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Bertha Heimberg (geborene Elias) * 1908

Jüthornstraße 49 (Tankstelle) (Wandsbek, Marienthal)

1941 Lodz
1942 Chelmno ermordet

Weitere Stolpersteine in Jüthornstraße 49 (Tankstelle):
Edgar Heimberg

Bertha Heimberg, geb. Elias, geb. 7.3.1908, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, am 7.5.1942 nach Chelmno
Edgar Heimberg, geb. 14.9.1888, 1938 Haft im KZ Fuhlsbüttel, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, am 7.5..1942 nach Chelmno

Stolpersteine: Robert-Schuman-Brücke/Ecke Jüthornstraße 49 (vormals: Goethestraße 20)

Dort, wo heute die vierspurige Robert-Schuman-Brücke aufsteigt, um die Verkehrsströme über die Bahnlinie und das Marienthaler Villenviertel hinwegzuführen, reihten sich in der damaligen Goethestraße einst repräsentative Villen aus der Gründerzeit einander. Wer hier wohnte, gleichermaßen stadt- wie parknah, hatte es zu etwas gebracht – und übte oftmals einen akademischen Beruf aus wie die Familie Heimberg.

Der Unternehmer Louis Heimberg, 1854 als Leser Heimberg im westfälischen Padberg geboren, hatte mit seiner Frau Meta, geb. Oppenheimer, vier Söhne, die alle zwischen 1887 und 1897 in Padberg zur Welt kamen. Er kam nach Hamburg, um die Firma des Apothekers L. Seydel Nachfolger in der Bornstr. 28 zu übernehmen. Seit September 1902 lebte er mit seiner Familie in Wandsbek, Goethestr. 20. Louis Heimberg betrieb jetzt eine kleinere chemische Fabrik in der Rennbahnstr. 28. Seine Söhne René, Edgar, Alwin und Manfred nahmen am Ersten Weltkrieg teil, die beiden jüngeren überlebten den Kriegseinsatz nicht, Edgar Heimberg erhielt für seine Verdienste das Frontkämpfer-Ehrenzeichen.

1917 trat Louis Heimberg in die jüdische Gemeinde Wandsbek ein, seit diesem Jahr zahlte er auch die Kultussteuer. Die beiden ältesten Söhne betätigten sich in der Branche des Vaters: René Heimberg als promovierter beeidigter Handelschemiker, Edgar Heimberg vertrieb chemische Präparate, so sein Eintrag im Adressbuch, ebenfalls in der Goethestr. 20.

1927 heiratete René Heimberg die jüdische, 1895 in Budapest geborene Chemikerin Maria, geb. Krauss, deren Familie in Wien lebte. Sie war 1923 an der Universität Wien promoviert worden. Bei der Eheschließung zog sie nach Deutschland und war seit dem 1. Februar 1928 in der Goethestraße 20 gemeldet. Die Eheleute hatten einen Sohn, Ludwig Heimberg wurde am 10. August 1929 geboren.

1928 starb Louis Heimberg, 1937 René Heimberg. Beide wurden im Familiengrab auf dem jüdischen Friedhof Ohlsdorf bestattet.

Die Firma Apotheker L. Seydel Nachf. gehörte mittlerweile Edgar Heimberg, der mit seiner Schwägerin Maria Heimberg je zur Hälfte auch am Chemischen Laboratorium Dr. René Heimberg beteiligt war. Auch die Namen der beiden Brüder befanden sich auf dem antisemitischen NS-Flugblatt unter der Rubrik "Industrie".

Maria Heimberg und wohl auch ihr Ehemann trugen sich mit Auswanderungsplänen. Im Februar 1937 erhielt Maria Heimberg von der Devisenstelle die Genehmigung, eine Informationsreise nach Palästina zu unternehmen – nachdem ihr Ehemann sich gegenüber dieser Behörde mit der Reise seiner Frau einverstanden erklärt hatte. Doch eine Emigration nach Palästina kam letztlich nicht zustande, vielleicht, weil Krankheit und Tod René Heimbergs sie verhindert hatten.

