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Luise Lilly Lehmann * 1896

Grindelallee 45 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
LUISE LILLY
LEHMANN
JG. 1896
EINGEWIESEN 1936
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
"AKTION T4"

Luise Franziska, genannt Lilly, Lehmann, geb. am 3.5.1896 in Hamburg, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Stolperstein Hamburg-Rotherbaum, Grindelallee 45

Luise Franziska Lehmann, von allen Lilly genannt, war eines von vier Kindern der jüdischen Eheleute Samuel Lehmann und Rosa, geborene Pincus. Der Kaufmann Samuel Lehmann, genannt Sally, war am 6. Mai 1856 in Oschersleben im heutigen Landkreis Börde (Sachsen-Anhalt) zur Welt gekommen. Rosa Pincus, seine spätere Ehefrau, wurde am 22. Februar 1870 in Posen geboren.

Luise Franziska war das zweitjüngste Kind von Samuel und Rosa Lehmann. Sie war am 3. Mai 1896 in Hamburg-Harvestehude in der Straße Schlump 3 geboren worden. Hier kamen auch ihre ältere Schwester Ruth Rosalie Amalie am 4. Oktober 1894 und ihr Bruder Ludwig am 28. Dezember 1897 zur Welt. Der jüngste Bruder, Hans Max Siegfried, wurde am 27. August 1900 in der Straße Rutschbahn 17 im Stadtteil Rotherbaum geboren. Die Familie lebte viele Jahre in der Rutschbahn, die längste Zeit im Haus Nr. 11, auch noch, als Samuel Lehmann 1929 im Allgemeinen Krankenhaus Eppendorf starb. Tochter Ruth Rosalie Amalie Lehmann hatte die elterliche Wohnung bereits 1928 verlassen und war nach Berlin gezogen. Sie war dort mit Georg Arnheim verheiratet.

Über Luise Franziska Lehmanns Kindheit und Jugend ist uns nichts bekannt. Anfang der 1930er Jahre arbeitete sie als Sprechstundenhilfe.

1933 wurde sie zum ersten Mal in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg aufgenommen. Über die Ursache und die Umstände ihrer Aufnahme in die Krankenanstalt wissen wir nichts. Sie wohnte zu dieser Zeit zur Untermiete bei dem Kaufmann L. Brach in der Grindelallee 45. 1936 befand sich Luise Franziska Lehmann einige Monate in einem Versorgungsheim, bevor sie am 18. August erneut in die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg kam. Am 3. November 1936 wurde sie in die Staatskrankenanstalt Hamburg-Langenhorn verlegt.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Nachdem alle Patienten in Langenhorn eingetroffen waren, wurden sie zusammen mit den bereits länger in Langenhorn lebenden Patienten jüdischer Herkunft, unter ihnen Luise Franziska Lehmann, mit einem Transport von 136 Patienten am 23. September 1940 nach Brandenburg an der Havel transportiert. Noch am selben Tag wurden sie in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxyd ermordet. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).

Wir wissen nicht, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Luise Franziska Lehmanns Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass das Standesamt Chelm II oder Cholm ihren Tod registriert hat. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch), einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Auch Luise Franziskas Mutter und ihre Schwester Ruth Rosalie Amalie Arnheim wurden im Holocaust ermordet. Sie wurden am 13. Januar 1942 zusammen mit Ruths Ehemann Georg Arnheim von Berlin nach Riga deportiert und kamen dort ums Leben.

Ludwig Lehmann emigrierte 1934 nach Lissabon und heiratete dort. Im April/Mai 1937 zog das Ehepaar weiter nach Montevideo in Uruguay. Ludwig Lehmann nahm sich am 4. Dezember 1950 das Leben, weil – wie seine Ehefrau gegenüber der Hamburger Wiedergutmachungsbehörde erklärte – er den Tod seiner nach Riga deportierten und ermordeten Mutter nicht verwinden konnte.

Hans Lehmann, das jüngste der Lehmann-Kinder, verließ Hamburg 1926 mit unbekanntem Ziel. Er starb 1991 in Bad Soden im Taunus.

Stand: November 2017
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 9; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 332-5 Standesämter 9099 Geburtsregister Nr. 1796/1894 Ruth Rosa Amalie Lehmann, 9120 Geburtsregister Nr. 790/1896 Luise Franziska Lehmann, 9135 Geburtsregister Nr. 2581/1897 Ludwig Lehmann, 9840 Sterberegister Nr. 603/1929 Samuel Lehmann, 13275 Geburtsregister Nr. 1996/1900 Hans Max Siegfried Lehmann; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 20244 Ludwig Lehmann; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Lilly Lehmann der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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