Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Grete Hamburger * 1936

Snitgerstieg 9 (Hamburg-Mitte, Horn)


HIER WOHNTE
GRETE HAMBURGER
JG. 1936
AUSGEWIESEN 1936
SLOWAKEI
ERSCHOSSEN 1944 BEI
BANSKA BYSTRICA

Weitere Stolpersteine in Snitgerstieg 9:
Gusta Hamburger, Leo Hamburger, Kurt Hamburger, Berthold Hamburger, Susanne Hamburger

Leo Hamburger, geb. 24.2.1898 in Wien, ausgewiesen nach Pressburg/Bratislava am 15.7.1936, ermordet im Dez. 1944 bei Banska Bystrica/CSR
Gusta Hamburger, geb. Vogel, geb. 13.2.1898 in Lemberg, ausgewiesen nach Pressburg/Bratislava am 15.7.1936, ermordet im Dez. 1944 bei Banska Bystrica/CSR
Kurt Hamburger, geb. 23.12.1924 in Hamburg, ausgewiesen nach Pressburg/Bratislava am 15.7.1936, als Partisan getötet im Dez. 1944 bei Banska Bystrica/CSR
Berthold Hamburger, geb. 26.2.1933 in Hamburg, ausgewiesen nach Pressburg/Bratislava am 15.7.1936, ermordet im Dez. 1944 bei Banska Bystrica/CSR
Greta Hamburger, geb. 16.1.1936 in Hamburg, ausgewiesen nach Pressburg/Bratislava am 15.7.1936, ermordet im Dez. 1944 bei Banska Bystrica/CSR
Susanne Hamburger, geb. 27.1.1939 in Pressburg, ermordet im Dez. 1944 bei Banska Bystrica/CSR

Snitgerstieg 9

"Das ist es. Mach das Beste davon." Mit diesem Leitwort schickte Gusta Hamburger ihre zehn Kinder ins Leben. Sie wurde am 13. Februar 1898 als Gusta Betty Vogel in Lemberg (Galizien, heutige Ukraine) in eine Familie frommer Kaufleute hineingeboren, lebte aber seit ihrem dritten Lebensjahr in Wien. Dort lernte sie den ebenfalls im Februar 1898 geborenen Leo Hamburger kennen. Leo Hamburgers Familie stammte ursprünglich aus Pressburg/Bratislava in der Slowakei, lebte aber schon seit einiger Zeit in Wien, als Leo dort am 24. Februar 1898 zur Welt kam. Sein Vater, Ignaz Hamburger, ebenfalls Kaufmann, hatte die Wienerin Leonie Jelenko, geheiratet, die aus einer musikalischen Familie stammte. Sie brachte außer Leo zwei Töchter zur Welt und führte ein bürgerliches offenes Haus. Schon als Dreijähriger begann Leo Hamburger Geige zu spielen. Er besuchte die Volks- und Realschule und schlug wie sein Vater die kaufmännische Laufbahn ein, schloss seine Lehre jedoch nicht ab. Am Ersten Weltkrieg nahm er wegen eines Herzfehlers nicht teil. Er begann seine Erwerbstätigkeit 1915 als Kontorist, arbeitete danach längere Zeit als Verkäufer und nahm schließlich eine Tätigkeit als Reisender auf. Als das Kaiserreich Österreich-Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg zerfiel, mussten sich die Mitglieder der Familie Hamburger zwischen der österreichischen und der tschechoslowakischen Staatsangehörigkeit entscheiden. Weil Leo Hamburger gerade krank war, versäumte er, sich wie alle anderen Verwandten für die österreichische Staatsangehörigkeit eintragen zu lassen und erhielt als Einziger die tschechoslowakische.

Gegen den Willen ihrer Familien heirateten Gusta Vogel und Leo Hamburger am 31. März 1920; am 8. Mai 1920 kam ihr erstes Kind, Hedwig, zur Welt. Diese erklärte später, die zehnköpfige Geschwisterschar verdanke sich der übergroßen Liebe ihrer Eltern.

