Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Gustav Hergershausen * 1879

Marienthaler Straße 144 (Hamburg-Mitte, Hamm)


HIER WOHNTE
GUSTAV
HERGERSHAUSEN
JG. 1879
"SCHUTZHAFT" 1938
KZ FUHLSBÜTTEL
SACHSENHAUSEN
ERMORDET 2.12.1938

Gustav Hergershausen, geb. 10.11.1879 Unna, 10.11.1938 KZ Sachsenhausen/Oranienburg, Tod 2.12.1938

Marienthaler Straße 144

Gustav Hergershausen ist eines der Hamburger Todesopfer des Novemberpogroms von 1938. Am 10. November 1938, seinem 59. Geburtstag, wurde er verhaftet und in das KZ Sachsenhausen überführt. Am 25. November 1938 schrieb er an seine Ehefrau Emilie:
"Mein Lieb. Hoffentlich bist Du gesund was [ich] von mir auch sagen kann. Sind die Papiere jetzt sonders in Ordnung, damit Du alsdann alles weitere erledigen kannst? Was hörst Du von den Kindern? Schreibe doch mal an Moz [sein Bruder Moritz?], oder hast Du es schon erledigt? Hast Du Herrn Heckscher heute gesprochen? Bestelle herzliche Grüße an Frau Cohen. Ich erwarte Post von Dir. Dein Gustav. Bleibe gesund und immer noch … (unlesbar)."

Eine Woche später war er tot. Emilie Hergershausen erhielt aus dem Standesamt Oranienburg die Sterbeurkunde ihres Ehemannes mit der Angabe "Angina pectoris" als Todesursache. Über den Verbleib seiner Leiche ist nichts bekannt.

Gustav Hergershausen und Emilie May, geb. am 2.7.1883 in Börsborn in der bayrischen Pfalz, hatten am 17. März 1906 in Köln geheiratet, wo Gustav Hergershausen seinerzeit wohnte. Er stammte wie auch sein zwei Jahre jüngerer Bruders Moritz (s. derselbe) aus Unna in Westfalen. Sein Vater, Leser Hergershausen, gehörte zu einer westfälischen jüdischen Familie von Viehhändlern und Metzern, seine Mutter, Sophie Weinberg, stammte aus dem kleinen Ort Drensteinfurth bei Münster. Nach Gustav und Moritz brachte sie vier weitere Kinder zur Welt, von denen nur die Tochter Johanna, verheiratete Jacobi, das Erwachsenenalter erreichten, die anderen starben als Säuglinge.

Gustav Hergershausen wurde Kaufmann. Er arbeitete sich vom Verkäufer bis zum Abteilungsleiter bei der Rudolf Karstadt AG hoch. Sein Berufsleben war eng mit dem Theodor-Althoff-Karstadt-Konzern verbunden.

Bis zu ihrer Heirat hatte Emilie Hergershausen in Homburg in der Saarpfalz gelebt, wo ihre Mutter Friederika May bis an ihr Lebensende im September 1926 wohnte und ihr Bruder Ludwig als Kaufmann ansässig blieb.

Bevor Familie Hergershausen 1920 in Hamburg sesshaft wurde, war sie mehrfach umgezogen. Das erste Kind, Edith, kam am 6.3.1907 in Erbach-Reiskirchen zur Welt, Kurt, der einzige Sohn, wurde vier Jahre später, am 24.5.1911, in Gladbeck geboren. Von 1912 bis 1920 arbeitete Gustav Hergershausen für den Theodor-Althoff-Konzern in Essen. Dort besuchte Edith ab 1913 die Israelitische Volksschule, von der sie 1917 auf die Victoriaschule, eine Schule für "Höhere Töchter", wechselte.

Nach der Fusion des Theodor-Althoff-Konzerns mit der Rudolph-Karstadt A.G. im Jahr 1920 zog Gustav Hergershausen mit seiner Familie nach Hamburg in eine Mietswohnung in der Marienthaler Straße 144 in Hamburg-Hamm. Edith beendete ihren Schulbesuch mit der Untersekunda auf einem Lyzeum und wurde Kontoristin. Seit 1930 selbstständiges Mitglied der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg, schloss sie sich dem liberalen Tempelverband an.

