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Fanny Sara Grünfeld * 1922

Holstenstraße 2 (Altona, Altona-Altstadt)


HIER WOHNTE
FANNY SARA
GRÜNFELD
JG. 1922
"POLENAKTION" 1938
BENTSCHEN / ZBASZYN
DEPORTIERT 1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Weitere Stolpersteine in Holstenstraße 2:
Abraham Grünfeld, Masza Martha Grünfeld, Alex Benno Grünfeld, Anni Gertrud Grünfeld, Lotte Grünfeld, Hilde Grünfeld

Abraham Grünfeld, geb. 12.2.1896 in Pacanow/Krs. Bendzin, Südostpolen, abgeschoben 28.20.1938 nach Zbaszyn/ Bentschen, interniert, deportiert Herbst 1943 nach Auschwitz

Masza/Martha/Mascha Grünfeld, geb. Abramowicz, geb. 10.11.1898 in Piotrkow/ Zentralpolen; abgeschoben 28.10.1938 nach Zbaszyn/ Bentschen, deportiert Herbst 1943 nach Auschwitz

Fanny Sara Grünfeld, geb. 1.5.1922 in Altona, abgeschoben 28.10.1938, Zbaszyn/ Bentschen, deportiert nach Auschwitz

Alexander Benno Grünfeld, geb. 13.8.1923 in Hamburg, abgeschoben 28.10.1938 nach Zbaszyn/ Bentschen, deportiert Herbst 1943 nach Auschwitz

Anna Gertrud Grünfeld, geb. 1.6.1925 in Hamburg, abgeschoben 28.10.19 nach Zbanszyn/ Bentschen, verhungert

Lotte Grünfeld, geb. 3.7.1926 in Hamburg, abgeschoben 28.10.1938 nach Bentschen/ Zbaszyn, 2.6.1942 KZ Oberaltstadt bei Trautenau/Sudetengau, befreit am 9.5.1945

Hilde Grünfeld, geb. 14.2.1929 in Hamburg, abgeschoben 28.10.1938 nach Zbaszyn/ Bentschen, deportiert Herbst 1943 nach Auschwitz

Holstenstraße 2/Endo-Klinik (früher: Kleine Freiheit 18)

Abram Grinfeld oder Abraham Grünfeld und Masza, Marza, Mascha oder Martha, geb. Abramowicz oder Abramowitz, hatten ihre Wurzeln im orthodoxen Judentum im südlichen Polen, das zwischen polnischer, russischer und deutscher Herrschaft wechselte und damit auch die Sprachen. Bei den Nachnamen änderten sich nur die Schreibweisen, bei den Vornamen der Frauen traten so starke Varianten auf, dass einige nicht als identisch erkannt und sie als verschiedene Personen dokumentiert wurden. Aus den unterschiedlichen russischen und preußischen Kalendern folgten Unstimmigkeiten bei einigen Daten, aus der unterschiedlichen Gültigkeit von religiösem und zivilem Personenstandsrecht resultierten Probleme bei der Anerkennung von Ehen und ehelichen Nachkommen.

Bei ihrer Heirat am 28. Dezember 1928 auf dem Standesamt Altona I unterschrieb der Bräutigam mit Abram Grinfeld und die Braut mit Masza Abramowicz. Abram Grinfeld war 1896 in Pacanow, Kreis Bendzin in Polen, "am 31. Januar alten Stils" geboren, was dem 12. Februar "neuen Stils" entsprach. Masza Abramowicz war am 10. November 1898 in Piotrkow in Polen zur Welt gekommen. Sie hatte keinen Beruf erlernt, Abram war Schneider und Musiker.

Beide wohnten zu der Zeit in der Lohestraße 21 in Altona. Als Trauzeugen fungierten ein Schneider aus Altona und ein Uhrmacher aus dem Grindelviertel in Hamburg, keine Angehörigen. Während aus Abraham Grünfelds Familie nur ein Bruder mit Namen Zwi Hirsch bekannt ist - er erlebte das Kriegsende -, sind aus Macza Grünfelds Familie Mitglieder aus fünf Generationen dokumentiert, von ihren Großeltern Moschek und Perla Gelbaum bis zu den Enkelkindern Irene Tobias und Igal und Doron Haran.