Leo Hamburger plante, mit seiner Familie, die inzwischen um den Sohn Friedrich, geb. 7. Dezember 1921, gewachsen war, über Deutschland nach Südamerika auszuwandern. Zunächst ging er allein nach Dortmund, wo er eineinhalb Jahre im Bergwerk arbeitete, bis er infolge der Ruhrbesetzung durch die Franzosen 1923 ausgewiesen wurde. Er zog nach Hamburg, wo sein Onkel Siegfried Jelenko, Oberspielleiter des Stadttheaters, Bruder seiner Mutter Leonie, lebte, und ließ seine Frau Gusta mit den beiden Kindern aus Wien nachkommen. Siegfried Jelenko half der Familie beim Einleben. Ihre erste Wohnung wählten die Eheleute Hamburger in der Thüringerstraße 56 in Hammerbrook und zogen noch zweimal im Stadtteil um, bevor sie sich in Horn sesshaft machten. Im Oktober 1923 fand Leo Hamburger bei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg eine Anstellung im Büro, die ein halbes Jahr später wieder endete. In dieser von der Inflation geprägten Zeit veranlagte er sich selbst bei seinem Arbeitsantritt und zahlte 50 Millionen RM an die Jüdische Gemeinde. Am 11. Oktober 1923 kam Emil als erstes in Hamburg geborenes Kind zur Welt.

Im Herbst 1924 nahm Leo Hamburger erneut eine Tätigkeit als Reisender auf, am 23. De­zember 1924 wuchs seine Familie um den dritten Sohn, Kurt, von dem Hedwig später sagte, er sei ein Sieben-Monatskind gewesen und der größte und kräftigste der Brüder geworden. Leo Hamburger fand nach kurzer Erwerbslosigkeit in den beiden folgenden Jahren Anstellungen als Hilfsarbeiter bei Behörden und staatlichen Betrieben wie bei der Friedhofsverwaltung, der Baudeputation, dem statistischen Landesamt und dem Finanzamt, konnte als Ausländer aber keine Festanstellung bekommen. Dank eines Gewerbescheins, den er im Oktober 1926 erwarb, verschaffte er sich zwischen den jeweiligen Aushilfstätigkeiten als Reisender bzw. Hausierer kleine Einkünfte. Er handelte mit Obst, Eiern, Fettwaren, geschlachtetem Geflügel und geräucherten Fischen sowie mit Haus­haltsartikeln.

Inzwischen erreichte Tochter Hedwig das Schulalter und trat in die jüdische Mädchenschule in der Carolinenstraße ein. Kurz zuvor, am 26. Februar 1927, waren die Zwillingsschwestern Leonie und Bertha-Alexandra zur Welt gekommen. Leonie erhielt ihren Namen nach ihrer verstorbenen Großmutter väterlicherseits. Leo Hamburgers Vater, Ignaz Hamburger, wurde Namensgeber für den nächsten Sohn, der am 1. Mai 1931 geboren wurde und nach nur drei Monaten starb. Als Friedrich, Emil und Kurt schulpflichtig wurden, schickten die Eltern sie auf die Talmud Tora Schule.

Die Tätigkeit bei den Hamburger Behörden bedeutete zwar ein geregeltes Einkommen, aber es reichte nicht, um die achtköpfige Familie gut zu versorgen. Deshalb verschaffte sich Leo Hamburger mit Reklamezeichnungen für Geschäfte und als Leiter einer kleinen Tanzkapelle zusätzliche Einkünfte. Die Kapelle spielte bei Gesellschaften und Hochzeiten und trat durch Vermittlung seines Onkels Siegfried Jelenko ab und an sogar öffentlich auf. Nach zweieinhalbjähriger Tätigkeit bei der Finanzbehörde verlor Leo Ham­burger am 31. Januar 1929 seinen Arbeitsplatz, als die Behörde Personal abbaute. Er fand danach keine neue Anstellung und machte vermutlich seine früheren Nebentätigkeiten zum Haupterwerb. Ab 1930 erhielt er Fürsorgeunterstützung, vor allem zur Zahlung der Miete. Bekleidung er­hielt die Familie zum Teil von der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg, zum Teil vom Fürsorgeamt.

