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Georg Witt, 1939
© Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf

Georg Witt * 1928

Forbacher Straße 12 (Hamburg-Nord, Dulsberg)


HIER WOHNTE
GEORG WITT
JG. 1928
EINGEWIESEN 10.8.1943
’HEILANSTALT’
MAINKOFEN
ERMORDET

Georg Witt, geb. 12.12.1928 in Hamburg, gestorben in der Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen in Bayern am 8.5.1945

Forbacher Straße 12

Georg war vier Jahre alt, als er am 11. Januar 1932 zum ersten Mal in die damaligen Alsterdorfer Anstalten, und zwar im Evangelischen Krankenhaus Alsterdorf, aufgenommen wurde. Er hatte eine Schwester, die zu dem Zeitpunkt sechs Jahre alt war. In seiner Krankenakte wird Georg als freundlicher, aber auch als ängstlicher Junge beschrieben, der stehen und laufen konnte. Einige Tage nach seiner Aufnahme weinte er nachts viel und schlief unruhig. Erwachsene machten ihm Angst. Wenige Monate später ging er mit großer Freude in die Spielschule, war immer "freundlich, vergnügt und lebhaft". Wenn es ihm nicht gelänge, seinen Mantel auszuziehen, so der Bericht, reiße er alle erreichbaren Gegenstände herunter.

Georg Witts Sprachfähigkeit blieb unterentwickelt. Er hatte offenbar ein gutes emotionales Verhältnis zu den anderen Kindern in seinem Wohnbereich. In diesem Sinne sind die meisten Berichte über ihn gehalten. Ab 1942 beschrieben die Betreuer ihn dann als "gänzlich versorgungsbedürftig". Auffällig ist auch, dass Georg zwar in der gesamten Zeit seiner Anwesenheit in den Alsterdorfer Anstalten jeden Monat gewogen wurde, dieser Aspekt allgemeiner Gesundheitsbeobachtung aber seit April 1943 abbrach.

Nun fand sich unter dem 6. August 1943 nur noch der lapidare Eintrag "Wegen schwerer Beschädigung der Anstalt durch Fliegerangriff verlegt nach Mainkofen. Dr. Kreyenberg".
In der Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen bei Deggendorf in Bayern traf Georg Witt am 12. August 1943 ein. Mit ihm wurden weitere 112 Alsterdorfer Bewohner nach Mainkofen verlegt, darunter etliche alte Männer: sechs zwischen 60 und 70 Jahren sowie vier über 70 Jahre alt, der Älteste 79 Jahre. Die meisten galten als "schwierige, pflegeaufwendige Anstaltsinsassen" und/oder nach damaligen Anstaltsjargon "tiefstehende Pfleglinge".

Die Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen hatte sich systematisch von einem psychiatrischen Krankenhaus der vornationalsozialistischen Ära zu einer Sterbeanstalt entwickelt. In Mainkofen wurde langsam, aber mit großer Regelmäßigkeit gestorben. Von den Alsterdorfer Jungen und Männern, die am 12. Au­gust 1943 in Mainkofen eintrafen, verstarben 74 bis Ende 1945. Als Todesursache tauchte, wie in anderen Sterbeanstalten auch, immer wieder stereotyp "Lungentuberkulose" auf; vierzig Mal bei den 74 Alsterdorfern, die in Mainkofen gestorben sind. "Darmkatarrh" wurde fünfzehn Mal als Todesursache genannt. Nur 39 Patienten überlebten das Jahr 1945, davon 15 Erwachsene sowie 24 Kinder und Jugendliche im Alter bis zu 21 Jahren. Die überlebenden 39 Patienten wurden am 19. Dezember 1947 zurück nach Alsterdorf verlegt.

Georg Witt wurde in Mainkofen dem Haus 18 zugewiesen, über das sich keine weiteren Angaben finden. Aus Mainkofen existieren keinerlei Berichte über den inzwischen Vierzehnjährigen. Am 8. Mai 1945 allerdings wurde festgehalten, dass sich Georgs Gesundheitszustand in letzter Zeit stark verschlechtert habe. Infolge einer Lungenentzündung sei er am 8. Mai 1945 verstorben. An dieser Version sind Zweifel durchaus angebracht.

© Ingo Wille

Quellen: Evang. Stiftung Alsterdorf, Patientenunterlagen der Alsterdorfer Anstalten (Georg Witt); Michael Wunder/Ingrid Genkel/Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr, Hamburg 1987, S. 205; Psychiatrie im Nationalsozialismus: die bayerische Heil- und Pflegeanstalten zwischen 1933 und 1945, Hrsg. Michael Cranach und Hans-Ludwig Siemen, München 1999, S. 245.

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