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Stolpertonstein

Erzählerin: Christine Jensen
Sprecher: Peter Bieringer & Oliver Rohrbeck
Heinrich Hellmund
© Gernot Sommer

Heinrich Hellmund * 1897

Borgfelder Straße 51 (Hamburg-Mitte, Borgfelde)


HIER WOHNTE
HEINRICH HELLMUND
JG. 1897
ENTRECHTET / GEDEMÜTIGT
FLUCHT 1933 SCHWEIZ
FLUCHT IN DEN TOD
SOMMER 1937
SALMAISE / FRANKREICH

Siehe auch:

Heinrich Hellmund

Ein heute weitgehend vergessener Autor ist der Philosoph Heinrich Hellmund, geboren am 14. Februar 1897 in Saarbrücken. Er starb im Juli 1937 durch Freitod in dem winzigen Dorf Salmaise, etwa 25 Kilometer nordwestlich von Dijon.

Am 28. Mai 1930 wurde Hellmund an der Universität Giessen mit dem Werk »Das Wesen der Welt« promoviert. Die im Universitätsarchiv vorhandene Promotionsakte (Signatur: Phil 0 18 1930) enthält einige handschriftliche Briefe Hellmunds, darunter einen Lebenslauf. Darin heißt es:

»Ich bin 1897 in Saarbrücken geboren und lebte mit meinen Eltern 1901 bis 1927 in München. Dort absolvierte ich 1916 das Real-Gymnasium und war hierauf zwei Jahre im Felde. 1919 immatrikulierte ich mich an der Münchner Universität und belegte dort 10 Semester bis 1923. Bereits auf dem Gymnasium beschäftigte ich mich in all meiner freien Zeit mit Philosophie, die mein Leben bald gänzlich ausfüllte und mit ihm gleichbedeutend wurde. 1914 begann ich zum ersten Mal mein Werk niederzuschreiben und habe es im ganzen viermal geschrieben. Dies wurde mir teils durch die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft, teils durch Verlagshilfe und Zuwendungen privater Gönner ermöglicht. 1927 ist mein Werk "Das Wesen der Welt" in erster, 1928 in zweiter Auflage erschienen (III Bände, Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart). Die Leserstimmen, die ich vor allem aus Norddeutschland hörte, veranlassten mich 1928 nach Hamburg überzusiedeln, wo ich seit zwei Jahren lebe. Im Sommersemester 1929 immatrikulierte ich mich hier an der Universität. Auch wurde ich im vorigen Sommer als Dozent an die Hamburger Volkshochschule berufen.

Die erste Konzeption der Grundgedanken meines Werkes fällt in die Jahre 1913 – 14. Ich hatte sie seitdem nicht zu verändern, sondern nur immer weiter auszubauen. Am meisten wurde ich durch Kant, Schopenhauer und Nietzsche beeinflusst. Doch zeigte sich mir, dass andere Denker, so vor allem Giordano Bruno und Spinoza, vieles vorausgedacht haben, wozu ich auf selbständigem Wege gelangte. Eine große Klarheit des Schauens und Erlebens, die meine Kindheit auszeichnete, hat sich bei mir zur Abstraktion immer höheren Grades erhoben und verdichtet. Das Denken ist meine einzige Leidenschaft; es erfüllt mich unausgesetzt. Ich hatte viele Jahre hindurch nach dem Kriege die schwersten Kämpfe mit der beispiellosen Ungunst der Zeit zu bestehen. Doch gab mir das Gefühl meiner inneren Bestimmung die Kraft, auf dem einmal erwählten Wege weiterzuschreiten.«


In Hamburg scheint Hellmund engeren Kontakt zu den Philosophie-Professoren Ernst Cassirer (emigrierte 1933 nach England) und dem Erkenntnistheoretiker August Messer gehabt zu haben, wie aus einem am 12. Februar 1930 entstandenen Brief hervorgeht, in dem er bittet, ihn in Giessen zur Promotion zuzulassen, obwohl er dort nicht immatrikuliert ist:

»Die Arbeit an meinem Werke hatte so viele Studien mit sich gebracht, dass mir der Vorlesungsbesuch innerlich nichts wesentlich Neues mehr zu geben vermochte und mir lediglich die Belastung mit Gedächtnisstoff auferlegte. Der Hamburger Ordinarius Prof. Cassirer, mit dem ich hierüber sprach, erklärte sich zwar hinsichtlich des Examens zu größtem Entgegenkommen bereit, fügte jedoch hinzu, dass von den Hamburger Promotionsbestimmungen (Einreichung einer noch nicht veröffentlichten Dissertationsschrift und ausreichender Kenntnis des Griechischen) grundsätzlich nicht abgesehen werden könne. Zur Erfüllung dieser beiden Bedingungen sehe ich mich leider nicht imstande.