Als Kinderreiche bezog Familie Hamburger zunächst eine 4-Zimmerwohnung der "Genossenschaft der Kinderreichen", Snitgerstieg 9, gegenüber vom "Rauhen Haus" gelegen, da­­­nach ein Einfamilienhaus in der Steubensiedlung, Parzelle 10, Horner Rampe 27. Ob­wohl Ausländer und auf die Wohlfahrt angewiesen, wurde Leo Hamburger Anfang 1932 als Siedler für die Stadtrandsiedlung in der Horner Marsch zugelassen, an deren Aufbau er im Rahmen der Wohlfahrtsunterstützung mitarbeitete. Sein 1000 qm großes Grundstück bot neben dem Wohnhaus Platz für einen Nutzgarten und Geflügel. Gusta und Leo Hamburger führten bei aller Armut ein offenes Haus. Die Kinder brachten ihre Freunde mit, Leo musizierte mit ihnen.

Kurz nachdem am 26. Februar 1933 ein weiterer Sohn, Berthold, geboren wurde, kamen die Zwillinge Leonie und Bertha zur Schule, ebenfalls in die jüdische Mädchenschule in der Carolinenstraße. Hedwig besuchte die dortige Oberrealschule bis zur Obertertia, woran sie 1935 eine Lehre in der Maklerfirma "Harry Laski & Sohn" anschloss und parallel dazu Abendkurse besuchte, Friedrich Hamburger verließ 1936 mit dem Volksschulabschluss die Talmud Tora Schule und begann eine Schlosserlehre.

Leo Hamburger bemühte sich immer wieder um eine Erwerbstätigkeit. 1934 arbeitete er als Untervertreter für die Firma Hempelmann G.m.b.H. in Hildesheim im Heizplattenvertrieb. Wegen ausstehender Provisionszahlungen fingierte er Aufträge, deren Provisionszahlungen nach seinen Berechnungen dem ihm zustehenden Betrag entsprachen und verrechnete sich dabei zu seinen Ungunsten. Eine Betrugsabsicht lag nicht vor. Der Sachverhalt als solcher war nicht strittig, aber wegen der Urkundenfälschung wurde er im August 1935 zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Sein Gnadengesuch, das er mit seiner wirtschaftlichen Notlage, der häuslichen Situation und seinem Arbeitspflichteinsatz auf der Horner Rennbahn begründete, wurde abgelehnt. Am 12. Oktober 1935 trat er seine Haftstrafe an.

Gusta Hamburger litt unter einer Ischialgie, durch die Schwangerschaft – mit Greta – ausgelöste Schmerzen in Hüfte und Oberschenkel, die sie ans Bett fesselten. Die 15-jährige Hedwig nahm neben ihrem Schulunterricht die Mutterstelle ein. In solchen Notsituationen kam Leo Hamburger seine Arbeitslosigkeit entgegen, um die Familie und den Haushalt zu versorgen.

Greta war ein halbes Jahr alt, als Leo Hamburger zum 15. Juli 1936 einen Ausweisungsbefehl für sich und seine Familie erhielt. Ob die Ausweisung mit seiner Straftat zusammenhing, ließ sich nicht klären. Möglicherweise entledigte sich auf diesem Wege die Gesundheits- und Fürsorgebehörde einer zehnköpfigen Familie, die immer wieder "zu Lasten der Öffentlichkeit" Unterstützung benötigte.