Gustav Hergershausen blieb für die Zentralverwaltung, die ihren Sitz in Essen hatte, als Leiter der Expedition von Putzwaren (veraltet für modische Accessoires) tätig und bezog durch die Tiefen und Höhen der 1930er Jahre hindurch ein auskömmliches Einkommen. 1930 wurde er Leiter der Versandabteilung im Haus Karstadt Barmbek. Aus dieser Position heraus wurde er im März 1933 durch die Geschäftsleitung in Person von Franz Fahning (den Hamburgern ein Begriff als Nutznießer des "arisierten" Damenoberbekleidungsgeschäfts Hirschfeld am Neuen Wall) entlassen. Zur gleichen Zeit beendete Sohn Kurt seine Tätigkeit als Handlungsgehilfe und zog weg.

Am 29. Juli 1935 trat Gustav Hergershausen in die Deutsch-Israelitische Gemeinde in Hamburg ein. Bereits ein Jahr zuvor, am 19. Juni 1934, war sein Bruder Moritz Mitglied geworden. Moritz war schwer verwundet aus dem Ersten Weltkrieg zurück gekehrt, ausgezeichnet mit dem Eiserner Kreuz I. Klasse, aber nur bedingt erwerbsfähig. Außer seiner Kriegsrente hatte er ein geringes Einkommen als landwirtschaftlicher Arbeiter. Die beiden Brüder lebten räumlich getrennt, Moritz auf St. Pauli, Gustav im bürgerlichen Hamm, bis sie beide ins Grindelviertel zogen.

Vom ersten Tag seiner Erwerbslosigkeit an bis zu dem Tag, an dem er sich selbstständig machte, erhielt Gustav Hergershausen Arbeitslosenunterstützung. Am 25. August 1933 meldete er ein Gewerbe als Vertreter an, das er von seiner Wohnung aus führte. In den Jahren 1934 bis 1938 lag sein zu versteuerndes Jahreseinkommen im Mittel etwas über 2000 RM. Damit gehörte er zur Zielgruppe der im Novemberpogrom zu verhaftenden Männer, die so unter Druck gesetzt werden sollten, unter Preisgabe ihres Vermögens auszuwandern.

Im Oktober 1935 hatten Gustav und Emilie Hergershausen die Wohnung in Hamm aufgegeben und waren in die Grindelallee 116 gezogen. Tochter Edith Hergershausen, die eine Anstellung bei Yankee Polish & Co. hatte, emigrierte am 19. September 1938 in die USA.

Nach dem Tod ihres Ehemannes am 2. Dezember 1938 betrieb Emilie Hergershausen ihre Auswanderung nach New York zu ihren Kindern intensiv. Wie schon beim Umzug in die Grindelallee 116, veräußerte sie Teile des Hausstands unter Preis. Am 18. April 1939 verließ sie Hamburg auf der S.S. Manhattan mit Ziel New York. Sie zog später mit ihrer inzwischen verheirateten Tochter nach Santa Barbara in Kalifornien. Dort starb sie am 15. Dezember 1981 im Alter von 98 Jahren.

Moritz Hergershausen wurde am 19.7.1942 nach Theresienstadt deportiert und zwei Jahre später, am 6.10.1944, weiter nach Auschwitz, wo sich seine Spur verliert.

Stand: Februar 2020
© Hildegard Thevs

Quellen: 1; 4; 5 digital; StAHH 351-11, Wiedergutmachung 4295, 6372, 31819, 36960; 522-1 388 Mitgliederkartei 1928; 390 Wählerverzeichnis; 391 Mitgliederverzeichnis 1935/36; Das Jüdische Echo, München 1932; Sterberegister Homburg 1926, Nr. 176, Oranienburg 1938, Nr. 424; Stadtarchiv Unna, Personenstandsregister; http://www.ns-gedenkstaetten.de/fileadmin/files/ds_geschichte_der_juden.pdf.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang