp, in der Weidenallee und am Schulterblatt.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 verschlechterten sich Paul Rosenbergs Geschäfte dramatisch. Viele seiner nichtjüdischen Kunden kauften nicht mehr bei ihm. Zwar gelang es ihm, sich einen jüdischen Kundenkreis aufzubauen, die Käufer nahmen aber nur noch geringe Mengen ab. 1936 gab er den Betrieb in der Steilshooperstraße auf, verlegte das Büro in die Wohnung – mittlerweile lebten seine Frau und er in der Rappstraße 20 –, und mietete einen Lagerraum für die Produkte in der Grindelallee. Bernhard Rosenbergs Schlachterei lief hingegen offenbar unverändert weiter, auch wenn jüdische Schlachter bei der Zuteilung der Fleischkontingente durch die zuständige Hamburger Behörde ab 1933 benachteiligt wurden. Ende August 1938 musste aber auch er, wie zahlreiche andere Gewerbetreibende in Hamburg, sein Geschäft schließen, bzw. es an einen nichtjüdischen Schlachter verkaufen.

Einen weiteren Todesfall gab es in der Familie 1934: In dem Jahr starb Manfred Rosenbergs Großvater Eduard, der Vater von Bernhard, Bertha und Paul.

Am 10. November 1938 verhaftete die Gestapo Paul und Bernhard Rosenberg sowie Berthas Ehemann Siegfried Wolff in ihren Wohnungen und brachte sie zunächst ins KZ Fuhlsbüttel und von dort aus ins KZ Sachsenhausen. Paul Rosenberg wurde am 14. Dezember 1938 wieder freigelassen, Bernhard Rosenberg und Siegfried Wolf eine Woche später. Die Misshandlungen, denen er wie auch die anderen Häftlinge in Sachsenhausen ausgesetzt war, hatten Paul Rosenberg derart erschüttert, dass seine Frau und er nun alles daransetzten, aus Deutschland zu fliehen. Es gelang ihnen, indem sie ihren gesamten Hausrat verkauften und für den Erlös zwei einfache Schiffsbillets zweiter Klasse in die USA erwarben, für die sie ein Visum hatten. Am 25. Juli fuhren sie auf der MS Washington nach New York. Bernhard und Bertha Rosenberg blieben ebenso in Hamburg wie Siegfried und Bertha Wolff.

Manfred und Irene Rosenbergs Versuch, über einen Hachschara-Aufenthalt Deutschland doch noch verlassen zu können, dauerte nur etwa drei Monate. Als sie am 31. August 1940 heirateten, geschah dies bereits wieder in Hamburg; als gemeinsame Adresse verzeichnete das Standesamt "Grindelallee 146". Kurz darauf wechselten sie erneut die Wohnung: Als ihr Sohn Joel am 6.1.1941 im Israelitischen Krankenhaus an der Johnsallee zur Welt kam, wohnten sie in der Bismarckstraße 67a zur Untermiete bei Jacobsohn. Während Manfred Rosenberg dort blieb, zog Irene gemeinsam mit dem kleinen Joel ins "Judenhaus" in der Grindelallee 21. Auch wurde die Familie nicht zusammen deportiert. Manfred Rosenberg erhielt einen "Evakuierungsbefehl" für den ersten Transport nach Minsk am 8. November 1942, Irene und Joel für den zweiten am 18. November 1942. Auch Manfred Rosenbergs Eltern Bernhard und Martha deportierte die Gestapo am 8. November nach Minsk, ebenso wie Bertha und Siegfried Wolff. Niemand von ihnen überlebte.

Die Behörde des Oberfinanzpräsidenten nahm durch die Versteigerung von Bernhard und Martha Rosenbergs Hausrat aus der Lindenallee 12 noch 447,15 Reichsmark ein.

Paul und Bertha Rosenberg lebten bis 1963 in New York. Dann kehrten sie nach Hamburg zurück.

© Frauke Steinhäuser

Quellen 1; 2 (FVg 5132); 4; 5; 8; StaH 241-1 Gerichtsvollzieherwesen 586; StaH 332-5 8094 u. 572/1928; ebd. 8124 u. 44/1934; ebd. 954 u. 188/1929; StaH 351-11 AWG 11155; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden, 391 Gemeindemitglieder (Stand Herbst 1935); ebd., 390 Wählerliste 1930; ebd., 992e Deportationslisten Bde 2 u. 3; tel. Auskunft des Standesamts Eimsbüttel am 27.4.2012; Hamburger Adressbücher 1881–1942; "Aufbau", Vol. 46 Nr 13/1980, 21.3.1980, S. 32.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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