Zu den an einer Auswanderung Gehinderten zählte auch Edgar Heimberg. Es begann damit, dass ihm im August 1938 der Passantrag abgelehnt worden war und Sicherungsmaßnahmen gegen ihn und René Heimbergs Firma eingeleitet wurden. Die Devisenstelle forderte eine Auskunft über Vermögenswerte vom Finanzamt Wandsbek an und wandte sich an das Polizeiamt Wandsbek. Unter dem Stichwort "Kapitalflucht" sollten von dort folgende Informationen über die Wohnverhältnisse der Heimbergs eingeholt werden: "ob die Wohnung noch voll mit Möbeln ausgestattet ist ... Wird die Wohnung von den Genannten auch tatsächlich genutzt? ... genaue Personalien aller Genannten. ... Ferner bitte ich unauffällig festzustellen, ob ... Auswanderungsabsichten bestehen. Anhaltspunkte evtl. Lösung des Mietvertrages, Verkauf des Grundstücks, Neuanschaffungen aller Art über den bisher üblichen Rahmen hinaus, Auslandsreisen." Gleichzeitig wurde die Abteilung Passpolizei von der Devisenstelle angewiesen, "dem Genannten, seiner Ehefrau und etwaigen Familienangehörigen den Pass zu entziehen, ohne jedoch davon Kenntnis zu geben, dass die Entziehung der Pässe auf meine Veranlassung erfolgt ist." Bereits drei Tage später lag die Antwort des Polizeiamtes Wandsbek vor, das den Heimbergs offenbar einen Kontrollbesuch abgestattet hatte. Die Fragen, ob die Wohnung möbliert und bewohnt sei, wurden bejaht. Weiter hieß es: "Edgar Heimberg und die Witwe von Dr. René Heimberg bewohnen ... gemeinschaftlich ein angemessenes Einzelwohnhaus. Die Witwe des René Heimberg hält sich zurzeit in Wien auf (bei ihren Eltern). Der gültige Reisepass ist eingezogen worden u. befindet sich hier."

Ende August 1938 musste Edgar Heimberg eine Auflistung des Grundvermögens einreichen. Neben dem Haus in der Goethestraße waren darauf noch eine Villa in der Waldstr. 20 und Bauland in der Ahrensburger Straße verzeichnet. Am 10. Oktober 1938 ergingen Sicherungsanordnungen gegen Edgar und Maria Heimberg. Zeitgleich wurden fünf Geldinstitute und ein Hypotheken-Schuldner benachrichtigt. Alle Banken meldeten die vorhandenen, mittlerweile gesperrten Guthaben. Abschließend wurde von der Devisenstelle vermerkt: "Weiteres Vermögen ist hier nicht bekannt. Die Auswanderungsabsichten des Steuerpflichtigen sind unbekannt."

Im Zuge des Novemberpogroms wurde Edgar Heimberg, wie viele andere vermögende jüdische Männer, festgenommen. Er befand sich vom 12. bis 30. November 1938 im KZ Fuhlsbüttel in "Schutzhaft". In den Verhören wurde er vermutlich zur Auswanderung gedrängt, was angesichts seines gesperrten Vermögens aussichtslos war.

Seine Schwägerin hatte zu diesem Zeitpunkt schon konkretere Pläne. Von Dezember 1938 bis zu ihrer Auswanderung am 1. April 1939 nach Cambridge/England beantragte Maria Heimberg größere und kleinere Geldbeträge. Sie gab an, diese zur Unterstützung einer Bekannten in Hamburg und für Familienangehörige in Wien zu benötigen und erhielt die Genehmigung. Als sie jedoch die Freigabe von 10.000 RM zur Übernahme eines gebrauchten Extraktionsapparates beantragte, den sie mitnehmen wollte, fehlte der Genehmigungsvermerk.

