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Heinrich Gunkel * 1922

Rehmstraße 9 (Hamburg-Nord, Winterhude)


HIER WOHNTE
HEINRICH GUNKEL
JG. 1922
EINGEWIESEN 1939
ALSTERDORFER ANSTALTEN
HEILANSTALT LANGENHORN
‚VERLEGT‘ 27.11.1941
HEILANSTALT TIEGENHOF
ERMORDET 3.2.1943

Heinrich Gunkel, geb. 28.8.1922 in Hamburg, zuletzt aufgenommen in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) am 10.1.1939, verlegt in die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn am 28.7.1941, verlegt in die Gau-Heilanstalt Tiegenhof (Dziekanka) bei Gnesen (heute Gniezno/Polen) am 27.11.1941, dort gestorben am 3.2.1943

Rehmstraße 9, Winterhude

Heinrich Gunkel wurde am 28. September 1922 in Hamburg geboren. Er war eines von fünf Kindern des Arbeiters Albert Eduard Hermann Wilhelm Gunkel, geboren am 26. August 1882 in Hamburg, und seiner Frau Maria Theresia, geborene Krause, geboren am 1. November 1881, wahrscheinlich in der Gegend von Köln. Die Eheleute hatten am 10. August 1909 in Hamburg geheiratet und vorher schon zusammen in der Bussestraße in Winterhude gewohnt.

Über Heinrich Gunkel und seine Familie ist nur wenig überliefert. Das Wenige, das wir wissen, ist einer Karteikarte entnommen, die für das Hamburger Gesundheitspassarchiv, das ab 1934 aufgebaut wurde, zum Zwecke der "erbbiologischen Bestandaufnahme" der Bevölkerung angelegt wurde. Daraus ergibt sich, dass Heinrich Gunkel vier Schwestern hatte, von denen eine im Alter von acht Monaten gestorben war.

Heinrich Gunkel wurde am 6. März 1931 zum ersten Mal in den damaligen Alsterdorfer Anstalten aufgenommen und schon am 22. November 1931 wieder entlassen. Er lebte wahrscheinlich in den folgenden Jahren bei seinen Eltern, die nun in der Rehmstraße 9, ebenfalls in Winterhude, wohnten.

Die Ärzte in den Alsterdorf Anstalten diagnostizierten bei Heinrich Gunkel "Imbezillität". (Dieser inzwischen obsolete Begriff bezeichnete eine mittelgradige geistige Behinderung.) Heinrich Gunkel soll nur eine geringe Beziehung zu seiner Umwelt gehabt haben. Er sei nicht fähig gewesen, "irgendwelche produktive Arbeit" zu leisten. "Sauberkeit und Ordnung" wurden als einigermaßen zufriedenstellend bewertet.

Nach den Eintragungen im Aufnahmebuch der Alsterdorfer Anstalten wurde Heinrich Gunkel am 28. Juli 1941 in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn verlegt und von dort am 27. November 1941 in einem Transport von 32 Frauen und 37 Männern in die "Gau-Heilanstalt Tiegenhof" (Wojewódzki Szpitaldla Nerwowo i Psychicznie Chorych "Dziekanka") bei Gnesen (heute Gniezno, Polen) abtransportiert.

Die Anstalt Tiegenhof war zwischen 1891 und 1894 knapp zweieinhalb Kilometer von Gnesen (Gniezno) rund 50 km östlich von Posen (Poznan) errichtet worden. Bis 1919 waren Betten für etwa 600 Patienten verfügbar. Nach dem Übergang des Gebietes an den wiedererstandenen Staat Polen wurde die Anstalt in Dziekanka umbenannt. Sie gehörte zu den psychiatrischen Einrichtungen mit den niedrigsten Sterblichkeitsziffern weltweit. Im Oktober 1939 wurde die Anstalt von der Deutschen Wehrmacht besetzt, in "Gau-Heilanstalt Tiegenhof" umbenannt und in das Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten einbezogen.

Fast alle Frauen und Männer des Hamburger Transports kamen ums Leben: Sie verhungerten durch gezielten Nahrungsentzug und/oder starben, nachdem ihnen überdosierte Medikamente wie Luminal, Skopolamin und Chloralhydrat verabreicht worden waren. Heinrich Gunkel wurde am 3. Februar 1942 ermordet.

Stand: Mai 2024
© Ingo Wille

Quellen: Adressbuch Hamburg, diverse Jahrgänge; StaH 332-5 Standesämter
9533 Heiratsregister Nr. 394/1909 (Albert Eduard Hermann Wilhelm
Gunkel/Maria Theresia Krause; Evangelische Stiftung Alsterdorf Archiv, Erbgesundheitskarte Heinrich Gunkel. Schwanke, Enno, Die Landesheil- und Pflegeanstalt Tiegenhof, Die nationalsozialistische Euthanasie in Polen während des Zweiten Weltkrieges, Frankfurt/M. 2015, S. 101ff.; Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr – Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Stuttgart 2016, S. 269ff.; Peter von Rönn u.a., Wege in den Tod, Hamburgs Anstalt Langenhorn und die Euthanasie in der Zeit des Nationalsozialismus, Hamburg 1993, S. 75ff., 490f.; Jenner, Harald, Wunder, Michael, Hamburger Gedenkbuch Euthanasie – Die Toten 1939 – 1945, Hamburg 2017.

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