Mit seiner Familie reiste Leo Hamburger unter Zurücklassung nahezu des gesamten Hausrats zu seinen noch in Wien lebenden Schwestern, die, selbst in bescheidenen Verhältnissen lebend, ihn nur ungern aufnahmen. Auch bei ihren Verwandten in Bratislava war die Familie nicht willkommen, ließ sich aber dort nieder und wohnte in der Michaeltorgasse 8. Leo Hamburger fand kleine Aufträge als Reklamezeichner und Fotograf, insbesondere von Pass­bildern.

Friedrich setzte seine Schlosserlehre fort. Da Hedwig nur unzureichende Sprachkenntnisse besaß, konnte sie ihre Berufsausbildung nicht beenden und arbeitete zunächst eineinhalb Jahre als Kindermädchen in Ungarn, danach in Bratislava. Emil und die Zwillinge besuchten die deutsche Volksschule. Die wirtschaftliche Situation blieb prekär, auch als Friedrich nach Abschluss der Lehre eine Anstellung fand und Emil eine Goldschmiedelehre aufnahm. Die Familie war zionistisch orientiert; die Jungen gehörten dem Jugendbund "Makabi Hazair" an.

Mit Gründung der zweiten Tschechoslowakischen Republik am 6. Oktober 1938 erhielt die Slowakei einen autonomen Status. Gleichzeitig nahmen Übergriffe auf die jüdische Bevölke­rung zu. Am 14. März 1939 errang die Slowakei die formale staatliche Unabhängigkeit, wurde de facto je­doch ein Satellitenstaat des Deutschen Reiches, das die Innen- und Außenpolitik zu kontrollieren begann. Der Antisemitismus wuchs. Die Zwillinge mussten die deutsche Volksschule verlassen. Als Emils jüdischer Lehrherr seinen Goldschmiedebetrieb aufgeben musste, schickten Gusta und Leo Hamburger ihren erst 15-jährigen Sohn nach Palästina. "Makabi Hazair" organisierte die Auswanderung über Italien. Für die Auswanderung der gesamten Familie fehlte das Geld.

Ab Mitte 1940 nahm die deutsche Regierung immer direkteren Einfluss auf die Slowakei, und diese führte 1941 antijüdische Maßnahmen entsprechend denen im Deutschen Reich ein. Vergleichbar der Reichsvereinigung der Juden wurde am 30. September 1940 die "Judenzentrale", Ustredna Zidov, kurz UZ, eingerichtet, eine dem Wirtschaftsministerium unterstellte Vertretung der Juden, um sie für körperliche Arbeit umzuschulen, ihre Auswanderung zu fördern und jüdische Schulen sowie Wohlfahrtseinrichtungen zu betreuen. Die UZ hatte ihr Hauptbüro in Bratislava in der Edelgasse 6; dort fand Leo Hamburger eine Anstellung. Der UZ oblag bis Mai 1941 auch die Registrierung der jüdischen Bevölkerung. Als weitere Aufgabe wurde der UZ ab November 1941 die Errichtung von Arbeits- und Sammellagern zugewiesen. Leo Hamburger wirkte am Aufbau des Lagers Sered’ auf dem Gelände einer ehemaligen Garnison, östlich von Bratislava an der Waag gelegen, von Anfang an mit. Zunächst stand es den inzwischen großenteils völlig verarmten Juden frei, ins Lager zu gehen, um dort zu arbeiten. Gusta Hamburger bezog Anfang Januar 1942 mit sieben ihrer Kinder zwei Zimmer in einem ehemaligen Pferdestall. Sie hatte in Bratislava noch zwei weitere Kinder geboren, Julius am 25. Januar 1937 und Susanne am 27. Januar 1939. Friedrich befand sich bereits im Zwangsarbeitsdienst bei der slowakischen Armee, wo er in seinem Beruf als Schlos­ser für Arbeiten, wie sie Pionier­einheiten leisteten, eingesetzt wurde.

