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Willi Milke * 1896

Eddelbüttelstraße 24 (Harburg, Harburg)

Berlin
12.1.1944 Freitod nach Todesurteil

Wilhelm Milke, geb. 16.9.1896 in Heide (Holstein), zum Tode verurteilt, Suizid 12.1.1944

Stadtteil Harburg-Altstadt, Eddelbüttelstraße 24

Der Arbeiter Wilhelm (Willy) Milke besuchte in Harburg die Volksschule. Danach arbeitete er in verschiedenen Harburger Betrieben. Seit 1920 gehörte er dem Fabrikarbeiterverband an, 1926 trat er der KPD bei. Bis 1933 arbeitete er bei den Harburger Oelwerken Brinckmann & Mergell (Hobum), war Mitglied der Gewerkschaft RGO und lange Zeit Betriebsratsvorsitzender bei Hobum. Er heiratete die Köchin Frieda Pubanz, geb. am 12.1.1899 in Itzehoe. Sie bekamen eine Tochter, Gertrud, geb. am 2.9.1920 in Neumünster. Die Harburger Wohnadressen der Familie lauteten Lassallestraße 52, (ab 1930) Eddelbüttelstraße 24, später dann (1937) Heckengang 54, ab 1. August 1939 wiederum Eddelbüttelstraße 24.

Als die Belegschaft zur Maifeier der NSDAP am 1. Mai 1933 bei Hobum antreten sollte, erschien Willy Milke nicht und wurde gemaßregelt. Nach 1933 beteiligte er sich am kommunistischen Widerstand. Zusammen mit Heinrich Frühling, dem Politischen Leiter der RGO in Harburg-Wilhelmsburg vor 1933, und anderen führte er die Arbeit der RGO illegal weiter. Er nahm auch teil an einem Treffen mit dem früheren KPD-Reichstagsabgeordneten Matthias Thesen im Frühjahr 1933, der damals in Hamburg die illegale Gewerkschaftsarbeit anleitete.

Die illegalen Schriften, die Willy Milke und seine Freunde vertrieben, trugen Titel wie "Betriebszeitung der RGO", "Roter Sender, Kampforgan der RGO und Einheitsverband für das Baugewerbe Harburg", und "Der Industriearbeiter". Am 28. Juni 1933 wurden in Harburg mehrere dieser Zeitungen von der Polizei beschlagnahmt und einige Kommunisten festgenommen. Die Arbeit lief aber weiter, bis Mitte 1934 wurden RGO-Materialien hergestellt und vertrieben. Danach erfasste eine große Verhaftungswelle in Hamburg und Umgebung rund 800 RGO-Mitglieder, darunter auch Willy Milke, der am 9. Juli 1934 festgenommen wurde. Das Hanseatische Oberlandesgericht verurteilte ihn am 13. April 1935 zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis, die er bis zum 13. Januar 1937 in Fuhlsbüttel verbüßte.

Nach seiner Entlassung arbeitete er bei verschiedenen Harburger Firmen. Am 25. Mai 1938 fand er Arbeit auf der Harburger Phoenix. Hier lernte er Karl Kock kennen. Beide wirkten in einer KPD-Betriebszelle zur Zeit der illegalen KPD-Unterbezirksleitung unter Felix Plewa mit (siehe Felix Plewa). Nach Kriegsbeginn am 1. September 1939 musste diese Arbeit abgebrochen werden.

1942 unterstützte Willy Milke die Widerstandsorganisation um Bästlein, Jacob und Abshagen. Zusammen mit Berthold Bormann, der den Kontakt zur Leitung der Gruppe hatte, und Karl Kock baute er eine Beriebszelle auf der Phoenix auf. Er half mit, den mit dem Fallschirm über Deutschland abgesprungenen und von der Gestapo gesuchten Wilhelm Fellendorf zu verstecken (siehe Herbert Bittcher). In die Verhaftungswelle ab 15. Oktober 1942 gerieten auch Willy Milke und Herbert Bittcher auf der Phoenix. Sie wurden auf dem Betriebsgelände festgenommen, Milke am 21. Oktober. Um die folgende Unruhe auf der Phoenix zu beschwichtigen, streute die Gestapo das Gerücht aus, die beiden hätten die Phoenix in die Luft sprengen wollen. Die "Schutzhaft" im Gestapogefängnis Fuhlsbüttel dauerte vom 23. Oktober 1942 bis zum 30. März 1943. Dort wurde Willy Milke von Gestapo-Mann Wiese so lange geschlagen, bis er zusammenbrach. Alfred Beecken und Emil Lentins, die auch auf der Phoenix im Mischwalzwerk arbeiteten, wurden am 31. Oktober 1942 von der Gestapo verhaftet. Bei Verhören im Stadthaus in Hamburg begegneten sie Willy Milke und sahen an seinem Gesicht, dass er misshandelt worden war. Sie wurden zusammen mit ihm nach Fuhlsbüttel abtransportiert und nach drei Tagen entlassen.

Willy Milke kam dann in Untersuchungshaft ins Gefängnis am Holstenglacis. Am 12. November 1943 wurde er nach Berlin-Moabit, dann nach Berlin-Tegel verlegt.

Am 12. Januar 1944 fand in Berlin vor dem 1. Senat des "Volksgerichtshofs" der Prozess gegen die Unterstützer der beiden Fallschirmspringer Wilhelm Fellendorf und Erna Eifler statt. Angeklagt waren Käthe Fellendorf, Herbert Bittcher und Wilhelm Milke. Den Vorsitz führte Roland Freisler. Zu Willy Milkes Vorstrafe sagte Freisler: "Sie sind schon einmal zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Bei mir wären Sie zum Tode verurteilt." Alle drei erhielten das Todesurteil.

Wilhelm Milke wurde noch am gleichen Abend in seiner Zelle in Berlin-Tegel tot aufgefunden. Nach einer Mitteilung des Gefängnisses hatte er sich in seiner Zelle erhängt. Herbert Bittcher beging ebenfalls in Tegel am 22. Januar Suizid, und Käthe Fellendorf wurde am 31. März in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Herbert Bittcher und Willy Milke wurden auf dem Friedhof Berlin-Marzahn beerdigt. Wilhelm Fellendorf war schon 1943 in Gestapohaft ermordet worden, Erna Eifler wurde am 7. Juni 1944 im KZ Ravensbrück erschossen.

© Hans-Joachim Meyer

Quellen: VVN-BdA Harburg (Hrsg.), Die anderen, s. Personenverzeichnis; Hochmuth/Meyer, Streiflichter, S. 352ff.; Bästlein, Niederlage, S. 53, 109; VVN-BdA Harburg (Hrsg.), Stumme Zeugen, S. 17ff.; StaH, 242-1-II Gefängnisverwaltung; StaH, 331-1-II Polizeibehörde II; StaH, 332-8 Meldewesen, A46; StaH, 351-11, AfW, Wilhelm Milke; StaH, Adressbücher Harburg-Wilhelmsburg und Hamburg; Anklageschrift Heinrich Frühling u .a., Kopie VVN-BdA Harburg; Sterbeurkunde Nr. 30/1944, Standesamt Berlin, Kopie VVN-BdA Harburg; Heyl/Maronde-Heyl, Abschlussbericht; Totenliste VAN.

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