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Betty Baruch (geborene Kleve) * 1892

Gefionstraße 11 (Altona, Altona-Nord)


HIER WOHNTE
BETTY BARUCH
GEB. KLEVE
JG. 1892
DEPORTIERT 1941
RIGA
ERMORDET

Betty Baruch, geb. Kleve, geb. am 3.9.1892, deportiert am 6.12.1941 nach Riga, ermordet

Gefionstraße 11

"Ausgeschieden den 6. Dez. 1941 durch Abwanderung". Der Vermerk auf der Kultussteuerkarte des unter Gestapo-Aufsicht stehenden Jüdischen Religionsverbandes in Hamburg verschleierte eine Zwangsdeportation: Betty Baruch wurde an diesem Tag von Hamburg nach Riga transportiert. Mit der Berufsangabe "Putzfrau" wurde sie unter der Nummer 22 in der insgesamt 964 Namen umfassenden Deportationsliste geführt.

Geboren wurde sie am 3. September 1892 in Hamburg als Tochter des Kaufmanns Joseph Salomon Kleve und seiner Ehefrau Amalie Kleve, geborene Cohn; beide waren jüdischen Glaubens. Die Familie wohnte in Hamburg in der Spaldingstraße 61.

Am 30. November 1919 heiratete Betty Kleve in der Hansestadt den neun Jahre älteren Kaufmann Salomon Siegfried Baruch, geboren am 11. März 1883 im schleswig-holsteinischen Segeberg. Sein Vater war der 1898 verstorbene Religionslehrer Samuel Levien Baruch, seine Mutter hieß Clara Baruch, geborene Lindenburg. Auch Siegfried Baruch war Jude.

Am 8. September 1920 brachte Betty Baruch in Altona die Tochter Alice, das einzige Kind des Ehepaares, zur Welt. Die Familie wohnte am Schulterblatt 35. 1930 zog sie in den zweiten Stock des Hauses Gefionstraße 11, einem Mietshaus der SAGA (Gemeinnützige Siedlungs-Aktiengesellschaft Altona), wo Betty Baruch die Familie als Hausfrau versorgte.

Nach Angaben der Behörde des Oberfinanzpräsidenten trennten sich die Eheleute Anfang der 1930er Jahre. Während Siegfried Baruch nach Berlin zog, blieb seine Frau mit der Tochter in Altona; 1937 zogen sie in eine Wohnung im vierten Stock der Nachtigallenstraße 2 (heute Lerchenstraße, nördlich der Stresemannstraße). Nach der Trennung war Betty Baruch zunächst erwerbslos, später arbeitete sie als Putzfrau. Anfang 1938 wurde auf ihrer Kultussteuerkarte vermerkt: "mittellos".

Ihre Tochter Alice hatte seit 1927 die Israelitische Töchterschule an der Karolinenstraße besucht, musste die Schulbildung jedoch 1936 ohne Abschluss abbrechen. Sie ging bei der Firma Bachrach & Loeb in Hamburg in die Lehre, um Privatsekretärin zu werden, konnte die Ausbildung aber nicht beenden, da die jüdischen Inhaber auswanderten und die Firma zuvor liquidierten. Nebenbei hatte sie die staatliche Handelsschule besucht, die sie ebenfalls nicht beenden konnte. Von Juli bis Ende September 1938 arbeitete sie als Sprechstundenhilfe bei einem Arzt, anschließend bis Ende des Jahres als Verkäuferin. Im Februar und März 1939 fand sie kurzfristig Anstellung als Haushaltshilfe. Schließlich gelang Alice Baruch 1939 im Alter von 18 Jahren die Ausreise nach England. Bis dahin hatte sie bei ihrer Mutter gewohnt. Am 13. Juni 1939 gelangte Alice Baruch mit dem Dampfer "SS Manhattan" von Hamburg nach Southampton. Ihr Auswanderungsziel waren die USA; dieses Vorhaben musste sie jedoch aufgrund des Kriegsbeginns im September 1939 aufgeben.

Ihre Mutter Betty Baruch erhielt im Februar 1939 einen Geldbetrag aus einer Erbschaft der Familie ihres Ehemannes und aus dem Erlös einer Hypothek in Segeberg. Von einer "Sicherungsanordnung" bzw. Sperrung ihres Bankkontos sah die Behörde des Oberfinanzpräsidenten in Hamburg dennoch ab; ihr Vermögen galt als zu gering.

Nach Angaben ihrer Tochter wurde Betty Baruch am 19. September 1941 in ein "Judenhaus" zwangseinquartiert. Auf eine Anfrage des Amtes für Wiedergutmachung hin ermittelte die lokale Polizeibehörde nach dem Krieg: "Nach Aussagen der jetzigen Wohnungsinhaberin Katharina Lehnemann, […] wohnhaft Hamburg-Altona, Lerchenstr. 115 IV (früher Nachtigallenstr. 2, IV) ist Frau Baruch etwa Mitte Dezember 1941 aus der Wohnung ausgezogen und mit Gepäck in einem Transport, dessen Ziel unbekannt war, fortgefahren […] Der Vater der Frau Baruch, Josef Kleve, soll ihres Wissens in einem Jüdischen Stift in Altona untergebracht worden sein." Nachforschungen bei der Meldestelle ergaben, dass Joseph Kleve am 4. September 1941 nach Hamburg ziehen musste und im Laufgraben 37 in einem der sogenannten Judenhäuser, dem ehemaligen jüdischen Mädchenwaisenhaus Paulinenstift, gewohnt hatte.

Betty Baruch wurde am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert, der Hauptstadt des besetzten Lettland. Sie kam ins nahe gelegene KZ Jungfernhof, ein behelfsmäßiges Außenlager des Gettos Riga zur vorübergehenden Unterbringung von Juden. Mehrere tausend Menschen hausten in den teils baufälligen, meist unbeheizbaren Scheunen, Baracken und Viehställen des ehemaligen Gutshofes. Viele starben im Winter 1941/42 an Hunger, Typhus und anderen Krankheiten und an der Kälte. Im März 1942 wurde das Lager weitgehend aufgelöst. Etwa 1800 Alte, Kranke und Mütter mit Kindern wurden in einem nahe gelegenen Wald erschossen. Auch Betty Baruch kam ums Leben.

Ihr Ehemann Siegfried Baruch wurde am 3. Februar 1943 mit einem Großtransport von 9520 Menschen von Berlin ins Vernichtungslager Auschwitz geschickt.

Die Tochter Alice Baruch, verheiratete Calder, kam im Februar 1949 nach Hamburg und ließ ihre Mutter vor dem Amtsgericht Hamburg-Altona für tot erklären: "Meine Mutter ist als Jüdin im Dezember 1941 nach Riga verschleppt worden, und hat bis zum heutigen Tage niemand wieder etwas von ihr gehört."

Vier Jahre später wanderte sie von England in die USA aus und ließ sich in San Francisco nieder. 1976 bezeugte sie auf Gedenkblättern der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem den Tod ihrer Eltern.

Stand September 2015

© Birgit Gewehr

Quellen: 1; 2 (R 1939/271, FVg 4854 Baruch, Alice); 4; 5; 7; 8; AB Altona und Hamburg; StaH 5221 Jüdische Gemeinden, 992 e 2 Band 3 (Deportationsliste Riga 4.12.1941); StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 43556 (Calder, Alice); StaH 424-111 Amtsgericht Altona, 5819 (Aufgebot zur Todeserklärung Betty Baruch).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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