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Bruno Grünewald * 1905

Borgfelder Straße 66 (Hamburg-Mitte, Borgfelde)


HIER WOHNTE
BRUNO GRÜNEWALD
JG. 1905
"SCHUTZHAFT" 1938
SACHSENHAUSEN
FLUCHT 1939 FRANKREICH
INTERNIERT DRANCY
DEPORTIERT 1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Bruno Grünewald, geb. 10.3.1905 in Plauen, 1938 KZ Sachsenhausen, Flucht nach Brüssel 1939, interniert in Gironde 1941/1942, Sammellager Drancy, deportiert 7.9.1942 nach Auschwitz, ermordet

Borgfelder Straße 66

Bruno Grünewald war das einzige Kind des Kaufmanns Abraham (genannt Alfred) Grünewald, geb. 26.12.1865 in Haaren, Kreis Paderborn, und seiner 20 Jahre jüngeren Ehefrau Erna, geb. Meyer, geb. 14.12.1885 in Hannover. Sie heirateten 1904, am 10.3.1905 kam Bruno, ihr einziger Sohn, in Plauen zur Welt. In Plauen und Zeulenroda im Vogtland und in Cambrai in Nordfrankreich handelte Alfred Grünewald erfolgreich mit Plauener und Brüsseler Spitzen. Erna Grünewalds Vater betrieb ein ebenfalls erfolgreiches Kaufhaus in Hannover.

Nach dem Ersten Weltkrieg verkaufte Alfred Grünewald seinen Besitz im Vogtland und ließ sich 1919 mit seiner Familie in Hamburg nieder. Er zog in den Mittelweg 143 in Rotherbaum, schloss sich jedoch nicht der Deutsch-Israelitischen Gemeinde an. Erna Grünewalds Vater übertrug ihr das gut gehende Geschäft "Alfi" in Hannover, das sie und ihr Mann um einen Filialbetrieb erweiterten, so dass sie bis zu 30 Angestellte beschäftigten.

Als Grünewalds nach Hamburg zogen, hatte Bruno gerade seine Schulpflicht erfüllt, besuchte aber weitergehende Schulen. Er wurde Werbekaufmann und setzte seine Ausbildung in Hannover, Bremen und New York fort. Nach seiner Rückkehr nach Hamburg trat er am 5. Juni 1929 in die OHG H. Schnigge & Co. ein, deren Gesellschafter Willi Rudolf August Schnigge und Friedrich Wilhelm Emil Kramer waren. Willi Schnigge verließ die Firma, ab 18. Oktober 1929 hieß sie "DUX-Reklame Grünewald & Kramer" mit Sitz in der Mönckebergstraße 17.

In die Zeit des Neuanfangs in Hamburg fiel am 6. September 1929 auch Bruno Grünewalds Heirat mit der nichtjüdischen Käte Grauer, geb. 21.1.1909 in Hamburg. Sie war die Tochter des Kellners Ferdinand Grauer und seiner Ehefrau Henni, geb. Schmelia. Ihr einziges Kind, der Sohn Wolfgang, wurde am 7. Juni 1930 geboren. Sie zogen in die Horner Landstraße 136 in Hamburg-Horn.

Trotz der Weltwirtschaftskrise eröffnete im November 1930 "DUX-Reklame" eine Zweigniederlassung in Berlin. Am 28. April 1932 übernahm Bruno Grünewald als alleiniger Gesellschafter die Firma und übertrug sie am 12. August 1932 seiner Ehefrau Käte als alleiniger Inhaberin, ohne Übernahme der Verbindlichkeiten. Alle Forderungen verblieben bei Bruno Grünewald, der daraufhin Konkurs anmeldete.

Bruno Grünewald trat mit seiner Frau und dem Sohn Wolfgang in die Jüdische Gemeinde ein. Trotz der Wirtschaftskrise war sein Einkommen dank einiger Großkunden hoch gewesen. Auf dieser Basis wurde er für 1932/33 mit einem Gemeindebeitrag in Höhe von 149,55 RM veranlagt, den er jedoch wegen des Konkurses nicht zu entrichten in der Lage war.

Käte Grünewald verlor jedoch alle Großkunden mit einer Ausnahme und gab im Juli 1933 die Zweigniederlassung in Berlin auf. Gleichwohl bezog die Familie in der Agnesstraße 62 eine große teure Wohnung. Trotz der Unterstützung durch Bruno Grünewalds Eltern wechselten sie nach nur einem Jahr in die Eiffestraße 241 in Hamburg-Hamm und zogen von dort nach Borgfelde in die Borgfelder Straße 66, wo die Wohnungen billiger waren. Zwei Jahre später, am 12. Juli 1935, wurde das Geschäft "DUX" von Amtswegen gelöscht.

Durch Alfred Grünewalds Tätigkeit als selbständiger Fabrikant und durch die Übertragung der väterlichen Geschäfte in Hannover auf Erna Grünewald waren sie zu erheblichem Wohlstand gekommen. Ihr Vermögen umfasste Grundstücke in Hamburg und Hannover und ein besonders wertvolles in Antwerpen in Belgien. Sie lebten von deren Erträgen, Alfred war außerdem bei der Firma Gebrüder Alsfeld in Hamburg tätig. 1935 zogen sie in die Heilwigstraße 17. Beide Hamburger Wohnungen hatten sie großbürgerlich ausgestattet und mit wertvollen Kunstsammlungen, insbesondere mit mittelalterlichen religiösen Skulpturen, gefüllt.