Dabei hatte sie als Begründung hinzugefügt: "Ich habe diesen Betrag inklus. Transport und sonstigen Unkosten kalkuliert. Ich betone, dass mir als Witwe mit einem kleinen Kind dieser Apparat vielleicht eine schmale Existenzbasis bilden kann." Am 2. März 1939 schrieb sie der Devisenstelle: "Aus der Liste meines Umzugsgutes ist ersichtlich, dass ich zur Hauptsache meinen alten Haushalt, welcher seit 1929 in meinem Besitze ist, mitnehme.... Ich bin geprüfte Nahrungsmittelchemikerin und war bis vor kurzem beeidigte Handelschemikerin. Diesen Beruf beabsichtige ich im Ausland weiter auszuüben. Um für mich u. mein minderjähriges Kind eine neue Lebensgrundlage zu schaffen, ... möchte ich die auf beifolgender Liste verzeichneten Apparate und Gegenstände aus meinem Laboratorium mitnehmen. Ein Gutachten der öffentlichen Auskunfts- u. Beratungsstelle für Auswanderer füge ich bei. ... Ich beabsichtige mein Umzugsgut in der 2. Hälfte des Monats März zur Verladung zu bringen und bitte den Herrn Oberfinanzpräsidenten um Freigabe. Ergebenst Dr. Maria Sara Heimberg".

Im Ermittlungsbericht der Zollfahndung vom 13. März 1939 hieß es: "Wertvolle Bilder, Gemälde und Teppiche sind nicht vorhanden. H(eimberg) ist angewiesen worden, die Schmuck- und Silbergegenstände dem Städtischen Pfandleihhaus, Bäckerbreitergang anzubieten." Der Juwelier Hintze, Jungfernstieg 32, bestätigte Maria Heimberg, dass sich im versiegelten Koffer Nr. 164 ihres Umzugsgutes nur unechte Gegenstände befanden. Echte Schmucksachen hätte sie ohnehin nicht ausführen dürfen.

Die Öffentliche Auskunfts- und Beratungsstelle für Auswanderer in Hamburg erteilte am 4. März 1939 die erforderliche Bescheinigung, in der es hieß: ".Frau H. hat ihr bisher selbständig geführtes chemisches Handelslaboratorium aufgeben müssen. Da sie in Deutschland ein weiteres Fortkommen nicht findet, will sie in England ein gleiches Unternehmen einrichten, um sich dadurch eine neue Lebensgrundlage zu schaffen.

Das Ausmaß der gebrauchten, vor 1933 beschafften u. seither ergänzten Laboratoriumseinrichtung wird für das Vorhaben u. zur Berufsausübung als gerechtfertigt anerkannt. Die Auswandererberatungsstelle hält die Mitnahme der gebrauchten Laborausrüstung im Gesamtwert von ca. RM 1500,-- zur Gründung einer neuen Existenz in England für angemessen und das Auswanderungsvorhaben der Frau Dr. Heimberg für wirtschaftlich durchführbar."

Doch in letzter Minute drohte die Auswanderung zu scheitern. Wegen angeblich unrichtiger Angaben über das Umzugsgut kam es am 29. März 1939 zu einer "Unterwerfungsverhandlung" im Hauptzollamt, und Maria Heimberg wurde eine Geldstrafe in Höhe von 6000 RM auferlegt. Worin bestand nun ihr Vergehen? Maria Heimberg hatte im Februar 1939 in der Liste ihres Umzugsgutes einen "Autoclav" in der Rubrik "seit 1933 angeschafft" aufgeführt, obwohl der Apparat erst kurz vor ihrer Auswanderung von der Fabrik geliefert werden sollte. Laut Rechnung des Verkäufers in Hannover handelte es sich um einen gebrauchten Knochenentfettungs-Apparat für 6 Zentner Knochenfüllung mit Zubehör. Wenige Tage nach der Verhandlung, am 1. April 1939, konnte Maria Heimberg mit ihrem Sohn auswandern.

Nachdem sie ihren Wohnsitz ins Ausland verlegt hatte, wurde die Sicherungsanordnung gegen sie am 13. April 1939 aufgehoben. Das Vermögen unterlag nunmehr den für Auswanderer geltenden Sperrvorschriften des Devisengesetzes. Die 6000 RM Strafgeld zog die Zollkasse am 23. Juni 1939 ein.

