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Elke Gosch * 1940

Langenhorner Chaussee 560 (Hamburg-Nord, Langenhorn)


ERMORDET IN DER
"KINDERFACHABTEILUNG"
DER
HEIL- UND PFLEGEANSTALT
LANGENHORN

ELKE GOSCH
GEB. 3.6.1940
ERMORDET 17.1.1942

Weitere Stolpersteine in Langenhorner Chaussee 560:
Gerda Behrmann, Uwe Diekwisch, Peter Evers, Claus Grimm, Werner Hammerich, Marianne Harms, Hillene Hellmers, Helga Heuer, Waltraud Imbach, Inge Kersebaum, Hella Körper, Dieter Kullak, Helga Liebschner, Theo Lorenzen, Jutta Müller, Ingrid Neuhaus, Traudel Passburg, Edda Purwin, Angela Quast, Erwin Sänger, Hermann Scheel, Gottfried Simon, Monika Ziemer

Elke Gosch, geb. am 3.7.1940 in Ahrensburg, getötet am 17.1.1942 in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn"

Asklepios-Klinik Nord-Ochsenzoll, Henny-Schütz-Allee, Gedenkort Haus 25, Einfahrt Langenhorner Chaussee 560

Elke Gosch kam am 3. Juli 1940 in Ahrensburg zur Welt. Es war eine schwere Steißgeburt, Elke konnte in den ersten 14 Tagen kaum Nahrung zu sich nehmen, von der Mutter wurde sie nicht gestillt. Sie lebte zunächst bei ihren Eltern Else Gertrud Marie, geb. Bruhn, und Rektor Emil Gosch in Bad Oldesloe, in der Hindenburgstraße, zusammen mit zwei Geschwistern.

Nach einem halben Jahr, Elke hatte eine Lungenentzündung bekommen, war sie bedrohlich abgemagert und wurde von einem Dr. Kock behandelt. Im Alter von einem Jahr wurde sie am 13. Juni 1941 für zwei Wochen in die Universitäts-Kinderklinik Eppendorf eingewiesen. Sie war schwächlich geblieben und hatte sich nicht weiterentwickelt. Elke konnte noch nicht sprechen und sitzen, war still und zeigte keine Anteilnahme. Den Kopf konnte sie halten. Bei der Entlassung wurde das "klassische Bild der mongoloiden Idiotie" (Down-Syndrom) diagnostiziert.

Am 27. November 1941 kam Elke zur Beobachtung in das Allgemeine Krankenhaus St. Georg, Abt. Baustraße. Sie konnte fixieren und greifen, vermochte aber nicht, über einen längeren Zeitraum zu spielen. Ansonsten wurde die Diagnose bestätigt. Nach einer Überlegung, sie nach Alsterdorf zu verlegen, wurde anderes beschlossen: "Eine geistige Förderung ist nicht zu erreichen, da es nicht gelingt, die Aufmerksamkeit des Kindes längere Zeit zu fesseln. Nahrungsaufnahme ohne besondere Schwierigkeiten. Da die Eltern eine Unterbringung in eine geschlossene Anstalt wünschen, Verlegung nach Langenhorn."

Im Alter von eineinhalb Jahren wurde Elke von St. Georg, Abt. Baustraße, am 27. Dezember 1941 mit einem Attest vom Hauptgesundheitsamt Kreis Stormarn und der Diagnose "Mongolide Idiotie" in die "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" eingewiesen. Im Aufnahmeprotokoll hielt Friedrich Knigge fest: "Die Eltern sind mit jeder erfolgversprechenden Behandlung einverstanden." Danach lebte Elke nur noch drei Wochen. Die letzten Protokolle von Friedrich Knigge lauten:
"13.I.42.: Hat Fieber und stark erhöhten Puls
16.I.42. Di-Befund in Nase u. Rachen positiv […] Kind nach M 15 b auf die Di-Station [Diphterie-Station] verlegt
17.I.42. Exitus [Tod]. Diagnose: Mongoloide Idiotie. Dr. Knigge".

Elke Gosch wurde in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" vermutlich mit einer Spritze und durch eine Überdosierung mit Luminal, einem Schlafmittel, von Knigge getötet. Am 17. Januar 1942 verstarb sie um 1:15 Uhr in Haus M 15b.

In dem Protokoll und der Todesanzeige gab Knigge als Todesursache "Mongoloide Idiotie, Diphteritis" sowie "Myocarditis" (Herzmuskelentzündung) an. Die Angabe "Bronchopneumonie" als Todesursache fehlt hier. Es kann angenommen werden, dass das Symptom Fieber auf die Verabreichung der Spritze hindeutet. Ob die Verlegung auf die Diphtherie-Station der Verschleierung diente, kann nicht belegt, aber vermutet werden.

Elke wurde 1 Jahr, 7 Monate und 14 Tage alt. Der Ort ihrer Beisetzung ist nicht bekannt.

Nach dem Krieg äußerte sich Friedrich Knigge zu den erhobenen Beschuldigungen wegen Mordes bzw. Sterbehilfe in der "Kinderstation" des Krankenhauses Langenhorn. In einem Schreiben vom 13. Juni 1945 an die Kriminalpolizei über Prof. Rudolf Degkwitz, Leitender Beamter der Hamburger Gesundheitsbehörde, gab er lediglich Sterbehilfe bei zehn bis elf "geisteskranken und mißgestalteten" Kindern zu, die er durch die Anordnung des "Reichsausschusses zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden" für gerechtfertigt hielt. Den Namen von Elke Gosch verschwieg er.

In einem Schreiben vom 5. November 1947 an den Staatsanwalt befand sich auch Elkes Nachname auf einer Liste mit 16 Kindern, die er angeblich nicht getötet habe, aber deren Eltern sich einverstanden erklärt hatten:
"Sehr geehrter Herr Staatsanwalt!
Ich möchte Sie höflichst bitten, sich in den Krankenakten zu überzeugen, daß noch weitere 16 Eltern der ‚Behandlung‘ zustimmten und mir damit den Auftrag zur Euthanasie erteilten:
1. Zapf 2. Ziemer 3. Cordes 4. Lorenzen 5. Boehm 6. Diekwisch 7. Gosch 8. Schulz 9. Knudsen 10. Nonnsen 11. Fokuhl 12. Meyer 13. Meibohm 14. Oje 15. Würflinger 16. Groß.
In allen diesen Fällen wurde der Auftrag z.T. zur offensichtlich schweren Enttäuschung der Eltern nicht ausgeführt. Die große Bereitwilligkeit der Eltern mußte bei mir und bei meinem Referat auf der Gesundheitsbehörde den Eindruck verstärken, nicht nur im wahren Sinne des Kindes sozial, sondern auch legal zu handeln."

Stand: Januar 2023
© Margot Löhr

Quellen: StaH, 213-12 Staatsanwaltschaft, 0017 Bd. 001, Bayer Dr. Wilhelm, u. a., S. 126 f.; StaH, 332-5 Standesämter, Sterbefallsammelakten, 64217 u. 423/1942 Elke Gosch; StaH, 332-5 Standesämter, Sterberegister, 9933 u. 423/1942 Elke Gosch; StaH, 352-5 Standesämter, Todesbescheinigungen, 1942 Sta 1b Nr. 423 Elke Gosch; StaH, 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Abl. 2000/01 Nr. 33 Akte 29296; Standesamt Ahrensburg, Krs. Storman, Geburtsregister, Nr. 73/1940 Elke Gosch.

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