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Max und Melanie Johannsen
© Renate Nottrott

Melanie Johannsen (geborene Susmann) * 1883

Baron-Voght-Straße 96 (Altona, Othmarschen)

1944 Auschwitz

Melanie Johannsen, geb. Susmann, geb. am 13.3.1883, ab März 1944 Haft im KZ Fuhlsbüttel, deportiert nach Auschwitz, dort ermordet am 4.10.1944

Baron-Voght-Straße 96

Melanie Johannsen kam als älteste Tochter von Leopold Achilles und Fanny Susmann, geborene Polack, in einer Hamburger jüdischen Familie zur Welt. Mit ihren drei jüngeren Schwestern Gertrud, Clara und Gretchen wuchs sie in der Bundesstraße in Hamburg-Eimsbüttel auf. Alle vier Mädchen erhielten eine Berufsausbildung, möglicherweise lernte Melanie den Beruf der Putzmacherin, aber vielleicht war es auch Clara – das ist in der Familie nicht mehr klar überliefert. Sie heiratete den Zollinspektor Marius Johannes Heinrich, genannt Max, Johannsen und lebte mit ihm in der Baron-Voght-Straße 96 in Othmarschen. Die Ehe blieb kinderlos. Mehr ist über Melanie Johannsens Leben nicht mehr bekannt. Schwere traumatische Verletzungen in der Familie führten dazu, dass über die Zeit der Verfolgung geschwiegen wurde.

Melanie Johannsen wurde nicht in der Kultussteuerkartei der jüdischen Gemeinde geführt. Sie lebte mit ihrem nichtjüdischen Mann in einer "privilegierten" Mischehe. So war sie zunächst von den Transporten in den Osten ausgenommen. Sie musste jedoch erleben, dass ihre unverheiratete Schwester Gretchen Susmann am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert wurde. Auf die Dauer bot die Ehe mit einem "Arier" allerdings keinen ausreichenden Schutz. 1944 geriet auch Melanie Johannsen, 61 Jahre alt, in die Gewalt der Gestapo.

Aufzeichnungen ihrer Schwester Gertrud Sander, verw. Courmont, aus den 1950er Jahren bezeugen ihre Verhaftung und Deportation:
"Am 22. März mußte Melanie zu Herrn Wohlers [Walter Wohlers, Sachbearbeiter beim Judenreferat] von der Gestapo in der Rothenbaumchaussee. Dort sagte W. zu ihr, daß sie denunziert sei. Sie sei im Kino gesehen worden, im Restaurant gewesen und drittens habe sie gegen den Führer etwas gesagt. [Seit Sommer 1935 war der jüdischen Bevölkerung der Besuch von Kinos, Theatern etc. untersagt.] W. war dafür bekannt, daß er die Vorgeladenen durch seine provozierenden Reden so reizte, daß sie nicht die nötige Ruhe bewahrten. Es kam auch wie es sollte, sie mußte gleich dableiben. Max bekam von der jüdischen Gemeinde den telefonischen Bescheid, daß seine Frau von der Gestapo verhaftet worden sei. Er solle ihren Handkoffer bei der Gemeinde abholen. Eine schreckliche Zeit begann. Max kam häufig nach Neumühlen. [Dort wohnten Gertrud Sander und Gretchen Susmann.] Melanie durfte Pakete empfangen und ihre Wäsche zum Waschen nach Hause schicken. Bei dieser Gelegenheit sandte sie kleine Zettel mit Mitteilungen mit. Sie waren schlecht und manchmal unzusammenhängend geschrieben. Ich schrieb sie meistens für Max ab. Max war ganz hilflos. Er wurde auch zur Gestapo beordert und erfuhr dann von Wohlers das oben gesagte. Wir setzten ein Gnadengesuch auf. Er wurde wieder vor die Gestapo geladen und erfuhr dort, daß das Gesuch abschlägig beschieden sei. Er versuchte zu erreichen mit M. in Fuhlsbüttel, wohin sie gebracht worden war, zu sprechen. Es war unmöglich. Einer ihrer letzten Briefe lautete:
‚Mein gel. Max. Man will uns nun wohl ganz auseinanderbringen, denn nicht einmal Deine Pfingstpost habe ich bekommen. Kann denn Herr Sievers, Blankenese nicht helfen? Nur der baldige Tod kann mich erlösen. Behalte mich lieb, grüße die anderen alle. Werde später kaum Nachricht geben können, komme ins K.-Z., wo ich Briefe nicht schreiben darf. Wenn der Koffer zurückkommt, bin ich weg. Weil Du Beamter bist, will man uns trennen. Und Deine Behörde und Nelli? [Max Johannsens Schwester]
Deine Melanie.’"

Bis Juni korrespondierte Max Johannsen noch mit seiner Frau. Am 10. Oktober 1944 bekam er die Nachricht von ihrem Tod und wurde aufgefordert, die Sterbeurkunde seiner Frau vom Standesamt abzuholen. Sie war angeblich am 4. Oktober 1944 im Konzentrationslager Auschwitz im Krankenhaus an Herzschwäche und Darmkatarrh gestorben. Doch die Mehrheit der nach Auschwitz Deportierten wurde unmittelbar nach ihrer Ankunft in den Gaskammern Birkenaus ermordet.

Nelly Johannsen, die im Haus ihres Bruders Max Johannsen wohnte, bezeugte nach dem Krieg im Verfahren für Wiedergutmachung, dass ihr Bruder die Ermordung seiner Frau nicht verwinden konnte. "Die Frau meines Bruders, also meine Schwägerin, war Jüdin. Als solche wurde sie im März 1944 von der Gestapo abgeholt und ihr Leben in den Gaskammern von Auschwitz ausgelöscht. Diese Tatsache erschütterte meinen so gesunden Bruder so sehr, dass er 1½ Jahre später an gebrochemem Herzen der geliebten Frau nachstarb. Auch ich litt unsagbar unter dem entsetzlichen Geschick meiner Schwägerin, mit der ich in vollendeter Harmonie viele gemeinsame Jahre in engster Gemeinschaft verlebte."

Melanie Johannsens Schwester Gretchen Susmann wurde im März 1942 in Dunamünde bei Riga erschossen. Die Schwester Gertrud Sander sollte am 14. Februar 1945 noch nach Theresienstadt deportiert werden, doch dies konnte ihr nichtjüdischer Ehemann verhindern.

Stand September 2015

© Birgit Gewehr

Quellen: 8; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 54590 (Johannsen, Nelly); Informationen von Melanie Johannsens Großnichte Renate Nottrott, geborene Courmont, und ihrem Großneffen Peter Courmont; Aufzeichnungen von Gertrud Sander, geborene Susmann, im Besitz von Peter Courmont und Renate Nottrott.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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