Zufällig fiel in diese Zeit die Beschäftigung des Herrn Prof. Dr. August Messer mit meinem Werke, die zu einem sehr günstigen Ergebnis führte. Ich setzte mich hierauf mit Herrn Prof. Messer schriftlich und mündlich in Verbindung und legte meinen gesamten Fall dar. Hierbei zeigte es sich, dass die obigen Bedingungen zu den Promotionsbestimmungen der Universität Giessen nicht gehören. Herr Prof. Messer erklärte es daher für mich als gegeben, dass ich an dieser Universität promovieren und damit meine äußeren Studien zu dem ersehnten Abschluss bringen könne.

Ich bitte daher, unter Würdigung dieser Umstände mir die Promotion noch vor Ende des gegenwärtigen Semesters zu ermöglichen. Ich glaube, dass sowohl die Anzahl der von mir nachgewiesenen Semester als auch die tatsächlich von mir erworbenen Kenntnisse und insbesondre die in meinem Werk – das ich als Dissertationsschrift anzusehen bitte – zum Ausdruck gekommene eigene wissenschaftliche Arbeit dies rechtfertigen dürften«.


Über den Zeitpunkt der Emigration von Heinrich Hellmund ist (noch) nichts bekannt, auch nicht, ob er nach 1933 noch einmal ins Saarland zurückkehrte. Auch ist es mir noch nicht gelungen, eventuelle vorhandene Polizeiakten über seinen Selbstmord in Frankreich aufzufinden. Aus den Berichten über die Stipendiaten der »Lincoln«-Stiftung geht hervor, dass er zu den frühesten unter den Geförderten zählte.

Mir liegt eine sehr umfangreiche (1.323 Seiten umfassende) einbändige Ausgabe des Werks vor, das 1927, jedoch nicht, wie von Hellmund erwähnt bei DVA, sondern, laut Impressum, im Amalthea-Verlag (Zürich, Leipzig, Wien) erschienen ist.

© Ralph Schock

Dr. Ralph Schock ist Literaturredakteur beim Saarländischer Rundfunk und Autor


Heinrich Hellmund (bürgerlicher Name Ernst Rosenthal), geb. 14.2.1897 in Saarbrücken, Suizid am 10.6.1937 bei Dijon

Borgfelder Straße 52

Carl Jacob Burckhardt (Diplomat und Hoher Kommissar der Stadt Danzig) an Thomas Mann am 28. Oktober 1933: "Unter den unzähligen Flüchtlingen, die mich hier fast täglich aufsuchen, fiel mir ein merkwürdiger Mann auf, der durch den Grad seiner Verzweiflung, die Bescheidenheit und Diskretion seines Auftretens und die ungeheure bittere Anspannung seines Selbstbewusstseins und Stolzes, mich mehr als andere bewegte und mir einen starken Eindruck hinterließ. Es handelt sich um Dr. Heinrich Hellmund aus Hamburg. Ich habe versucht für den, jeglicher Mittel entblößten, einsamen Gelehrten, ein Stipendium von der Rockefeller Stiftung zu erhalten, … die Antwort war abschlägig. … In Hellmunds Gespräch kommt nun immer wieder Ihr [Thomas Manns] Name vor, nicht im Sinne einer Absicht oder greifbaren Hoffnung, sondern im Sinne des Vertrauens und des Trostes: Sie haben ihm einmal mit der Äußerung über sein Werk sehr wohl getan und in seiner Verlassenheit zehrt er von dieser Freude."

