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Emil Emanuel Badrian * 1859

Grindelhof 30 (TTS) (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1943 Theresienstadt
ermordet 08.10.1943

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Weitere Stolpersteine in Grindelhof 30 (TTS):
Dr. Walter Bacher, Asriel Brager, Ilse Brager, Sally Brager, Dr. Joseph Carlebach, Dr. Hermann Freudenberger, Josua Falk Friedlaender, Julius Hamburger, Walter Nathan Herz, Bertha Hirsch, Leopold Hirsch, Dr. Alberto Jonas, Benno Kesstecher, Heinz Leidersdorf, Richard Levi, Emil Nachum, Mathias Stein, Artur Toczek

Emanuel Emil Badrian, geb. am 27.4.1859 in Beuthen/Oberschlesien, deportiert am 23.6.1943 nach Theresienstadt, dort gestorben am 8.10.1943

Grindelhof 30

Seit Juni 2007 erinnern siebzehn Stolpersteine vor dem Gebäude der früheren Talmud Tora Realschule am Grindelhof 30 an die im Nationalsozialismus ermordeten Lehrer und Angestellten. Einer dieser Stolpersteine ist dem Oberlehrer Emanuel Emil Badrian gewidmet.

Emanuel Emil Badrian kam als ältestes von fünf Kindern seiner Eltern Hirschel Badrian (geboren am 19.5.1831 in Pilgramsdorf/Schlesien, gestorben am 12. August 1885 in Beuthen) und Rosalie, geborene Cohn (geboren 1828 in Pless/Oberschlesien, gestorben am 27. Juni 1906 in Beuthen) zur Welt. Hirschel Badrian war Getreidehändler mit eigener Firma in der Tarnowitzstraße 13 in Beuthen. Rosalie Badrian kümmerte sich um die größer werdende Familie. Emanuel Emil besuchte das Gymnasium in Beuthen und studierte nach erworbener Hochschulreife ab 1880 an der Universität Breslau Geschichte, Geographie und Sprachen. Sechs Jahre später legte er sein Staatsexamen ab und unterrichtete als Lehrer am Breslauer Johannes-Gymnasium.

Seine Hamburger Zeit begann für Emanuel Emil Badrian am 1. April 1891. Er trat als akademisch gebildeter Lehrer in die orthodox geführte Talmud Tora Schule ein, die ein Jahr später als Realschule anerkannt wurde. Zu diesem Zeitpunkt stand das Schulhaus noch in der Straße Kohlhöfen 20 in der Hamburger Neustadt. Wegen der ständig wachsenden Schülerzahl wurde der Bau eines neuen Schulgebäudes notwendig, das im Dezember 1911 am Grindelhof 30 eingeweiht werden konnte.

Privates Glück fand Emanuel Emil Badrian durch seine Heirat am 7. Dezember 1893. Seine Braut, Bella Hanover, geboren am 20. Oktober 1866 in Wandsbek, stammte aus einer orthodoxen jüdischen Familie. Wie ihr Ehemann war auch sie das älteste von fünf Kindern. Ihre Eltern, der Rabbiner David Hanover und seine Ehefrau Rika, genannt Hanna, geborene Hirsch, lebten in Wandsbek, Königstraße 30. Bella und Emanuel Emil Badrian, die keine Kinder bekamen, bezogen eine Wohnung im Laufgraben 14, in der sie etwa zehn Jahre lebten. Seit 1905 fand sich ein Eintrag im Hamburger Adressbuch für Emanuel Emil Badrian am Grindelberg 13, hier schon mit der Berufsbezeichnung Oberlehrer, und ab 1916/1917 in der Dillstraße 13. Beide Wohnungen befanden sich in der Nähe der Bornplatzsynagoge, die das Paar vermutlich zu den jüdischen Feiertagen besuchte. Bella und Emanuel Emil Badrian waren Mitglieder der Deutsch-Israelitischen Gemeinde und im Deutsch-Israelitischen Synagogen-Verband.

Die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges trafen auch die Jüdinnen und Juden am Grindel. Ein Erlass zur "Judenzählung" (amtlich als "Nachweisung der beim Heere befindlichen wehrpflichtigen Juden" bezeichnet) zum 1. November 1916 wurde angeordnet, um den Wehreinsatz der als "Drückeberger" verdächtigten Juden zu überprüfen. Diese diskriminierende Maßnahme wirkte wie ein Schock auf die in der Mehrzahl patriotischen Juden. Die Ergebnisse dieser Erhebung zeigten, dass Juden, gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil, ebenso viele Soldaten stellten wie die deutsche Gesellschaft insgesamt. Auch der Schulbetrieb des Schuljahres 1916/1917 wurde durch Kriegseinwirkungen beeinflusst. Mehr als 100 Reglementierungen, die die Oberschulbehörde anordnete, mussten umgesetzt werden. Sie betrafen "Kriegsbedürfnisse" wie Ernährung, Straßenruhe oder auch die Vaterlandsliebe.