Auch gegen Edgar Heimberg war eine Sicherungsanordnung erlassen worden. Im Mai 1939 beantragte er einen monatlichen Freibetrag von 500 RM zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes, der ihm genehmigt wurde. Die Judenvermögensabgabe, die "Sühneleistung", die deutsche Juden nach dem Novemberpogrom zahlen mussten und andere Steuern wurden direkt abgebucht, wie die Finanzbehörde ihm mitteilte.

Im Oktober desselben Jahres versuchte Edgar Heimberg den monatlichen Freibetrag auf 875 RM zu erhöhen, der unter anderem den Lohn für eine Hausangestellte in Höhe von 120 RM beinhaltete. Entgegen seinem Antrag wurden ihm nur 450 RM bewilligt. Seine emigrierte Schwägerin hatte ihn als Generalbevollmächtigten für sich und ihren Sohn eingesetzt und hoffte, er könnte ihr von ihrem gesperrten Vermögen monatlich 200 RM Erziehungsbeitrag zukommen lassen, "da beide je nur 10 RM mitgenommen haben", wie er in dem entsprechenden Antrag argumentierte. Ferner beantragte er, ein vom verstorbenen Gatten geschenktes Wanderer-Fahrrad aufarbeiten zu lassen und seiner Schwägerin zuzusenden. Zwischenzeitlich sah er offensichtlich die Aussichtslosigkeit dieser Anträge ein und verzichtete in einem weiteren Schreiben auf die Übersendung des Fahrrads und reduzierte den Betrag für den Neffen auf 50 RM.

Im Jahr 1940 spitzten sich Edgar Heimbergs Finanznöte zu. Auswanderungspläne schien er nicht mehr zu verfolgen. Stattdessen geriet er im Mai 1940 als "Betrüger" ins Visier der Kriminalpolizei.

Anlass dazu gab der Kauf eines Gasherdes Ende September 1939. Nach Abzug einer Anzahlung hatte Edgar Heimberg noch eine Restsumme von 128 RM zu zahlen und beantragte dafür beim Lieferanten Otto Schröder ein Darlehen, offenbar ein üblicher Vorgang. Die Unterschrift wurde von der Rechtsabteilung der Hamburger Gaswerke überprüft, die Heimberg eine betrügerische Absicht unterstellte und ihn denunzierte. Folgendes Schreiben ging an die Kripo Hamburg: "Darlehnsvertrag mit Edgar Israel Heimberg ... Am 27.9.39 richtete der obenbezeichnete Darlehnsnehmer einen Antrag an unsere Gesellschaft auf Gewährung eines Darlehns von RM 128,--. Er unterzeichnete den Antrag mit ‚Edgar Heimberg’. Da der Antragsteller nach dem Erlass des RM des Innern v. 18.8.38... als Nichtarier mit ‚Edgar Israel Heimberg’ hätte unterzeichnen müssen, nahmen wir bei der Stellung des Darlehnsantrages an, dass es sich bei dem Antragsteller um einen Arier handelte. Jetzt erfuhren wir durch einen Zufall, dass Heimberg Nichtarier ist und uns durch Weglassung des vorgeschriebenen Zunamens Israel über seine Rassenzugehörigkeit getäuscht hat. Wir hätten Heimberg bei Kenntnis der wahren Sachlage das Darlehn nicht gewährt, da wir als Staatsbetrieb Nichtariern grundsätzlich kein Darlehn zur Gasgerätebeschaffung gewähren. Wir bitten die Angelegenheit zu verfolgen und uns von dem Ausgang des Verfahrens Kenntnis zu geben." Worin der "Zufall" bestand und wer den Tipp gegeben hatte, bleibt hier ebenso ungeklärt wie die Frage, auf welcher Grundlage die Gaswerke "Nichtariern" ein Darlehen verweigerten.