Auch Thomas Mann bemühte sich um Hilfe für Hellmund; er antwortete Burckhardt: "Auch er also? Warum? Er ist also Jude? Ich habe das nicht gewusst. … Dass für Hellmund jedenfalls etwas geschehen muss, ist ein Gefühl, das ich vollkommen mit Ihnen teile. Er ist ein außerordentlicher Kopf, eine erstaunliche geistige Potenz … und dass das neue Deutschland sie sich nicht zu halten wusste, ist ein weiterer Einwand zu denen, die man dagegen auf dem Herzen hat; und ich muss sagen, dass sein großes philosophisches Werk, … für dessen Drucklegung ich mich mit eingesetzt, mir mächtigen Eindruck gemacht hat. Es ist eine Leistung großen Stils, ein aus einer Centralidee mit genialem Eigensinn entwickeltes und ausgebautes Gedankensystem von erstaunlichem Reichtum, das … in der verworrenen und ratlosen Zeit ordnend und helfend zu wirken vermag." Thomas Mann verwendete sich bei Prof. Gottfried Bohnenblust in Genf für Hellmund: für das Wintersemester 1935 erhielt dieser einen Lehrauftrag an der Universität Genf.

Hellmunds Vater war der Weißwarenhändler Max Rosenthal, geb. am 28. April 1855 in Lautenburg, Kreis Straßburg, der am 19. Dezember 1936 in München starb. Die Familie der Mutter Clara, geb. Wolff, stammte aus Hamburg. Sie selbst, geboren am 17. Januar 1870 in Tilsit, wuchs in New York auf und kehrte mit 20 Jahren nach Hamburg zurück. Sie starb durch Suizid am 15. November 1938 in München. Der Vater betrieb in der Bahnhofsstraße 88 in Saar­brücken ein Ladengeschäft, bis er es Anfang 1901 verkaufte und mit der Familie nach München übersiedelte. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges legte der Vater sein gesamtes Vermögen in Kriegsanleihen an, die nach Kriegsende durch die Inflation völlig wertlos wurden. Deshalb war die Familie stets auf die staatliche Kleinrentnerfürsorge in München angewiesen.

Vom elften Lebensjahr an besuchte Ernst Rosenthal zuerst das Theresiengymnasium, dann das Realgymnasium in München. Später resümierte er: "Bereits im Gymnasium beschäftigte ich mich in all meiner freien Zeit mit Philosophie, die mein Leben bald gänzlich ausfüllte. Das Denken wurde meine einzige Leidenschaft. Ab 1913, in der 7. Klasse des Gymnasiums, habe ich begonnen, an meinem Werk ,Das Wesen der Welt‘ zu schreiben. Mit 17 Jahren – auf einem Spaziergang im Englischen Garten in München – kam mir wie eine plötzliche Erleuchtung derjenige Gedanke, der später die Grundlage meiner ganzen Philosophie bilden sollte, eine alle Wissensgebiete umfassende metaphysische ,Weltsicht‘. Alle erforderlichen Kenntnisse eignete ich mir rein autodidaktisch an, vor allem mit Hilfe der Bayerischen Staatsbibliothek, zu der ich damals ausnahmsweise, auf Verwendung meiner Lehrer, Zutritt erhielt."

Nach Beendigung seiner Gymnasialzeit 1916 diente Ernst Rosenthal 29 Monate lang als Infanterist an der Front und wurde mit dem Eisernen Kreuz II und dem Bayerischen Militärischen Verdienstorden III ausgezeichnet. Während der Wirren des Krieges und der Nachkriegszeit musste er die Arbeit an seinem Werk unterbrechen. "Ich hatte nach dem Kriege die schwersten Kämpfe mit der beispiellosen Ungunst der Zeit zu bestehen. Doch gab mir das Gefühl meiner inneren Bestimmung die Kraft, auf dem einmal erwählten Wege weiterzuschreiten." Vergeblich versuchte er kurze Zeit, sich als Bankangestellter seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ab 1919 studierte er sechs Semester an der Münchner Universität, ohne jedoch einen akademischen Abschluss zu machen.

1923 verlegte er seinen Wohnsitz von München nach Obermenzing, wo er bis Ende 1927 blieb. Den Umzug nahm er zum Anlass, seinen bürgerlichen Namen abzulegen, um sich künftig nur noch "Heinrich Hellmund" zu nennen. Später, in Anträgen an die Hamburger Justizverwaltung und an das Bayerische Staatsministerium für Kultus und Unterricht, begründete er seinen Namenswechsel wie folgt:

"Ich habe unter meinem jetzigen Namen [Heinrich Hellmund] – unter dem ich in der Öffentlichkeit bekannt bin – eine … deutsche Staatsphilosophie verfasst, die es sich zur Aufgabe macht, die Risse und Gegensätze im deutschen Volksleben zu überwinden. … Ich würde aber niemals in der Lage sein, diese Aufgabe zu erfüllen, wenn durch meinen ehemaligen Familiennamen auch nur der leiseste Schatten auf meine Person fällt, der mich sofort dem Vorurteil gewisser Kreise in bestimmter Weise abstempelt und verdächtig macht."

