Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Herbert Gorden
© Privatbesitz

Herbert Otto Gorden * 1902

Parkallee 84 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1941 Lodz
ermordet 9.3.1942

Weitere Stolpersteine in Parkallee 84:
Elisabeth Gorden, Dr. Felix Gorden

Herbert Gorden, geb. 24.9.1902 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, dort am 9.3.1942 gestorben

Herbert Gorden kam 1902 in Hamburg als Sohn des Richters Dr. Felix Gorden, ehemals Cohen (1863–1939) und Elisabeth Gorden geb. Wolfers (1879–1942 ?) zur Welt. An seine Mutter und seinen Onkel Hugo Wolfers erinnern ebenfalls Stolpersteine (Biographien siehe unter ihren Namen).

Seine Eltern gehörten der evangelisch-lutherischen Kirche an, und so wurde auch Herbert Otto Malte Gorden christlich getauft. Entsprechend der Stellung des Vaters lebte die Familie im Stadtteil Harvestehude in einem großen eigenen Haus in der Parkallee 84. Herbert Gorden wurde als stiller, in-sich-gekehrter und musisch interessierter Mensch beschrieben. Leidenschaftlich gern spielte er auf der Geige seines Großvaters. Er wuchs behütet auf. Von 1909 bis 1912 besuchte er die Realschule Eppendorf; im April 1912 wechselte er auf das Heinrich-Hertz-Realgymnasium (Bundesstraße 58 / Ecke Schlump). Das 1910 eröffnete Realgymnasium legte anders als die humanistischen Gymnasien größeren Wert auf die Fremdsprachen Englisch und Französisch sowie Naturwissenschaften und Mathematik. Es wies mit rund 20% einen relativ hohen Anteil an jüdischen Schülern auf. Herberts acht Jahre jüngere Schwester Hildegard,von Temperament und Entschlusskraft ganz das Gegenteil des Bruders, besuchte eine höhere Mädchenschule (Lyzeum) im Stadtteil Rotherbaum. Nach dem Abitur im Januar 1921 entschied sich Herbert Gorden gegen ein Studium. Er absolvierte eine kaufmännische Ausbildung in der Textilhandelsgesellschaft Schönfeld & Wolfers, dessen Teilhaber sein Onkel Hugo Wolfers war und an der seine Mutter eine nicht unerhebliche Beteiligung hielt. Hugo Wolfers schickte ihn für Einkäufe wiederholt nach Schweden und Finnland.

Die dabei gewonnenen geschäftlichen Kontakte nutzte er ab 1929 für seine eigene Firma "Herbert Gorden" in Hamburg. Er vertrat laut Aussage der Schwester selbstständig vornehmlich schwedische Firmen (Gardinen und Sonnenrollos) in Deutschland und pflegte dabei auch geschäftliche Kontakte zum Schwiegervater der Schwester, Bernhard Rosenberg (1872–1942). Er betrieb das Modewarenhauses Speyer in Sonneberg (Thüringen).

In dem geräumigen 11-Zimmer-Haus der Eltern in der Parkallee 84 richtete Herbert Gorden sein Firmenbüro ein. Aufgrund der jüdischen Abstammung seiner Eltern wurde er ab 1933 in steigendem Maße geschäftlich behindert. Die Eltern halfen im Januar 1934 mit einer finanziellen Zuwendung, in der Hoffnung die Existenz der Firma damit zu sichern. Aber die Boykottaufrufe der NSDAP hatten Erfolg, führten zu massiven Umsatzrückgängen und schließlich 1937/1938 zur Aufgabe der Firma. Die jahrelange Perspektiv- und zunehmende Rechtlosigkeit gipfelte für Herbert Gorden in seiner willkürlichen Verhaftung im Zuge des Pogroms vom 9. November 1938 (an diesem Tag wurden reichsweit ca. 30.000 Juden bzw Bürger mit jüdischen Wurzeln verhaftet und in KOnzentrationsöager eingeliefert). Als "Sühneleistung" für die Schäden des Pogroms konfiszierte der NS-Staat prozentual Vermögenswerte als "Judenvermögenssteuer".

Ins Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt und unter Androhung weiterer Strafe zum Schweigen verpflichtet, wurde Herbert Gorden "völlig verwandelt" nach Hause entlassen. Er stellte im Februar 1939 seinen Auswanderungsantrag nach Alexandrette (türkisch: Iskenderun), der Hauptstadt des kurzlebigen Zwergenstaates Hatay an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien. Für dieses Aufnahmeland sprach die relativ zügige Visagewährung und die Nähe zum britischen Mandatsgebiet Palästina.