Das Lager verwaltete sich selbst, unterstand jedoch kurze Zeit später der Hlinka-Garde, einer SS-ähnlichen Organisation. Bevor im Frühjahr 1942 die Deportationen slowakischer Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager Auschwitz und Majdanek im besetzten Polen begannen, wurden mehrere Tausend von ihnen in Sered’ konzentriert. Mit ihrem Abtransport gewann die zweite Bestimmung des Lagers Oberhand, die eines Zwangsarbeitslagers. Die leer werdenden Gebäude konnten gewerblich genutzt werden, vor allem für die Herstellung hochwertiger Möbel, aber auch für die Produktion von Textilien. In einer solchen Schneiderei arbeitete Hedwig Hamburger. Als im Oktober 1942 die Deportationen eingestellt wurden, entwickelte sich ein fast dörfliches Lagerleben. Hedwig Hamburger arbeitete im Kindergarten, die jungen Geschwister besuchten die Schule und nahmen an zionistischen Aktivitäten teil. Das Lager bot seinen ca. 1300 Insassinnen und Insassen kulturelle Veranstaltungen und sportliche Möglichkeiten. Im November 1942 heiratete Hedwig im Lager Geza Langfel­der, einen bekannten Bratislaver Fußballer. Die Idylle dörflichen Lebens trog: Sered’ war ein Zwangsarbeitslager, in dem die Bewohnerinnen und Bewohner heimlich Waffen lagerten, um mit ihnen weitere Deportationen zu verhindern.

Friedrich Hamburger gehörte von 1942 bis Mai 1943 einer Arbeitskompanie an, die in Svaty-Jur eingesetzt wurde, das sich kaum von einem Zwangsarbeitslager unterschied. Nach seiner Entlassung erhielt er eine Legitimation als "wirtschaftlich wichtiger Jude" (w. w. J.), der als Schlosser am Bau eines Hochschulinternats arbeitete, was ihn vor weiterer Lagerhaft und vor allem vor der Deportation schützte. Darüber hinaus bot ihm dieser Status die Möglichkeit, seine Eltern und Geschwister in Sered’ zu besuchen. Ihnen drohte ebenfalls keine Deportation, solange sie sich im Arbeitseinsatz befanden.

Am 28. August 1944 brach der Slowakische Nationalaufstand gegen die Hlinka-Garde und die Abhängigkeit von Deutschland aus. Häftlinge aus dem Lager Sered’ beteiligten sich daran und das Lager löste sich auf. Vorsorglich hatte Leo Hamburger den älteren Kindern die Verantwortung für jeweils ein jüngeres zugeteilt. Er floh mit seiner Frau Gusta und den Kindern Kurt, Lia-Leonie, Bertha, Berthold, Greta und Susanne zu den Partisanen im Zentrum des Aufstandsgebietes bei Banská Bystrica, wo sie sich versteckt hielten. Hedwig Hamburger, verheiratete Langfelder, und ihr Mann nahmen den ihnen anvertrauten siebenjährigen Julius mit nach Pressburg/Bratislava.

Der Aufstand wurde von deutschen Truppen bekämpft und weitgehend niedergeschlagen. Die beiden Schwestern Lia-Leonie und Bertha konnten fliehen. Sie sahen "arisch" aus, sprachen fließend deutsch, sodass sie als "arische" Krankenschwestern im deutschen Feldlazarett in Banská Bystrica aufgenommen wurden. Dort trafen sie noch einmal ihre Eltern. Leo und Gusta Hamburger mit den kleineren Kindern wurden schon bald nach dem Ausbruch aufgegriffen, Kurt schloss sich den Partisanen an. Die Eltern wurden erneut zur Zwangsarbeit herangezogen, in eben jenem Feldlazarett.

Die Deutschen verfolgten in den eroberten Gebieten insbesondere die jüdische Bevölkerung. Allein zwischen Ende November 1944 und Januar 1945 erschossen sie in der Umgebung von Banská Bystrica 1500 von ihnen und beerdigten sie in Massengräbern. Unter ihnen waren aller Wahrscheinlichkeit nach auch Leo, Gusta, Berthold, Greta und Susanne Hamburger, wahrscheinlich auch Kurt. Vermutlich wurden sie am 30. November 1944 ermordet.