Von der Hamburger Landesjustizverwaltung wurde der Antrag auf Namensänderung im Februar 1930 genehmigt. Die Wahl des Namens stellte sein Programm dar, "Heinrich" als prägnanter typisch deutscher Vorname, "Hell-Mund" als Künder einer erhellenden philosophischen Erkenntnis.

Mit seinem Beitritt zum Eucken-Bund (benannt nach dem Philosophen Rudolf Eucken, der die kollektive Schöpfungskraft der Menschen aktivieren wollte) in München und durch öffentliche Vorträge bei den Mitgliedern gelang es Hellmund, Kontakt zu namhaften Persönlichkeiten aufzunehmen und seinen Lebensunterhalt im Wesentlichen durch private Spenden zu finanzieren. Daneben erhielt er ein längeres Stipendium von der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft. Der Preußische Kultusminister Becker vermittelte eine Spende von Paul Kempner, dem Mitinhaber des Bankhauses Mendelssohn & Co. in Berlin. Diese Jahre bezeichnete Hellmund als "die schönsten in meinem Leben außer der unbeschwerten Jugendzeit".

Die Suche nach einem Verleger für sein philosophisches Werk gestaltete sich zunächst schwierig, da die "spröde" Materie für einen Verleger in damaliger Zeit keinen großen Gewinn erhoffen ließ. Doch am 15. Mai 1927 erschien das inzwischen auf über 1300 Druckseiten angewachsene Werk "Das Wesen der Welt" im Buchhandel. Der Amalthea Verlag hatte das Buch verlegt. Schon ein Jahr später erschien die zweite Auflage als dreibändige Ausgabe bei der Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart. Als Hellmund sich später beklagte, dass sein Werk nicht zu einem "Bestseller" wurde, tröstete Thomas Mann ihn mit den Worten: "Dass Ihr Werk als Knalleffekt wirken und zum Modebuch werden würde, wie ‚Der Untergang des Abendlandes’, war nicht zu erwarten und kaum zu wünschen."

In seiner Begeisterung über das Gelesene schlug der Hamburger Kinderarzt R. Guido Möring Hellmund 1927 vor, nach Hamburg zu kommen. Er erbot sich, in der Hansestadt Sponsoren zu finden, die seinen Lebensunterhalt finanzieren würden. Dafür sollte Hellmund Vorträge über sein neues Weltbild halten. Hellmund willigte ein und übersiedelte im Januar 1928 nach Hamburg. Zunächst fand er Hörer in privaten Kreisen, konnte aber bald schon in der Detaillistenkammer (Interessenvertretung des Einzelhandels) öffentliche Vorträge abhalten. Hierdurch wurden u. a. Paul Theodor Hoffmann, Stadtarchivar in Altona, durch ihn auch der Hamburgische Staatsrat Adolf Buehl, der Naturwissenschaftshistoriker Prof. Hans Schimank, Walter Schirren, Hamburger Leiter des Deutschen Monistenbundes, und die örtliche Presse auf Hellmund aufmerksam. Als Dozent wurde Hellmund daraufhin in der Schopenhauergesellschaft sowie in den Volkshochschulen Altona, Hamburg und Harburg verpflichtet.

Hellmunds Zuhörendenschaft – so beurteilte es Adolf Buehl in seinen Lebenserinnerungen – bestand aus einer wissensdurstigen Elite des mittleren Beamten- und Bürgerstandes. Über den Menschen Hellmund berichtete er: "Hellmund war klein, schmächtig und zart; er war in einem bei seinen Rassegenossen mir bislang nicht begegneten Maße von deutschem Emp­finden; er spielte das Klavier meisterhaft beherrschend, ausschließlich Bach, Beethoven und besonders Wagner. Eine grüblerische Natur und einsiedlerisch veranlagt, hing er schon früh philosophischen Problemen nach. … Im persönlichen Verkehr war Hellmund ein schlichter, bescheidener Mensch, der in seinem Wesen etwas kindlich Rührendes haben konnte. … Wir haben ihn zum mindesten für einen ‚genialischen Menschen’, sein Werk für eine wissenschaftliche Leistung ersten Ranges gehalten."

