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Richard Bähre * 1906

Billhorner Mühlenweg 19 (Hamburg-Mitte, Rothenburgsort)


HIER WOHNTE
RICHARD BÄHRE
JG. 1906
VERHAFTET 1934
GEFÄNGNIS FUHLSBÜTTEL
1936 ZUCHTHAUS
BREMEN-OSLEBSHAUSEN
ZUCHTHAUS WALDHEIM
ERMORDET 1.1.1945
ZUCHTHAUS BRANDENBURG

Weitere Stolpersteine in Billhorner Mühlenweg 19:
Hertha Lüdeking

Richard Bähre, geb. 25.2.1906 in Hannover, Tod am 1.1.1945 im Zuchthaus Brandenburg

Billhorner Mühlenweg 19c, Eingang zum Spielplatz (Hardenstraße 6)

"Im Ausland war ich mit Fahrrad und Paß.
Denn Land und Leute studieren macht mir Spaß."
Aus diesen Versen, die Richard Bähre aus dem Zuchthaus heraus seiner Frau Paula als Kassiber zukommen ließ, sprechen seine Freude am Verseschmieden wie seine Offenheit für Neues und Fremdes.

Richard Bähre war am 25. Februar 1906 in Hannover zur Welt gekommen. Seine Mutter, Karoline Bähre, blieb ledig. Er besuchte die Mittelschule und absolvierte eine kaufmännische Lehre. Nach deren Abschluss übersiedelte er 1929 nach Hamburg. Dort schloss er sich dem Rot­sport Fichte an, dem Gewerkschaftsbund der Angestellten und trat 1931 in die KPD ein. 1933 heiratete er Paula Lepin, Tochter des "Staatsarbeiters" Gustav Lepin und seiner Ehefrau Sabine Maria Caroline aus der Hardenstraße 6 in Rothenburgsort, und zog zu ihr. Über ihre Kinder ist nichts Näheres bekannt.

Nach dem Verbot der KPD im Februar 1933 wirkte Richard Bähre als Funktionär illegaler KPD-Gruppen in St. Georg und Barmbek und sammelte Unterstützungsgelder für Familien politischer Gefangener. 1934 wurde er "wegen Beleidigung" des Nationalsozialisten Horst Wessel zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Nach seiner Entlassung aus der Haft begann Richard Bähre, persönlichen Kontakt zur KPD im Ausland aufzubauen. Als erstes fuhr er 1935 mit dem Fahrrad nach Kopenhagen, wo er die Emigrationsleitung des Abschnitts Nord, ehemals Wasserkante, aufsuchte. Von dort brachte er illegale Zeitungen zur Verteilung mit nach Hamburg zurück. Es gelang ihm, einen Vervielfältigungsapparat zu beschaffen, mit dessen Hilfe er die von ihm selbst zum 1. Mai 1936 verfasste Flugschrift "Sturmfahne" verbreiten konnte. Seine nächste Auslandsreise führte ihn nach Basel zur Abschnittsleitung Süd der KPD, wieder mit dem Fahrrad, wo er Valerie Bodenschatz traf, eine Schweizer Hitlergegnerin. Sie übermittelte einen Brief von ihm an das Zentralbüro der KPD in Paris, dessen Inhalt unbekannt ist.

Auf dem Rückweg nahm Richard Bähre außer Tageszeitungen Walter Korodis Buch "Ich kann nicht schweigen" mit. Walter Korodi, ein Berliner Journalist, berichtete darin über den sog. Röhm-Putsch und überlieferte Teile des "Braunbuchs" (eine Veröffentlichung der Exil-KPD) über den Reichstagsbrand. Als Richard Bähre im August 1936 wieder nach Basel reiste, erklärte er gegenüber Mitgliedern der Auslandsleitung, dass er als Freiwilliger nach Spanien gehen wolle. Unter Rückgriff auf einen Artikel der "Weltbühne" stellte er jedoch zunächst eine neue Ausgabe der "Sturmfahne" her, worin er über den Freiheitskampf in Spanien berichtete und in der Gestalt eines Nachrufs eine Parodie auf das Horst-Wessel-Lied brachte.

Eine weitere Verzögerung seines beabsichtigten Spanieneinsatzes ergab sich aus dem Kontakt zu Herbert Michaelis, einem jüdischen, mit Berufsverbot belegten Rechtsanwalt (s.dort). Auch er hatte ein Exemplar von Korodis Buch erhalten und überlegte, es zusammen mit Richard Bähre im Kleindruck herauszugeben und, als Reklamekalender getarnt, an Hamburger Juristen zu verschicken. Das Projekt gedieh nicht über die Idee hinaus. Richard Bähre verschaffte Herbert Michaelis Kontakt zur Abschnittsleitung Süd der KPD in Basel, durch die Informationen über deutsche Kriegsvorbereitungen, deutsche Unterstützung für den spanischen General Francisco Franco und die Stimmung der Arbeiterschaft insbesondere auf den Werften ins Ausland gelangten.

Am 28. Oktober 1936 wurde Richard Bähre in Hamburg verhaftet und im Stadthaus von der Gestapo verhört. Nach fast einem Jahr "Schutzhaft" im KZ Fuhlsbüttel wurde er in das UG am Holstenglacis überstellt. Ostern 1937 wurde Paula Bähre inhaftiert und erst zwei Jahre später aus der "Schutzhaft" entlassen. Einen Tag zuvor, am 14. Februar 1939, hatte der Volksgerichtshof in Berlin ihren Mann wegen Vorbereitung zum Hochverrat, der Verbreitung illegaler Schriften und Weitergabe von Kassibern mit Warnungen an Genossen, die "an der Zersetzung der NSDAP beteiligt" waren, zu einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe verurteilt. Er verbüßte sie in den Zuchthäusern Bremen-Oslebshausen, Waldheim und Brandenburg. Seine Hafterfahrungen verdichtete er in Knittelversen, die er seiner Frau Paula als Kassiber zukommen ließ. Er starb in Brandenburg am 1. Januar 1945 angeblich an "Lungenentzündung und Herzschwäche". Sein Leichnam wurde eingeäschert und die Urne 1946 nach Hamburg überführt, wo sie im Ehrenhain Hamburger Widerstandskämpfer beigesetzt wurde.

© Hildegard Thevs

Quellen: AB 1933; VAN-Totenliste 1968; Archiv der VVN, B 4; StaH 332-5 Standesämter, 3186+207/1911; dies./Gertrud Meyer, Streiflichter; Ditt, Sozialdemokraten, S. 76, 87, 91; Holtz, Adalbert/Horst Homann, Die Straßennamen von Harburg.

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