Bruno Grünewald versuchte als kaufmännischer Angestellter und als freiberuflicher Werbeberater wieder Fuß zu fassen, erreichte aber nie wieder ein Einkommen, für das er der Jüdischen Gemeinde Steuern zu entrichten hatte. In der Nacht des Pogroms vom 9./10. November 1938 wurde er verhaftet und bis Januar 1939 im KZ Sachsenhausen festgehalten. Seine Entlassung war daran gebunden, umgehend das Deutsche Reich zu verlassen.

Er leitete mit Schreiben vom 31. Januar an den Oberfinanzpräsidenten seine Auswanderung nach Trinidad ein. Für den 7. Februar 1939 besaß er bereits eine Schiffskarte ab Amsterdam und bat deshalb um Freigabe des Reisegepäcks und um die Unbedenklichkeitsbescheinigung. An Mitteln für die Auswanderung hatte er 1000 RM von seinem Vater erhalten.

Zwar lag am 7. Februar der Prüfbericht der Zollfahndungsstelle vor, jedoch erst am 13. Februar die Unbedenklichkeitsbescheinigung (UB) der Kämmerei. Die Erteilung der UB des Oberfinanzpräsidenten zur Erlangung des Reisepasses wurde bis auf den Abschluss des Auswanderungsverfahrens Alfred Grünewalds verschoben.

Alfred Grünewald war inzwischen mit seiner Ehefrau, ohne das vorgeschriebene Auswanderungsverfahren durchlaufen zu haben und unter Zurücklassung ihrer gesamten Habe, nach Belgien geflohen. Durch ihre Helfer ließen sie ihrer Schwiegertochter den Wohnungsschlüssel zukommen, damit sie ihnen von ihrer Wohnungseinrichtung nachschicke, was möglich sei, und das Übrige einlagere.

Ein von Alfred Grünewald eingesetzter Vermögensverwalter korrespondierte mit dem Oberfinanzpräsidenten, zu dem gerüchteweise durchgedrungen war, dass Alfred Grünewald in Belgien nennenswerten Besitz habe. Bruno als sein alleiniger Erbe könne demzufolge ausländischen Besitz erlangen und bei seinem Verkauf den Geldwert dem Deutschen Reich entziehen – ein für Vater und Sohn gleichermaßen strafbares Devisenvergehen.

Alfred und Erna Grünewald hatten die Erträge aus dem Antwerpener Grundstück als Alterssicherung gedacht, weshalb sie sie durch ihre Flucht nach Belgien dem Zugriff des Deutschen Reiches entzogen. Die Konsequenzen für ihren Sohn, dessen Auswanderung nun aufgeschoben war, übersahen sie nicht. Am 24. Februar 1939 teilte ihr verlässlicher langjähriger Vermögensverwalter dem Oberfinanzpräsidenten mit, dass sich Bruno Grünewald im Ausland aufhalte und dass sich seine Ehefrau scheiden lassen und in Hamburg bleiben wolle.

Am 8. März 1939 wurde die Ehe von Käte und Bruno Grünewald "aus rassischen Gründen" geschieden, womit Bruno Grünewald die alleinige Schuld trug. Was zum Schutz seiner Ehefrau und des Kindes gedacht war, nahm ihm selbst jeglichen Schutz.

Als Folge ihrer Flucht wurden Bruno Grünewald und seine Eltern am 15. Februar 1940 ausgebürgert. Sie hielten über Geschäftsfreunde postalischen Kontakt zu Käte Grünewald.

Mit Datum vom 31. Oktober 1939 vermerkte die Jüdische Gemeinde in Hamburg Bruno Grünewalds Ausscheiden durch Wegzug nach Brüssel. Käte und Wolfgang Grünewald blieben weitgehend unbehelligt. Ihre Schwiegereltern hatten ihnen das Grundstück Großer Burstah 30 geschenkt, von dessen Ertrag sie bis zur Ausbombung 1943 lebten.

Mit der Besetzung Belgiens im Mai 1940 reichte der Arm des nationalsozialistischen Deutschland auch dorthin. Alfred, Erna und Bruno Grünewald flohen nach Südfrankreich, wo Erna Grünewald in Gurs interniert wurde. Freunde brachten sie fünf Monate später von dort nach Brüssel zurück, wo sie mit ihrem Ehemann untertauchte und sie gemeinsam zwei Jahre später die Befreiung erlebten. Alfred Grünewald starb am 6. März 1955 in Brüssel.

Bruno Grünewald wurde in Les Milles an der Gironde in Südfrankreich interniert und in das Durchgangslager Drancy überstellt. Von dort wurde er am 7. September 1942 nach Auschwitz deportiert, wo sich seine Spur verliert. 1958 wurde er auf den 31. Dezember 1945 für tot erklärt.

Seine Witwe Käte Grünewald beantragte die Anerkennung ihrer freien Ehe, d.h. hier die rückwirkende Annullierung der Scheidung. Da sie dank einiger Briefe beweisen konnte, dass auch nach der Scheidung noch ein liebevoller Kontakt bestand, wurde ihre Ehe als am 9. April 1939 geschlossen anerkannt.

Wolfgang Grünewald emigrierte nach dem Krieg nach New York.

Stand: Februar 2020
© Hildegard Thevs

Quellen: 1; 2 F 813, 814; 5; Hamburger Adressbücher; StaHH 231-7 Handelsregister, A 1 Band 153; 213-13 Wiedergutmachung Amtsgericht, 29241; 332-5 Personenstandsregister; 351-11 Wiedergutmachung 795, 997, 29492; 332-4 Anerkennung der freien Ehe, 795. Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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