Im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1929 wurden die Dozentenhonorare der Hamburger Hochschulen mehrfach drastisch reduziert. Hellmund geriet dadurch zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten und bemühte sich um finanzielle Unterstützung von dritter Seite, u. a. um eine Beihilfe der Studienstiftung des Deutschen Volkes in Dresden. Dort hatte kurz zuvor eine von der Rockefeller Foundation in New York gegründete und mit (allerdings geringen) Finanzmitteln ausgestattete Hilfsorganisation ihre Arbeit aufgenommen, die "Abraham-Lincoln-Stiftung". Da die Leitung der US-Stiftung in den Händen der Deutschen Studienstiftung lag, erhielt Hellmund als einer der ersten Anwärter ein Stipendium, was ihm die Weiterarbeit in Hamburg ermöglichte.

Hellmunds Wunsch, an der Hamburger Universität den Doktortitel zu erwerben, ließ sich nicht realisieren, da er die formellen Voraussetzungen der Hamburger Promotionsordnung nicht erfüllte. Stattdessen wurde er im Februar 1930 an der Universität Gießen von Prof. August Messer mit der höchsten Auszeichnung "summa cum laude" zum Dr. phil. promoviert.

Es entstanden 1932 drei weitere Bücher: "Kritik der Politik" (bis heute unveröffentlicht) und "Das Problem unseres Daseins" (ebenfalls unveröffentlicht). Für eine Drucklegung im Verlag Broscheck in Hamburg setzte sich auch Bürgermeister Carl Wilhelm Petersen ein, doch die Zeit arbeitete gegen Hellmund. Das dritte Buch "Die ewige Weltordnung" wurde erst 1967 posthum im Hamburger Kulturverlag veröffentlicht.

Auf Anregung von Reinhold Schairer (Hauptgeschäftsführer des Deutschen Studentenwerks e. V. und Vizepräsident des Weltstudentenwerks, zugleich Geschäftsführer der Abraham-Lincoln-Stiftung, die Hellmund ein Stipendium gewährte) erfolgte Anfang 1932 in Hamburg in der Borgfelder Straße 51 die Gründung einer Hellmund-Gesellschaft unter dem Namen "Gesellschaft für Wirklichkeitsphilosophie".

Über einen Kontakt zu Heinrich Landahl im Januar 1933 (bis 1933 Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft [DDP], 1933 kurze Zeit Mitglied des Deutschen Reichstages und nach 1945 SPD-Schulsenator in Hamburg) wurde Hellmund zu einem Diskussionsabend in dessen Privatwohnung eingeladen. Hellmunds Vortrag gipfelte in der Einschätzung, dass "wenn die Nazi ans Ruder kämen, es mit Deutschland aus sei; wir würden mit einem Katzenjammer erwachen".

Für Anfang Februar war Hellmund mit dem Theologie-Professor Paul Tillich in Frankfurt am Main verabredet, um über eine Habilitation und Dozentur zu verhandeln. Aber der "Umbruch" am 30. Januar 1933 machte seine Hoffnungen zunichte. Tillich und Hellmund waren sich einig, dass das geistige Leben in Deutschland von den neuen Machthabern in Berlin geknebelt werden würde. So kehrte Hellmund von dem Besuch bei Tillich gar nicht wieder nach Hamburg zurück, sondern reiste gleich nach Basel weiter ins schweizerische Exil.

Hellmunds Exilzeit war geprägt durch ein stetes Auf und Ab von Hoffnung und Enttäuschung. Ständig in wirtschaftlicher Sorge um das tägliche Überleben, fühlte er sich von der Gestapo überwacht. Er unternahm in den Schweizer Bergen einen Selbsttötungsversuch und wurde gerettet. Nach einem darauf folgenden Sanatoriumsaufenthalt siedelte er nach Frankreich über. Noch einmal schien sein Stern in Paris zu steigen, als die Sorbonne ihm ein kleines Stipendium bewilligte, das jedoch bis zum Juli 1937 befristet war.