Macza Grünfeld war am 10.11.1898 in Piotrkow als erstes Kind von Israel Abramowicz und seiner Ehefrau Ruchla, geb. Gelbaum, geb. 12.12.1874 in Groß Peterwitz bei Trebnitz in Niederschlesien, geboren worden. (Zu Ruchla Abramowitz gibt es auch andere Datums- und Ortsangaben, wie auch eine Reihe anderer Vornamen: Rachel, Bracha, Reschla). Sie hatte 1895 geheiratet und sich mit ihrem Mann in der Nähe von Lodz niedergelassen, offenbar in Piotrkow, wo vier Jahre nach Macza am 18.9.1902 ihre Schwester Perla zur Welt kam und später die Halbgeschwister Chaskiel Leib Karmasin (am 16.9.1910) und Kajlja Minka Karmasin (am 19.10. 1912). Nach Israel Abramowicz‘ frühem Tod hatte seine Witwe Ruchla nach religiösem Recht den Weber Abram David Karmasin geheiratet.

Abram David Karmasin verließ die Familie. Ruchla, weiterhin Abramowicz genannt, ernährte diese als Händlerin. Sie zog während des Ersten Weltkriegs mit ihren vier Kindern nach Altona. Tochter Macza hatte als einzige bereits ihre Schulpflicht erfüllt, Perla, auch Paula genannt, übernahm später den Handel ihrer Mutter. Sie wohnte mit ihr zusammen und sorgte für sie. Chaskiel Leib, genannt Axel, und Kajlja Minka, genannt Kayla oder Käthe, waren noch schulpflichtig. Axel wurde zeitweilig in Heimerziehung gegeben, aus der er 1925 von Marburg kommend nach Hamburg zurückkehrte.

Wann die Familie in die Parallelstraße 31 in Altona zog, lässt sich nicht feststellen, jedenfalls war das die Wohnadresse, als am 1. Mai 1922 Masza Abramowicz dort ihr erstes Kind gebar, Fanny Sara. Sie war in religiöser Ehe mit Abram Grinfeld verheiratet, dessen Vaterschaft erst nach der standesamtlichen Eheschließung 1928 eingetragen wurde. Sein genaues Zuzugsdatum nach Altona ließ sich nicht ermitteln. Ihre erste uns bekannte Adresse war eine Kellerwohnung in der Kleine[n] Gärtnerstraße 11, heute Stresemannstraße.

Abram Grinfeld trat in die Hochdeutsche Israelitengemeinde zu Altona ein und wurde dort 1923 mit dem Namen Abraham Grünfeld als steuerpflichtiges Mitglied registriert. Im selben Jahr, am 13. August 1923, wurde Alexander Benno, wie auch die folgenden Geschwister, im Israelitischen Krankenhaus in Hamburg geboren. Die jüdische Gemeinde veranlagte Abraham Grünfeld als "armen Schneider" zum Mindestbeitrag zu zwölf Reichsmark im Monat, dann wurde er jedoch Jahr für Jahr von der Zahlung befreit. An dem wirtschaftlichen Aufschwung am Ende der Inflationszeit hatte er keinen Anteil.

Abraham Grünfeld und seine Familie lebten danach zusammen mit Maczas Mutter und den Geschwistern in der im Altonaer Adressbuch unter K. Karmasin eingetragenen Wohnung Lerchenstraße 10, Terrasse 6 auf St. Pauli. Abram David Karmasin wurde 1924 vom Amtsgericht Hamburg für tot erklärt.

Macza Abramowicz, die inzwischen selbst als Schneiderin tätig war, brachte zwei weitere Kinder zur Welt, Gertrud Anna, genannt Anni, am 1. Juni 1925, und Lotte am 3. Juli 1926. Um 1928 zog ihre Mutter Ruchla mit den Töchtern Perla Abramowicz und Katja Karmasin in den Neuen Steinweg 78 in der Hamburger Neustadt, während Masza Abramowicz und Abraham Grünfeld in der Lohestraße 21 eine Wohnung bezogen. Axel Karmasin lebte inzwischen als Fellarbeiter für sich.

