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Bernhard Heinemann * 1867

Treudelberg 75 (Wandsbek, Lemsahl-Mellingstedt)


HIER WOHNTE
BERNHARD
HEINEMANN
JG. 1867
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 20.3.1943

Weitere Stolpersteine in Treudelberg 75:
Elise Heinemann

Bernhard Heinemann, geb. am 16.8.1867, am 19.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, am 20.3.1943 dort gestorben
Elise Heinemann, geborene Lippmann, geb. am 13.2.1875, am 19.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, am 15.5.1944 nach Auschwitz weiterdeportiert

Treudelberg 75 (früher: Ulmenweg)

Elise Lippmann und ihre Zwillingsschwester Caroline wurden als drittes und viertes Kind des Ehepaares Simon und Emma Lippmann (geb. Beer) geboren. Insgesamt hatte das Ehepaar Lippmann acht Kinder: Gustav (geb. 12.8.1868), Max (geb. 17.8.1873), Caroline und Elise (geb. 13.2.1875), Siegmund (geb. 4.9.1877), Bella (geb. 17.12.1878), Henny (geb. 15.5.1880) und John (geb. 29.9.1887). Die Großfamilie wohnte in der Straße Beim Schlump 5. Simon Lippmann war Schlachter und Inhaber eines eigenen Geschäfts in der Bornstraße 8. Es ist nicht nachzuvollziehen, ob Elise Lippmann einen Beruf erlernte. Vermutlich unterstützte sie ihre Eltern im Haushalt bis sie dann im Alter von 18 Jahren, am 13. März 1893, den Möbelhändler Bernhard Heinemann heiratete.

Dieser war am 16. August 1867 als zweiter Sohn des Ehepaares Moses und Fiele (genannt Fanny) Heinemann (geb. Katzenstein) in der hessischen Kleinstadt Hebenshausen geboren worden. Wie sein Vater war Bernhard gelernter Tapezierer, neben der Ausübung dieses Berufes eröffnete er 1891 sein eigenes Möbelgeschäft in der Weidenallee 38/40, zu dem eine kleine Polsterei sowie eine Maschinentischlerei und Verkaufsräume über zwei Etagen gehörten. Bernhards älterer Bruder Julius (geb. 5.5.1866) lebte zusammen mit seiner Frau Betty (geb. Lindenfeld, geb. am 6.2.1874) ebenfalls in Hamburg. Wann genau die beiden Brüder nach Hamburg gezogen waren, ist unklar, nachzuvollziehen ist nur, dass ihre Eltern Moses und Fanny im Jahr 1897 nach Hamburg kamen.

Bernhard und Elise bekamen zusammen drei Kinder: John (geb. 8.6.1894), Johanna (geb. 29.9.1895) und Julius (geb. 17.5.1897), der im Alter von zwanzig im ersten Weltkrieg am 8. August 1917 durch einen Minenvolltreffer in der Stellung bei Pelves (Frankreich) starb. Sein Grabstein ist auf der Ilandkoppel, auf dem jüdischen Friedhof Ohlsdorf, zu finden. Er war nicht verheiratet und hatte auch keine Kinder.

Zehn Jahre nach dem Tod von Julius starb auch die Tochter der Heinemanns, Johanna, am 5. Juli 1927. Die Todesursache ist nicht mehr nachzuvollziehen. Sie war mit dem Kaufmann Sigfried Lievendag verheiratet, mit dem sie keine Kinder hatte. Nach Johannas Tod heiratete Siegfried seine zweite Frau Ester Lievendag (geb. Lievendag), mit der er 1938 in die Niederlande fliehen konnte.

Der älteste Sohn des Ehepaares Heinemann, John, geriet während des ersten Weltkrieges in russische Kriegsgefangenschaft, aus der er im Mai 1920 zurückkehrte. Vor dem Krieg hatte er eine Lehre bei der Firma Hasche & Woogig, einem pharmazeutischen Großhandel, abgeschlossen. Dort arbeitete er als kaufmännischer Gehilfe, bis er sich am 7. August 1914 als Kriegsfreiwilliger meldete. Nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft stieg er in die Firma seines Vaters mit ein, die von da an Vater und Sohn zu gleichen Teilen gehörte. Ihre Firma ist auch in der Liste der Mitglieder des Vereins selbstständiger jüdischer Handwerker und Gewerbetreibender zu Groß-Hamburg e.V. zu finden. Die Adresse Weidenallee 38/40 wird sogar als Geschäftsstelle des Vereins genannt, da Bernhard Heinemann die Position des Obmannes des Aufnahmeausschusses innehatte.