In dieser Atmosphäre feierte Emanuel Emil Badrian 1916 sein 25-jähriges Jubiläum an der Talmud Tora Schule. Nach weiteren acht Jahren als Oberlehrer für Geschichte, Erdkunde und Französisch wurde er, 65-jährig, am 31. März 1924 pensioniert. Emanuel Emil Badrian engagierte sich im Ruhestand in der Jüdischen Bibliothek. Sein Interesse erstreckte sich auch auf die Hamburger Geschichte, sodass er 1926 Mitglied im Verein für Hamburgische Geschichte wurde.

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 und Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung veränderte sich das Leben von Emanuel Emil und Bella Badrian grundlegend. Die geachteten Eheleute, sozial engagiert und ihrer Stadt Hamburg verbunden, gerieten im Juni 1939 ins Blickfeld des Hamburger Oberfinanzpräsidenten. Der angenommene "Verdacht", das Ehepaar beabsichtige unter Verletzung und Umgehung der devisenrechtlichen Bestimmungen auszuwandern, diente als Vorwand, sein Vermögen unter eine "Sicherungsanordnung" zu stellen, die nichts anderes als die Beschlagnahmung sämtlicher Vermögenswerte bedeutete. Bestehende Konten wurden gesperrt, der Lebensunterhalt auf ein Minimum reduziert. Das Ehepaar Badrian wurde zu Bittstellern herabgewürdigt.

Zur Diskriminierung gehörte für Emanuel Emil Badrian der zwangsweise Ausschluss aus dem Verein für Hamburgische Geschichte im November 1938. Der Verein hatte es, im Gegensatz zu etlichen anderen Vereinen, unter dem langjährigen Vorsitz von Hans Nirrnheim verstanden, die Mitgliedschaft jüdischer Mitglieder fortbestehen zu lassen. Der im März 1938 neu ernannte Vorsitzende Kurt Detlev Möller trat für die Ziele des NS ein. So kam es Ende 1938 zum Ausschluss aller Mitglieder, die nach Maßgabe der Nürnberger Gesetze als "Juden" galten.

Als Folge der antijüdischen Maßnahmen mussten die Badrians die Wohnung in der Dillstraße 13 aufgeben und in den Papendamm 3 umziehen, von dort aus im September 1942 in die beengte Unterkunft im Laufgraben 37. Dieses Haus war ursprünglich ein Waisenhaus für Mädchen und wurde Ende 1941 in ein Alters- und Pflegeheim umgewandelt. Ihre letzte Unterkunft fanden die Eheleute Badrian im Mai 1943 in der Beneckestraße 6, dem ursprünglichen Gemeindehaus der Jüdischen Gemeinde, das mittlerweile ein "Judenhaus" war.

Von dort aus wurden der 84-jährige Emanuel Badrian und seine 76-jährige Ehefrau Bella am 23. Juni 1943, zusammen mit weiteren 106 Menschen, ins Getto Theresienstadt deportiert.

Emanuel Badrian überlebte das Getto nicht. Er starb am 8. Oktober 1943.

Bella Badrian wurde am 1. August 1945 in Theresienstadt befreit und kehrte vorübergehend nach Hamburg zurück, wo sie im Jüdischen Pflegeheim, Rothenbaumchaussee 217 unterkam.

Am 31. Juli 1947 verließ Bella Badrian Hamburg in Richtung London, wo ihre Schwester Adele Levy lebte. Bella Badrian starb dort am 24. November 1949.

Für Emanuel Emil Badrian liegt außer vor der ehemaligen Talmud Tora Schule ein weiterer Stolperstein vor dem Haus Dillstraße 13. Beide erinnern an einen Mann, der seiner Stadt Hamburg verbunden war und in seinen 33 Jahren als Lehrer dazu beitrug, viele Schüler auf das Leben vorzubereiten.

Stand: Juli 2017
© Christina Igla

Quellen: 1; 4; 5; StaH: 131-11 Personalamt 901; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 1118 (Bella Badrian); 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht B III 83602; 522-1 Jüdischer Religionsverband/Fürsorgewesen 992n Band 1; Grolle/Lorenz: Der Ausschluss, S. 34–42 u. 103ff.; Gottwald/Schulle: Die "Judendeportation", Wiesbaden 2005, S. 361; Randt: Die Talmud-Tora-Schule, S. 110; Stein: Jüdische Baudenkmäler, S. 108 u. 113; www.ancestry.de (letzter Aufruf: 6.7.2016); Hamburger Adressbücher 1895–1940; https://en.wikipe dia.org/wiki/Judenzählung (letzter Aufruf: 5.7.2016).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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