Am 28. Dezember 1928 heirateten Macza Abramowicz und Abram Grinfeld unter ihren Geburtsnamen standesamtlich, gleichzeitig erkannte Abram Grinfeld die Vaterschaft aller Kinder an. Am 14. Februar 1929 wurde die Tochter Hilde geboren und 1931 ein Sohn, von dem jedoch nichts Weiteres bekannt ist.

Die Weltwirtschaftskrise war so einschneidend, dass Abraham Grünfeld ab 1931 nicht mehr zur Gemeindesteuer veranlagt wurde. Als er 1938 völlig mittellos war, erhielt er Wohlfahrtsunterstützung. Da wohnte er mit seiner Familie bereits in der Kleinen Freiheit 18 auf St. Pauli.

Die Familie entsprach dem Stereotyp armer Ostjuden: orthodox, fromm, kinderreich und musikalisch. Fanny und Benno, die beiden älteren Kinder, wurden wie auch später ihre jüngeren Geschwister in der Volksschule der Jüdischen Gemeinde in Altona eingeschult. Dort wurde bald ihre große musikalische Begabung entdeckt. Fanny spielte Klavier und Benno Geige. Sie waren so begabt, dass ihre Lehrer sie im Hinblick auf eine Musikerlaufbahn besonders förderten, beide erhielten außerdem privaten Unterricht. Benno war der begabtere und trat gelegentlich öffentlich auf. Er schloss seine Schulzeit mit der Volksschule ab und studierte privat weiter Geige. Die Töchter wechselten nach vier Volksschuljahren auf die Realschule für Mädchen in der Carolinenstraße. Dort erlangte Fanny den Abschluss, schloss aber keine Berufsausbildung an.

Bei der Machtergreifung Hitlers hatte von Ruchla Abramowiczs vier Kindern nur Macza geheiratet. Perla/ Paula Abramowicz, die ihre Mutter versorgte, ging um 1934 im Alter von 32 Jahren die Ehe mit dem 20 Jahre älteren Berka Kactow, Katzow oder Katzdorf aus der Elbstraße 28 ein. Er war von Beruf "Borstenzurichter" (d.h. er lieferte Borsten für Bürsten und Pinsel) wie sein Schwager Axel Karmasin. Ihre Halbschwester Kajlja Minka/ Katja Käthe Karmasin, 22 Jahre alt, wurde am 22. November 1934 mit dem 24-Jährigen Lageristen Curt Tobias getraut. Sie lebten danach bei seiner Mutter Bella in der Bartelsstraße 26.

Durch ihre Ehe erhielt Katja Karmasin die deutsche Staatsangehörigkeit. Ihre Mutter Ruchla Abramowicz war staatenlos geworden, Familie Grünfeld blieb polnisch.

Am 1. Juni 1935 wurde Katja und Curt Tobias‘ Tochter Irene geboren. Da sie in ihrer geistigen Entwicklung zurück blieb, wurde sie in einer Anstalt untergebracht. Ihre Eltern kamen im Oktober 1937 wegen kritischer politischer Äußerungen ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel, von wo sie im April 1938 entlassen wurden. Curt Tobias emigrierte noch im selben Jahr nach Paraguay, wohin Perla und Berka Kactow schon zuvor ausgewandert waren. Katja Tobias zog in den Neuen Steinweg 78, die Wohnung wurde zur Anlaufstelle auch für ihre Schwiegermutter Bella Tobias und ihre Mutter Ruchla Abramowitz.