Dieser Verein war 1906 von Handwerkern und Gewerbetreibenden der Deutsch-Israelitischen Gemeinde gegründet worden und konnte im Jahr 1935 420 Mitglieder verzeichnen, die sich allesamt aktiv gegen die Benachteiligung Jüdischer Gewerbetreibender unter dem NS-Regime stellten. Da bereits ab den 1930er Jahren jüdische Geschäfte durch die Nationalsozialisten boykottiert wurden, versuchte der Verein Arbeitsaufträge innerhalb der jüdischen Gemeinde zu vermitteln. Am Ende des Jahres 1938 wurde er von der Gestapo aufgelöst.

Laut späterer Aussage der ehemaligen Kontoristin des Möbelgeschäfts der Heinemanns, Luise Kribbe, liefen die Geschäfte auch in den 1930er-Jahren noch sehr gut. Sowohl John als auch Bernhard Heinemann führten ihrer Ansicht nach einen "gediegenen" Lebensstil. In der Tat war die Familie sehr wohlhabend. Ihr exklusiv eingerichtetes Haus in Lemsahl, in welches das Ehepaar Heinemann 1934 zog, versorgte eine Hausangestellte und sie beschäftigten sogar einen privaten Chauffeur. Sohn John besaß eine eigene Yacht und auch einen Mercedes. Er richtete sich in der Weidenallee 38/40 auch eine großzügige Wohnung ein, in der er zusammen mit seiner Frau Erika (geb. Wallach, geb. 11.5.1900 in Kopenhagen) und den gemeinsamen Töchtern Hermine (geb. 22.5.1922) und Hanna-Ingeborg (geb. 7.3.1933) wohnte. Nachdem Bernhard Heinemann am 1.1.1934 in den Ruhestand gegangen und mit Elise in das Haus in Lemsahl gezogen war, war John allein für die Firma verantwortlich. 1936 legte er deshalb seine Handwerkerprüfung als Polsterer ab, um sich auch um diesen Bereich des Geschäfts kümmern zu können.

Doch angesichts der Verfolgungsmaßnahmen versuchte John auszuwandern. Am 28. Juli 1938 starb seine Frau Erika. Die Todesursache ist nicht mehr nachzuvollziehen, unklar ist auch, ob ihr Tod etwas mit Johns Entscheidung zur Auswanderung zu tun hatte. Fünf Tage später stellte er jedenfalls den Auswanderungsantrag. Am 30. September 1938 wurde das Möbelgeschäft der Heinemanns liquidiert (wie alle jüdischen Geschäfte, die nicht "arisiert" wurden). John und seine Töchter flüchteten am 11. Oktober 1938 nach Montevideo (Uruguay).

Seine Eltern blieben in Hamburg. Kurze Zeit später, am 3. November 1938, wurde eine "Sicherungsanordnung" gegen Bernhard Heinemann erlassen, die – wie immer bei Juden – damit begründet wurde, es bestünde der Verdacht auf Kapitalflucht. Im Frühjahr 1939 musste das Ehepaar Heinemann, wie auch alle anderen Juden in Hamburg, ihre gesamten Schmuck- und Silberstücke abgeben.

Am 19. Juli 1942 wurden Bernhard und Elise Heinemann nach Theresienstadt deportiert, ein Getto, in das hauptsächlich ältere Leute, Veteranen des ersten Weltkriegs und gesellschaftlich höher gestellte Personen eingewiesen wurden. Heinemanns zahlten sie im Voraus über 32.000 RM für einen sogenannten Heimeinkauf. Durch diese Heimeinkaufsverträge plünderte das NS-Regime die Betroffenen aus, indem es ihnen dafür lebenslängliche Verpflegung, Obdach und medizinische Versorgung garantierte.