Mit dem Nationalaufstand wurde auch Friedrich Hamburgers Status als "wirtschaftlich wichtiger Jude" hinfällig. Es gelang ihm, sich mit falschen Papieren als "Arier" zu tarnen und in Bratislava unterzutauchen. Als seine Schwester Hedwig mit ihrem Mann und dem kleinen Julius kamen, verschaffte er ihnen in einer winzigen Kammer bei einem Slowaken einen Schlafplatz. Tagsüber hielten sie sich vornehmlich in den Stadtrandgebieten auf, um den Razzien und möglichen Denunziationen zu entgehen, da viele Pressburger insbesondere Geza Landberger aus der Zeit vor 1941 kannten und Denunziationen an der Tagesordnung waren. Währenddessen wurde das Lager Sered’, nun unter der Leitung der SS unter Alois Brunner, wieder eingerichtet. Nacheinander wurden erst Julius – im November 1944 –, dann im Januar 1945 Hedwig und ihr Mann als Juden erkannt und nach Sered‘ zurückgebracht. Als Hedwig und Geza in Sered’ eintrafen, fanden sie Julius nicht mehr vor. Er war wahrschein­lich im Dezember 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert worden, wo er, krank, die Befreiung erlebte. Friedrich Hamburger wurde am 20. Januar 1945 nach Sered’ verbracht, für ihn das erste Mal. Dort befreite ihn die Rote Armee am 1. April 1945.

Hedwig überlebte die Deportation nach Theresienstadt und kehrte nach Bratislava zurück.
Am 1. April 1945 wurde das Lager Sered’ von der Roten Armee befreit.

Der Antisemitismus in der Slowakei nahm 1948 solche Ausmaße an, dass die meisten Jüdinnen und Juden emigrierten. Auch Hedwig, Friedrich und die Zwillinge Leonie und Bertha Hamburger wanderten nach Israel aus, wo ihr Bruder Emil bereits seit zehn Jahren lebte und wohin ihnen 1950 Julius folgte. Er war als Kind von Auschwitz über Kaschau und Prag in die Obhut eines jüdischen Komitees in London gelangt, wo ihm die Häftlingsnummer B 14101 entfernt wurde, was für ihn zum Sinn­bild eines neuen Lebens wurde.

Der einzige Beleg für den Tod von Leo und Gusta Hamburger ist die eidesstattliche Versicherung ihrer Tochter Hedwig gegenüber der "United Restitution Organisation" (URO), am 10. Februar 1960 in Haifa ausgestellt, "dass ich nach dem Kriege bei der Jüdischen Gemeinde in Bratislava die Listen eingesehen habe, in denen sich die Namen derjenigen Personen befanden, die von den Deutschen im Zusammenhang mit ihrem Abzug aus der Gegend von Banska-Bystrica/Slowakei Ende Dezember 1944 erschossen und in 3 Massengräbern beerdigt worden waren. In diesen Listen befanden sich auch die Namen meiner beiden Eltern".

© Hildegard Thevs

Quellen: 1; AB 1932 u.a.; StaH, 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen 4764/35; 351-11 AfW, 111023, 201221, 130298, 240298, 250137, 080520, 260227, 260227; 376-3 Zentralgewerbekartei, Spz VIII Cc3; 552-1 Jüd. Gemeinden, 391; FZH, Werkstatt der Erinnerung, 597; Lipscher, Juden im Slowakischen Staat; Enzyklopädie des Holocaust; Neustadt, Jüdische Zwangsarbeit, http://www.collegium- carolinum.de/vera/boht2006/2006-14-Neustadt.pdf, Zugriff 13.2.2010.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

druckansicht  / Seitenanfang