Am 8. Mai 1940 wurden Heimbergs Personalien erhoben, wobei er angab, einer Religionsgemeinschaft nicht anzugehören. Zur Sache erklärte er: "Die mir vorgeworfene betrügerische Erlangung eines Darlehns muss ich entschieden zurückweisen. Ein Darlehn habe ich über die Fa. Schröder beantragt und auch vom Gaswerk erhalten. Schröder kennt mich nicht persönlich. Meiner Unterschrift auf dem Antrag habe ich nicht den Namen Israel hinzugesetzt. Es hat mir ferngelegen, mich hierdurch als arisch hinzustellen. Die Gaswerke sind eine GmbH und ist es meiner Ansicht nach nicht erforderlich, zum Ausdruck zu bringen, dass ich Jude bin. Nach dem Gesetz habe ich diese nur den Behörden gegenüber herauszustellen. Hierzu rechnen m.W. aber nicht Gaswerke. Ich habe den Antrag lediglich als eine private Angelegenheit angesehen. Ich bin bisher unbestraft u. habe mit der Unterlassung auch bestimmt nicht meine Abstammung verbergen wollen. Im Weltkriege haben meine drei Brüder und ich an der Front gestanden und für Deutschland gekämpft. Zwei meiner Brüder sind für Deutschland gefallen. Ich war zwei Jahre an der Front und 2 ½ Jahre in englischer Kriegsgefangenschaft. Ich habe bisher nicht gegen Gesetze verstoßen und hat es mir auch im vorliegenden Falle ferngelegen. Weitere Angaben kann ich hierzu nicht machen. Der Kontoführer u. das Mahn...... (unleserlich A.L.) meines Namens wissen, dass ich Jude bin, denn ich habe mich verschiedentlich mit diesen darüber unterhalten. v.g.u. Edgar Israel Heimberg".

Am 6. August 1940 fand die Verhandlung in öffentlicher Sitzung vor dem Amtsgericht Abt. 131, einem sogenannten Schnellgericht statt, d.h. es handelte sich um einen Termin zur sofortigen Aburteilung. Heimberg erschien mit seinem Verteidiger, dem "Rechtskonsulenten" Dr. Bachur und wiederholte seine Erklärung: "Ich war der Meinung, meinen vollen Namen nur Behörden gegenüber ausschreiben zu müssen. Ich bin als Jude geboren und bin stolz, Jude zu sein. Mir hätte nichts daran gelegen, den vollen Vornamen zu schreiben, die Gaswerke wissen, dass ich Jude bin. Der Restbetrag ist gestern bezahlt worden. Ich bekomme mtl. 450 RM von der Devisenstelle ausbezahlt." Der Staatsanwalt beantragte dennoch 50 RM oder 10 Tage Gefängnis, während der Verteidiger auf Freispruch plädierte, der Angeklagte bat um eine Buße.

Das Urteil lautete: "Der Angeklagte wird wg. Vergehens gegen §§ 3 und 4 der 2. VO zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 17.8.38 zu 50 RM evtl. 10 Tage Gefängnis verurteilt und hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe: ... Der Angeklagte musste den Vornamen Israel annehmen, soweit die Führung des Vornamens im Rechts- und Geschäftsverkehr üblich ist. Das liegt hier vor und ist auch im Formular besonders verlangt worden. Dementsprechend hat der Angeklagte ja auch einen Vornamen angegeben, hat aber den Vornamen Israel fortgelassen. ... Da nicht festzustellen war, dass der Angeklagte auf betrügerische Absicht ausgegangen ist, erschien nach Sachlage eine Geldstrafe von 50 RM eine ausreichende Sühne."

Auf dem von Heimberg unterschriebenen Formular waren zwar Vor- und Zuname einzutragen, jedoch fehlte ein Hinweis auf zusätzlich zu führende Namen.

Ein weiteres Ereignis des Jahres 1940 soll nicht unerwähnt bleiben. Am 17. November heiratete Edgar Heimberg die 20 Jahre jüngere Bertha Elias. Sie wurde am 7. März 1908 als Tochter von Nathan Elias und dessen Ehefrau Handeltje, geb. Cohen in Hamburg geboren. Vermutlich war sie, deren Berufsangabe Büffetfräulein lautete, im Sommer 1939 als Hausangestellte in Edgar Heimbergs Haushalt gekommen.

Im Oktober 1941 erhielten die Eheleute den Deportationsbefehl. Doch ihre Namen sind nicht auf der regulären Liste der Deportierten verzeichnet. Sie gehörten zu jenen 200 jüdischen Hamburgern, die – wie es hieß "für evtl. Ausfälle vorgesehen" waren und "ersatzweise" für den ersten Großtransport herangezogen wurden.

