Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Otto Hacker * 1895

Schwenckestraße 5 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
OTTO HACKER
JG. 1895
VERHAFTET 1941/42
KZ FUHLSBÜTTEL
NEUENGAMME
TOT 3.5.1945
CAP ARCONA

Otto Karl Johannes Wilhelm Hacker, geb. am 23.6.1895 in Malchin, gestorben vermutlich am 3.5.1945 beim Untergang der Cap Arcona

Schwenckestraße 5

Durch das Schlüsselloch spionierte die 62-jährige Vermieterin Marie Danker, geb. Bergin, aus der Sartoriusstraße 14 am 16. Juni 1941 ihren Untermieter Otto Hacker bei sexuellen Handlungen mit einem 16- bis 18-jährigen Mann aus und brachte dies einen Tag später zur Anzeige. Dadurch nahm das Schicksal des bisexuellen Familienvaters aus Mecklenburg einen unheilvollen Verlauf.

Otto Hacker wurde 1895 in Malchin als einziges Kind des gleichnamigen Schlachtermeisters und Maria Hacker, geb. Witt, geboren. Er erlernte im Betrieb des Vaters von 1910 bis 1913 das Schlachterhandwerk und arbeitete anschließend dort auch als Geselle und erwarb seinen Meistertitel. Seit Herbst 1915 im Ersten Weltkrieg eingesetzt, wurde er nach einer Verwundung als Frontsoldat 1918 aus dem Heer entlassen. Aufgrund seiner Kriegsbeschädigung von 40 Prozent bezog er eine Rente.

Seit 1924 war er mit Margarethe genannt Mary, geb. Stülpnagel, verheiratet und hatte mit ihr in den Jahren 1925 bis 1936 vier Kinder. 1927 übernahm er den väterlichen Betrieb in Malchin, den er 1936 angeblich aus Trotz gegen das von den Behörden beschlossene Schlachtkontingent und mangels Rentabilität für seine Familie aufgab. Er arbeitete danach wegen besserer Verdienstmöglichkeiten als Arbeiter beim Heereszeugamt in der Nähe von Güstrow.

Wegen seiner bisexuellen Neigungen ist Otto Hacker bereits 1928 vom Landgericht Güstrow wegen "widernatürliche Unzucht" zu einer Geldstrafe von 1.000 RM verurteilt worden. Eine "versuchte widernatürliche Unzucht" führte 1938 erneut zu einer Verurteilung vor dem Landgericht Güstrow, wofür er zu einem Jahr Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Möglicherweise war dies auch der wahre Grund, warum er sein Geschäft in Malchin aufgab, da er später angab, nach seiner Haftentlassung in Waren/Müritz als Schlachter arbeiten zu wollen, weil sein Ruf in seiner Heimatstadt ruiniert sei. Nach seiner Haftentlassung im Oktober 1939 war er bis Februar 1941 in Lübeck als Schlachter dienstverpflichtet, bevor er in Hamburg als Telefonist arbeitete.

Die nach der Denunziation seiner Vermieterin durch die Kriminalpolizei begonnenen Ermittlungen, Otto Hacker war inzwischen in die Schwenckestraße 5 umgezogen, führten nach einer Vorladung ins Stadthaus zu seiner sofortigen Verhaftung. Vom 25. bis 30. Juni 1941 wurde er während der Verhöre zur Abschreckung zunächst im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert. Vor der Kripo gab Otto Hacker zwar seine bisexuelle Veranlagung, jedoch zunächst keine weiteren Kontakte mit Männern zu. Da der ermittelnde Kripobeamte Voigt ihn "in seinem ganzen Gehabe" für einen "ausgesprochenen Typ eines Homosexuellen" hielt, wurde er wiederholten Verhören ausgesetzt und auch mit den Aussagen seiner Vermieterin, aus der Nachbarschaft und seiner Arbeitsstelle konfrontiert. Dabei stellte sich heraus, dass er sexuelle Kontakte mit männlichen Arbeitskollegen und zufälligen Gästen aus der Schankwirtschaft Mügge, im Hause seiner Vermieterin in der Sartoriusstraße, suchte, wo er als "Mitschnacker" und "Schwuler" galt. Die Ermittlungen brachten auch einen einvernehmlichen sexuellen Kontakt mit dem 14-jährigen Sohn seiner letzten Vermieterin ans Tageslicht, den Otto Hacker für deutlich älter eingeschätzt hatte und der nach eigener Aussage "Gefallen" an dem Kontakt fand.

Trotz der von der Ermittlungshilfe der Strafrechtspflege eingeholten guten Leumundszeugnisse zu Otto Hacker aus Malchin und dem Umstand, dass seine Ehefrau sich mit seiner Veranlagung abgefunden hatte und ein ausgeglichenes Eheverhältnis beschrieb, beschied man ihm von dort einen "ungünstigen" Eindruck, weil er angeblich während seiner Vernehmung "ein recht unmännliches Verhalten" gezeigt habe. Noch vernichtender war das Gerichtsärztliche Gutachten des Obermedizinalrats Hans Koopmann, der mit stereotypen Formulierungen Otto Hacker als "weichen, willensschwachen, haltlosen, bisexuellen Psychopathen" herabwürdigte und ihm eine "absolut ungünstige kriminalbiologische Prognose" bescheinigte und Sicherungsmaßnahmen befürwortete. Das mit solchen "Gutachten" untermauerte Verfahren vor dem Landgericht Hamburg, geleitet von dem Staatsanwalt Nicolaus Siemssen und dem Landgerichtsdirektor Adolph Gernet, führte dann auch am 28. Januar 1942 zu der zu erwartenden Verurteilung nach §§ 175, 175 a Ziffer 3, 43, 74 und 20 a als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher und zu einer Zuchthausstrafe von 2½ Jahren mit an­schließender Sicherungsverwahrung.

In Unterbrechung der am 23. Februar 1942 angetretenen und bis Februar 1944 berechneten Haft im Zuchthaus Bremen-Oslebshausen wurde Otto Hacker im Dezember 1942 "auf Anordnung des Reichsministers der Justiz" in das KZ Neuengamme überstellt, wo er nachweislich noch im Oktober 1944 eine letzte Nachricht an seine Frau sandte. Dann verliert sich seine Spur und es ist nicht unwahrscheinlich, dass er zu den tausenden Toten gehörte, die am 3. Mai 1945 auf der Cap Arcona nach der Evakuierung des Lagers ihren Tod in der Ostsee fanden. Jedenfalls wurde 1946 vergeblich nach Otto Hacker geforscht.

© Ulf Bollmann

Quellen: StaH 331-1 II Polizeibehörde II, Ablieferung 15 Band 1; 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferung 1998/1; 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 1659/42.

druckansicht  / Seitenanfang