Seine Schwester Hildegard Rosenberg geb. Gorden (Jg. 1911), die seit Januar 1936 mit Ehemann Dr. jur. Fritz Rosenberg und Sohn Georg (geb. 1934) in Tel Aviv (Palästina) lebte, bemühte sich, ihm behilflich zu sein, in die Nähe von Palästina zu kommen, damit er zu ihr nach Tel Aviv weiterreisen konnte. Parallel dazu versuchte sie auch ein US-Visum für ihn zu erhalten. Die Emigration in die USA war jedoch langwierig und kontigentiert. Die Liste mit Herbert Gordens "Umzugsgut" für Alexandrette enthielt neben Geschäftskleidung (Anzüge, Wechselkragen, Gamaschen, Mäntel) und des für entsprechende Anlässe unverzichtbaren Smokings und Fracks auch Ausrüstung für die starken Temperaturunterschiede des vorgesehenen Emigrationslandes (Leinenanzüge, Tropenhelm, Petroleumofen, Decken). Zollsekretär Jesse vermerkte in seinem "Ermittlungsbericht", dass im Prinzip nichts gegen eine Ausfuhr der Gegenstände sprechen würde. Aber "gegen die Freigabe des Tafelsilbers und der goldenen Taschenuhr bestehen Bedenken. Die Mitnahme der (Krawatten-) Perlennadel ist zu verweigern." Herbert Gordon wollte auch die vom Großvater auf den Vater vererbte wertvolle Gian Battista Guardagnini-Geige, Notenblätter und Noten sowie Fotoalben mitnehmen und hatte bereits mit der Möbeltransport- und Speditionsfirma Keim, Krauth & Co. (Jungfernstieg 2) verhandelt.

Der Tod des Vaters am 15. März 1939 war ein weiterer schwerer Schlag für die Familie. Herbert Gorden, ohnehin nicht mit starkem Willen und Energie ausgestattet, zeigte erste Zeichen einer Depression. Er verfiel immer weiter in Tatenlosigkeit und Resignation, während seine 59jährige Mutter sich Gedanken über Emigration und Sprachkurse machte. Auch aufrüttelnde Briefe der Schwester verfehlten ihr Ziel. "Er lebt ganz in der Vergangenheit und denkt überhaupt nicht an die Zukunft", notierte sie besorgt. Bereits kurz darauf hatten sich die Ausreisebedingungen radikal geändert. Der Zwergenstaat Hatay war am 24. August 1939 in das Gebiet der Türkei eingegliedert worden, damit war das Visum ungültig geworden. Als eine Woche später mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg begann, verschlossen etliche der möglichen Aufnahmeländer ihre Landesgrenzen. Auch wurde das Vermögen von Familie Gorden vom NS-Staat systematisch geplündert, so dass der für eine Einwanderung in vielen Ländern notwendige Kapitalnachweis nicht mehr beizubringen war.

Ab Juli 1939 wurde auch Herbert Gorden zwangsweise als Mitglied der Reichsvereinigung der Juden geführt. Den zusätzlichen Zwangsvornamen "Israel" musste er bereits seit Januar 1939 in alle Dokumente eintragen lassen, ab dem 19. September 1941 war er zum Tragen des "Judensterns" verpflichtet. Bei der Firma "Alwin Hedermann, Gartengestaltung, Ausführung, Instandhaltung, Hmb. 21, Winterhuder Weg 110" musste er Zwangsdienst als Erd- und Gartenarbeiter leisten.

Mit dem ersten Deportationszug, der Hamburg verließ, wurden Herbert Gorden und seine Mutter Elisabeth Gorden geb. Wolfers am 25. Oktober 1941 ins Getto Lodz ("Litzmannstadt") deportiert. In einem abgeteilten Areal der zweitgrößten Stadt Polens bemühte sich eine Gettoverwaltung mit einem Judenrat an der Spitze um die Organisation des Überlebens. Die Versorgung mit Lebensmitteln war notdürftig und erfolgte über Lebensmittelkarten, dennoch starben viele an Unterernährung. Die unzureichende sanitäre und medizinische Ausstattung bei gleichzeitiger Überbelegung führte zu der (von den deutschen Besatzungsorganen einkalkulierten) hohen Sterblichkeitsrate. Bis Ende 1942 starben rund 4200 reichsdeutsche Juden im Getto Lodz, unter ihnen Herbert Gorden am 9. März 1942 im Alter von 39 Jahren, von seiner Mutter ist das genaue Todesdatum nicht bekannt.

© Björn Eggert

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 241-2 (Justizverwaltung – Personalakten), A 1229 (Felix Gorden); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), FVg 4758 (Herbert Gorden); StaH 332-8 (Alte Einwohnermeldekartei 1892-1925), Eduard Wolfers; StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 36921 (Hildegard Rosenberg geb. Gorden); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Herbert Gorden, Elisabeth Gorden, Hugo Wolfers; Heinrich-Hertz-Schule, Archiv (Schüler-Kartei, Matrikel 581, Herbert Gorden); Gedenkstätte Sachsenhausen (Herbert Gorden, Häftlings-Nr. 008778), Archiv, Sonderliste (D1 A 1024; Bl. 029) und Anweisung der Politischen Abteilung (D1 A 1022, Bl. 500); Gedenkbuch Hamburger jüdische Opfer des Nationalsozialismus, Hamburg 1995; Ursel Hochmuth/ Gertrud Meyer, Streiflichter aus dem Hamburger Widerstand 1933-1945, Frankfurt/ Main, 1969, S. 214; Wilhelm Mosel, Wegweiser zu ehemaligen jüdischen Stätten in Hamburg, Heft 2, Hamburg 1985, S.68 (Heinrich-Hertz-Realgymnasium); Hamburger Adressbuch 1937; Amtliches Fernsprechbuch Hamburg 1920, 1933; Wikipedia – Angaben zu Alexandrette (eingesehen am 18.10.2011); Stadtarchiv Sonneberg/ Thüringen; Gespräche mit A.R., Berlin 2012.

druckansicht  / Seitenanfang