Da auch Axel Karmasin ausgewandert war, blieben nur seine Mutter Ruchla Abramowicz, seine Schwester Katja Tobias und ihre kranke Tochter Irene und Familie Grünfeld in Hamburg zurück. Ohne Vorwarnung oder Registrierung wurden Abraham, Macza, Fanny, Benno, Anni, Lotte und Hilde Grünfeld am 28. Oktober 1938 nach Zbaszyn/ Bentschen jenseits der deutsch-polnischen Grenze abgeschoben. Die Abschiebung erfolgte so plötzlich und unter Zeitdruck, dass Abraham und Macza Grünfeld nicht einmal ihre Eheringe mitnehmen konnten. In Zbaszyn/ Bentschen blieben sie interniert.

Macza/ Martha Grünberg flüchtete mit den drei noch schulpflichtigen Töchtern Anni, (13 Jahre), Lotte (12 Jahre) und Hilde (9 Jahre) im Dezember 1938 zurück nach Hamburg, während Abraham mit Fanny und Benno zurückblieb. Sie meldete sich polizeilich in der Wohlersallee 58 in Altona an und betrieb offiziell ihre Auswanderung nach Polen.

Ihr wurde am 15. Mai 1939 die Mitnahme ihres Hausrats ohne Auflagen genehmigt, da es sich um gebrauchte Gegenstände handelte. Darunter befanden sich auch die Geige, das Klavier mit Zubehör, ein Koffergrammophon mit Platten und die Nähmaschine und die Schulsachen für die Kinder. Als Polin war Masza Grünfeld nicht verpflichtet, die goldenen Uhren und Ringe und die religiösen Zwecken dienenden zwei silbernen Becher und die Gewürzbüchse abzuliefern. Das Umzugsgut wurde nach Polen expediert, Macza Grünbergs Pass wurde per 23. Mai 1939 gesperrt.

Grünbergs blieben neun Monate in Zbaszyn/ Bentschen, bevor sie nach Sosnowitz bei Kattowitz zogen. 1940 wurde dort ein jüdisches Sperrgebiet eingerichtet, Ende 1942 ein jüdisches Ghetto. Dort heiratete Fanny 1943.

Schon zuvor war Lotte Grünfeld in das KZ Oberaltstadt bei Trautenau im Sudetengau überstellt worden. Mit ihren Eltern bestand postalischer Kontakt, so dass sie Anfang 1943 von Annis Tod durch Verhungern erfuhr und von der Deportation der Eltern, Fannys, Bennos und Hildes Ende Juni 1943 nach Auschwitz.

Ruchla Abramowicz, geb. Gelbaum, und ihre Tochter Kajlja Minka Katja Käthe Tobias, geb. Karmasin, wurden im November 1941 nach Minsk deportiert, wo sich ihre Spuren verlieren.

Irene Tobias starb im Alter von sechs Jahren am 23. November 1941 in der Staatskrankenanstalt Eilbek. Als Todesursache wurde "Idiotie, Bronchopneumonie" angegeben. Das klingt nach "Euthanasie", auch wenn dort keine Kinderfachabteilung existierte. Es gab keine Angehörigen mehr, die sich für das Kind einsetzten.

Lotte Grünfeld arbeitete bis zu ihrer Befreiung am 8. Mai 1945 im Zwangsarbeitslager Oberaltstadt in der Spinnerei der Firma Kluge täglich 12 Stunden im Feinsaal, eine nasse, schmutzige, ungesunde Tätigkeit bei unzureichender Ernährung. Sie emigrierte nach Palästina und gründete dort eine Familie.

Ihre Verwandten wurden auf den 9. Mai 1945 für tot erklärt.

Stand: Juli 2022
© Hildegard Thevs

Quellen: 1, 4, 5; StaHH 213-13 Landgericht Wiedergutmachung, 576, 27911, 33022; 314-15 OFP, FVg 4668; 332-5 Personenstandsregister, Standesamt Altona I; 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 45025, 47299, 45792, 47852; Martin Weinmann, Hg.: Das nationalsozialistische Lagersystem, 4. Aufl., Frankfurt/M, 2001; https://sztetl.org.pl/de/stadte/s/451-sosnowiec/99-geschichte/138059-geschichte-der-gemeinde, Abruf 27.6.2022.
Zur Nummerierung der Quellen siehe www.stolpersteine-hamburg.de/Recherche und Quellen.

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