In Paris nahm Hellmund an einer Ausschreibung des Französischen Unterrichtsministeriums zum Thema "Die Begründung der Moral" teil und reichte den überarbeiteten Text seines Buches "Die ewige Weltordnung" ein.

Auf einer Vortragsreise durch Schweden Anfang 1937 lernte Hellmund in Stockholm eine Gräfin Kerstin Hamilton kennen, die ihm Unterstützung aus einem Fonds für intellektuelle Flüchtlinge vermittelte. Im Mai erhielt Hellmund die Nachricht, er könne in Paris einen Preis von 9000 Franc für den von ihm eingereichten Text entgegennehmen, müsse das Geld je­doch in Frankreich ausgeben. Ende Mai 1937 reiste Hellmund zurück nach Paris, um den Preis entgegen zu nehmen. Danach verliert sich seine Spur. Im Dezember 1937 fanden Jäger in einem Wald bei Salmaise in der Nähe von Dijon das Skelett eines Mannes, bei dem es sich nach Ermittlungen der französischen Polizei zweifelsfrei um die sterblichen Überreste Hellmunds handelte. Die Untersuchungen der Polizei ergaben außerdem, dass Hellmund etwa am 10. Juni 1937 seinem Leben durch Selbstmord ein Ende gesetzt hatte.

Seine Eltern in München hatte Hellmund zuletzt im Sommer 1932 anlässlich einer Urlaubsreise nach Kärnten besucht. Im Dezember 1936 verstarb der Vater im Alter von 81 Jahren. Im März 1938 schrieb seine Mutter über den Sohn Ernst an Maria Eggers nach Hamburg: "Dass ich ihn nach 5 ½ Jahren nicht noch einmal gesehen, oder wenigstens noch einige Zeilen von ihm erhielt, das ist, was mein Inneres nicht zur Ruhe kommen lässt und die Wunde nur wieder aufreißt." Wenige Tage nach der berüchtigten "Reichskristallnacht" nahm sich die Mutter Clara Rosenthal in ihrer Wohnung in München das Leben. Sie starb am 15. November 1938 als letzte der Familie Rosenthal.

© Gernot Sommer

Quellen: Hellmund, Heinrich: Das Wesen der Welt, Zürich, Leipzig, Wien 1927, 2. Aufl. Stuttgart 1928; ders.: Die ewige Weltordnung, posthum Hamburg 1967; ders.: Dokumente, Manuskripte, Vortragsunterlagen, persönliche Notizen, Eingaben, Briefe; Archiv der ETH Zürich. Brief von C. J. Burckhardt an Thomas Mann vom 28.10.1933, Brief von Thomas Mann an Hans Ludwig Held vom 1.8.1926; Archiv der Rockefeller-Stiftung, New York, zum Teil veröffentlicht in: Malcolm Richardson/Jürgen Reulecke/Frank Trommler (Hg.) "Weimars Transatlantischer Mäzen: Die Lincoln-Stiftung 1927 bis 1934", Essen 2007; StaH, 622-1/17 Familie Buehl, 218-9 Lfd. Nr. 1, S. 177–181; Mann, Thomas: Tagebücher 1933–1934, 1935–1936; ders. Briefe an Erika Mann; Philosophische Warte, Ges. für Wirklichkeitsphilosophie, Hamburg; in Privatbesitz: Amalthea-Verlag, Briefe und Verlagsprospekte, Briefe anderer Verlage; Briefe an Hellmund, Erinnerungen, persönliche Gutachten und Rezensionen von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens über Hellmund und sein Werk; Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart; Briefe und Verlagsprospekte anderer Verlage; diverse Zeitungen, Zeitschriften und Periodika: Rezensionen von Journalisten und Wissenschaftlern über Hellmund und sein Werk; Eggers, Maria, Erinnerungen, Briefe der (früheren) Verwalterin des Nachlasses von Hellmund, an diverse Personen; Hamburg-Altonaer Buchhändlerverein, Vortragsankündigungen, Unterlagen, Dokumente; Schopenhauer-Gesellschaft Altona, Vortragsankündigungen, Unterlagen, Dokumente; Volkshochschule Hamburg, Vortragsankündigungen, Unterlagen, Dokumente; "Le Matin", Paris, Dezember 1937; "Pariser Tageszeitung", Jg. 2, Dez. 1937, Nrn 550, 551, 552, 553, 556; Schwedische Zeitungen (Stockholm und Uppsala), 1937.

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