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Jettchen Heilbut * 1885

Grindelallee 184 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Riga

Weitere Stolpersteine in Grindelallee 184:
Ernst Ephraim Streim, Erna Streim, Mirjam Streim, Walter Streim

Jette "Jettchen" Heilbut, geb. am 7.9.1885 in Hamburg, am 6.12.1941 deportiert nach Riga, dort getötet am 26.3.1942

Grindelallee 184

Jette "Jettchen" Heilbuts Vater Adolf Heilbut war Kaufmann und Auktionator. Ihre Mutter, Rivka, geborene Cohen, brachte am 4. Oktober 1886 ein zweites Kind zur Welt, Moritz. Nach dem Tod des Vaters übernahm er 1919 das Geschäft in der Lohmühlenstraße 91, was auch die Privatadresse seiner eigenen kleinen Familie war. Moritz und seine Frau Betty, geborene Abt, wanderten zusammen mit ihrem Sohn Abraham im August 1938 nach Palästina aus. Am 1. Juli 1938 war ihnen das Gewerbe entzogen worden, sodass sie in Hamburg keine Existenzgrundlage mehr hatten.

Jettchen blieb ledig und war als Lehrerin an der Mädchenschule der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in der Karolinenstraße 35 tätig. Hin und wieder kam sie verspätet in den Unterricht, wie ihre Schülerinnen berichteten, und benutzte dann als Entschuldigung die gleiche Ausrede wie ihre Schützlinge: Das Vieh in der Kampstraße, wo ein großer Schlachthof lag, habe sie aufgehalten; es sei einfach kein Durchkommen gewesen.

Mit dem Einsetzen der Deportationen 1941 wurde das jüdische Schulwesen in Hamburg zerschlagen. Im Mai 1942 räumten die Behörden die Schule in der Karolinenstraße, am 30. Juni schlossen sie reichsweit sämtliche jüdischen Schulen. Die Verzeichnung einer Personalakte, die leider verschwunden ist und von 1905 bis 1942 geführt wurde, lässt vermuten, dass Jette in diesem Zeitraum als Lehrerin angestellt war.

Die Kultussteuerkarte der Jüdischen Gemeinde belegt, dass Jettchen Heilbut mehrmals umzog: von der Goethestraße 10, der heutigen Grillparzerstraße, in die nahegelegene Körnerstraße 4, von dort in die Brahmsallee 157, wo sie bei dem Ehepaar Behrend unterkam, und schließlich in die Grindelallee 184, ihre letzte Wohnadresse. Dort wohnte sie bei der Familie ihres Lehrerkollegen Ernst Ephraim Streim (s. Grindelallee 184) zur Untermiete. Als 1941 – beschleunigt durch die Bombardements der Alliierten – die Deportationen begannen, wurden auch die inzwischen 56-jährige Jettchen Heilbut und Familie Streim aufgerufen. Sie wurden von der zweiten großen Deportationswelle, die reichsweit 22 Transporte nach Riga betraf, erfasst. Am 6. Dezember 1941 mussten sie den Zug besteigen und Hamburg verlassen, genauso wie der Oberrabbiner der Jüdischen Gemeinde Joseph Carlebach (Biografie s. Grindelhof 30 und www.stolpersteine-hamburg.de) mit seiner Frau und vier seiner Kinder. Die Behausung in Riga-Jungfernhof bestand für die Frauen aus Viehställen und Scheunen, die Temperatur lag weit unter dem Gefrierpunkt. Jeden Tag erfroren dort Häftlinge. Neben der Kälte und den schlechten hygienischen Bedingungen waren sie Hunger, harter Arbeit und Züchtigungen ausgesetzt.

Um die Menschen von ihren Lebensumständen und ihrem Leid abzulenken, initiierte Joseph Carlebach die Aufrechterhaltung kulturellen jüdischen Lebens, soweit dies unter den gegebenen Umständen möglich war. Dazu gehörte auch Unterricht für die Kinder, die in Gruppen eingeteilt wurden. Mithäftlinge, die pädagogisch ausgebildet waren oder anderweitig geeignet schienen, übernahmen verschiedene Fächer. Jettchen Heilbut beispielsweise unterrichtete Naturkunde, ein Fach, auf das sie sich offenkundig spezialisiert hatte.

Am 26. März 1942 erschossen SS-Leute zirka 1700 bis 1800 Insassen des Jungfernhofes in der "Aktion Dünamünde", darunter auch Jettchen Heilbut sowie Joseph Carlebach und seine Familie.

Stand: Juli 2017
© Stephanie Fleischer

Quellen: 1; 5; Hochmuth/de Lorent (Hrsg.): Hamburg, S. 314; Lehberger/Pritzlaff/Randt: Entrechtet; Meyer (Hrsg.): Verfolgung; Michael: Das Leben; Müller: Jüdische Schüler, S. 282–290; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 16491 Wiedergutmachungsakte Moritz Heilbut; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 48019 Wiedergutmachungsakte Abraham Heilbut.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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