Am 25. Oktober 1941 mussten die Heimbergs den Zug nach Lodz besteigen. Im Getto Lodz waren sie als Chemiker und Hausfrau registriert und in der Rubensstr. 2, Wohnung 2 wohnhaft. Nachdem im Januar 1942 mehr als 10.000 und im März/April noch einmal mehr als 34.000 polnische Gettobewohner im Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) ermordet worden waren, traf die Anweisung zur "Aussiedlung" im Mai dann auch deutschsprachige Juden. Ohne genau zu wissen, welches Schicksal ihn und seine Frau erwartete, versuchte Edgar Heimberg durch eine Eingabe an die Verwaltung, die "Aussiedlung" zu verhindern. In seinem Brief vom 2. Mai 1942 argumentierte er mit seinen zwei im Ersten Weltkrieg erlittenen Verwundungen und seiner englischen Kriegsgefangenschaft in Frankreich. Allerdings konnte er seine Angaben nicht durch Dokumente belegen, sondern war darauf beschränkt, sie zu beschwören. Die Eingabe wurde abgelehnt.

Wenige Tage später, vermutlich am 7. Mai 1942 mit dem 4. Transport, dem viele Hamburger zugeteilt waren, wurden die Heimbergs in das Todeslager Chelmno weiterdeportiert und ermordet. Das ursprünglich überlieferte Chelmno-Datum 25. April 1942, das auch Eingang in die Gedenkbücher gefunden hat, muss durch Heimbergs Eingabe als überholt angesehen werden.

Obwohl er (dort) schon längst nicht mehr lebte, war Edgar Heimberg 1942 noch unter Goethestr. 20 im Adressbuch eingetragen, ebenso wie der jüdische Lagerarbeiter Hermann Hirsch, der mit seiner Ehefrau Jenny, geb. Weile, in dem Haus gelebt hatte. Auch die Eheleute Hirsch wurden deportiert, am 8. November 1941 nach Minsk. Offenbar waren sie in die Wohnung des Ingenieurs Hans Theberath gezogen, nachdem dieser als Nichtjude das Haus mit den jüdischen Mietpartien verlassen hatte. In dieser Wohnung lebte seit Juli 1941 auch der aus Hamburg zugezogene Musiker Arthur Bud; er wurde nach Lodz deportiert.
So fungierte die Goethestr. 20 als eine Art "Judenhaus" von Wandsbek.

Bertha Heimbergs Mutter wurde am 5. Mai 1943 ins Getto Theresienstadt deportiert, wo sie am 20. November starb.

Wie eingangs erwähnt, wurde die Goethestraße inzwischen völlig umgestaltet, das Haus Nr. 20 existiert nicht mehr. Die beiden Stolpersteine befinden sich rechts von der Einfahrt einer Tankstelle.

Stand: September 2018
© Astrid Louven

Quellen:1; 2 OFP Str 578, R 1938/1552, F 962; STAH 522-1 Jüd. Gem. 992e 1 Band 1; ebd., 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen 4921/40; ebd., 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht- Verwaltung, Abl. 2, 451a E 1, 1 c) Schutzhaftzeiten; ebd., 332-8 Meldewesen K 7439; AB 1907 Wandsbek, 1920 VI, 1942 IV; www.JewishGen.org/databases Lodz Ghetto List; Frank Bajohr, "Arisierung", S. 154; Astrid Louven, Juden, S. 134, 201; Lodz-Briefe von Hamburgern, Mail von Fritz Neubauer 31.1.2010; Promotion Maria Krauss: Auskunft von Rudolf Werner Soukup, Mail vom 14.8.2018; Auszug aus dem Promotionsregister, übersandt von Prof. Max Sussman, London, Mail vom 19.8.2018.

aus: Astrid Louven/Ursula Pietsch, Stolpersteine in Hamburg-Wandsbek mit den Walddörfern Biographische Spurensuche, Hamburg 2008 (siehe Literatur)

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