Bernhard Heinemann starb bereits am 20. März 1943 im Getto Theresienstadt. Elise wurde am 15. Mai 1944 nach Ausschwitz weiterdeportiert, wo sich ihre Spur verliert. Ein genaues Todesdatum ist für sie nicht auszumachen, angesichts ihres Alters ist es aber wahrscheinlich, dass sie direkt nach ihrer Ankunft im Vernichtungslager Ausschwitz umgebracht wurde.

John, der 1947 von Uruguay nach Stockholm ging und noch im selben Jahr dort seine zweite Frau Else (geb. Lebenberg, geb. 5.11.1904) heiratete, kam 1950 nach Hamburg zurück und stellte Wiedergutmachungsanträge. Dieser Rechtsstreit zog sich bis zu seinem Tod am 23. November 1967 hin und wurde von seiner Tochter Hanna weitergeführt, die diesen auch nur zu Ende führen konnte, weil sie sich letztendlich mit nur einem Bruchteil der geforderten Summe einverstanden erklärte.

Zusammen mit Elise und Bernhard Heinemann waren Bernhards Bruder Julius und seine Frau Betty nach Theresienstadt deportiert worden. Auch Elises Bruder Max und dessen Frau Tony (geb. Cohn, geb. 22.11.1873) saßen in diesem Deportationszug. Elises Zwillingsschwester Caroline wurde zusammen mit ihrem Bruder Gustav am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert. Elises jüngerer Bruder Siegmund starb zusammen mit seiner zweiten Frau Sara (geb. Rosenblatt), all seinen Kindern und Enkelkindern im Getto Minsk.

Von den Lippmann-Geschwistern überlebte nur Henny, da sie aufgrund ihrer "Mischehe" mit dem Fischhändler Karl Küchenmeister erst 1945, kurz vor Ende des Krieges, nach Theresienstadt deportiert wurde. Obwohl sie nur etwas über vier Monate im Getto verbringen musste, trug sie aufgrund der unmenschlichen Bedingungen schwere gesundheitliche Folgen davon, an denen sie bis zu ihrem Tod im Jahre 1952 litt, sodass sie arbeitsunfähig war.

Alle anderen deportierten Familienmitglieder der Familien Heinemann und Lippmann kehrten nie wieder zurück – beide Familien wurden im Holocaust nahezu komplett ausgelöscht.

Stand: Januar 2017
© Laura Tippelt

Quellen: StaH, 522-1 Jüdische Gemeinden, 992b, Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg, Kultussteuerkarte Bernhard Heinemann, John Heinemann, Simon Lippmann, Moses Heinemann, Julius Heinemann, Siegfried Lievendag; StaH, 311-3 Finanzbehörde, Abl. 1959 413-1/3; StaH, 314-15 Oberfinanzpräsident, R 1938/1539 (Bernhard Heinemann), R 1940/580, R1940/783 (beide Julius Heinemann); StaH, 331-3 Staatsangehörigkeitsaufsicht, Abl. XXXVIII SA1267; StaH, 332-5 Personenstandsurkunden, 9111/1810/1895 (Geburtsurkunde Johanna Heinemann), 5367/920/1927 (Sterbeurkunde Johanna Heinemann), 6958/952/1917 (Sterbeurkunde Moses Heinemann), 704/323/1914 (Sterbeurkunde Fiele (Fanny) Heinemann), 8042/653/1917 (Sterbeurkunde Julius Heinemann); StaH, 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 4925 (Henny Lippmann), 15948 (John Heinemann), 15949 (Bernhard Heinemann), 15950 (John u. Else Maria Heinemann); StaH, 552-1 Jüdische Gemeinde-Mitgliedschaft, 1928/388 c 1, Deportationsliste Nr. 992 e 2 Band 5 (Deportation Theresienstadt 19.7.1942), 325 Verzeichnis der jüdischen Organisationen; StaH, 741-4 Fotoarchiv, Sa 1056, Sa 1208; Internetquellen: www.alemania-judaica.de (Zugriff am 15.9.2014); http://agora.sub.uni-hamburg.de (1895–1940, Zugriffe 15.–18.9.2014); email von Hans-Jürgen von Appen vom 28.10.2014 (Heimatbund Lemsahl-Mellingstedt)

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