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Bereits verlegte Stolpersteine



Moritz Kayser * 1882

Harvestehuder Weg 114 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
MORITZ KAYSER
JG. 1882
FLUCHT 1936 HOLLAND
VERHAFTET 1940
1941 ZUCHTHAUS
HH-FUHLSBÜTTEL
DEPORTIERT 1942
AUSCHWITZ
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Harvestehuder Weg 114:
Anna Kayser

Moritz Kayser, geb. 01.08.1882 in Lehe, ermordet am 13.01.1943 in Auschwitz
Anna Kayser, geb. Josephs, geb. am 12.04.1883 in Jever/Ostfriesland, ermordet am 07.07.1944 in Auschwitz

Moritz Kayser kam am 01.08.1882 in Lehe als Sohn von Heinrich und Jeanette Kayser, geb. Cohen, zur Welt. Nach dem Besuch der Volksschule und dem Abschluss der Realschule Geestemünde wurde Moritz Kayser als Bankkaufmann ausgebildet. Mit 24 Jahren trat er 1906 als Teilhaber in die väterliche Firma Kayser Im-und Export (Sitz in Bremerhaven) ein.

Er lernte Anna Josephs kennen, die beiden heirateten am 21.10.1906. Aus dem Ehepaar Kayser wurde am 14.09.1907 die Familie Kayser: die Tochter Ruth wurde geboren. Ein weiteres Kind, ein Sohn, starb.

In seinem Lebenslauf schilderte Moritz Kayser die Gründung einer Filiale des Bremerhavener Betriebes im Jahre 1914 in Hamburg. Die Familie wohnte etwa seit 1924 (ein genaues Datum ist nicht bekannt) im Harvestehuder Weg 114.

Während des 1. Weltkrieges war Moritz Kayser im Nachrichtendienst des Großen Generalstabs beschäftigt. Er lieferte lebens-und kriegswichtige Waren aus dem neutralen Ausland sowie auch wichtige Nachrichten. Schon ab dem Jahr 1910 hatte sich Moritz Kayser mit Handelsschifffahrt beschäftigt und schließlich eine kleine Reederei aufgebaut. Er kaufte in England als erster Reeder nach dem Krieg fünf größere Dampfer zum Wiederaufbau der Deutschen Flotte. Seine Forderung an das Deutsche Reich aus dem Weiterverkauf dieser Schiffe wurde jedoch nicht beglichen (Zitat aus dem Lebenslauf: "Ich hatte im Jahre 1923/24 für die abgelieferten Schiffe noch eine Goldmarkforderung von etwa 2 Millionen, die ich infolge Entwertung des Kapitals der "Schiffbau Treuhandbank" nicht erhalten konnte. Dadurch war ich gezwungen, meine Schiffe zu verkaufen und musste durch die Nichtzahlung seitens des damaligen Reiches von vorn beginnen.").Seinen Lebenslauf setzte Moritz Kayser mit dem Jahr 1936 fort. Er entschloss sich, nach Holland auszuwandern mit Hinweis auf die im Jahre 1936 einsetzenden Schwierigkeiten für jüdische Kaufleute.

Im Oktober 1936 verließ also die Familie Deutschland in Richtung Holland, der Wohnort war nun Amsterdam, Honthorststraat 30.

Moritz Kayser kam nicht mehr nach Hamburg zurück. Er führte die Hamburger Geschäfte noch kurzzeitig aus Holland weiter, seine Mitarbeiterin in Hamburg wurde von ihm telefonisch instruiert. Vermutlich hatte er den Verdacht, dass gegen ihn ermittelt wurde. Informationen hierzu finden sich in dem Bericht einer Devisenprüfung vom 24.11.1936. Diese Prüfung war im Zusammenhang mit weiteren Devisenprüfungen bei mehreren anderen Kaufleuten veranlasst worden, und zwar wurden "Devisenschiebereien" in erheblichem Umfang vermutet, an denen Moritz Kayser maßgeblich beteiligt gewesen sein sollte. Ihm wurde vorgeworfen, über seine Firma für ca. 500.000 RM Exporte durchgeführt zu haben, ohne dass eine entsprechende Bezahlung aus dem Ausland eingegangen sei.

Die Zollfahndungsstelle unter Leitung von Zollrat Hackbarth erstattete am 03.12.1936 Strafanzeige gegen Moritz Kayser und weitere Personen und Firmen und am 11.12. 1936 bei der Oberstaatsanwaltschaft Hamburg einen Antrag auf Arrestverfügung.

Die Ermittlungsakten wurden im Mai 1937 von der Zollfahndung an den Oberstaatsanwalt weiter geleitet. In dem Begleitschreiben des Herrn Hackbarth fanden wir zahlreiche typisch antisemitische Aussagen: z.B. wurde hervorgehoben "Durch umfassende Fahndungstätigkeit ist ein Einbruch in eine geschlossener jüdische Front gelungen" oder "Das mangelnde Verantwortungsbewusstsein dieser Herstellerfirmen hat den jüdischen Schiebern erst die Tatgelegenheit gegeben" und noch weiteres.

Im ersten Schritt wurde Moritz Kayser die Lieferung und Versendung von Waren jeder Art in das Ausland untersagt. Angeblich wurde das Verbot nicht beachtet. Deswegen erging am 27.01.1937 das Verbot jeglicher Verfügung über Vermögenswerte aller Art. Vermutlich hat ihn dieses schriftliche Verbot wegen des Auslandaufenthaltes nicht erreicht.

Die zusammengetragenen "Fakten" führten am 07.07.1937 zur Eröffnung eines komplexen Gerichtsverfahrens wegen Devisenvergehens, bei dem es am 13.01.1938 zur Verurteilung mehrerer Personen nach Devisengesetz von 1935 kam.

Dem Landgericht war bekannt, dass sich Moritz Kayser in Holland aufhielt. Er wurde deshalb durch den nichtjüdischen Rechtsanwalt Dr. H. Brunk , Hamburg, vertreten.

Den in dem Schlussvortrag dargelegten Argumenten des Verteidigers folgte das Gericht nicht.
Moritz Kayser wurde in Abwesenheit (als "flüchtig") zu 10 Jahren Zuchthaus und einer Geldstrafe in Höhe von 500.000 RM verurteilt. Eine Überarbeitung des Urteils führte am 26.06.1940 zum endgültigen Strafmaß von 5 Jahren Zuchthaus, 5 Jahren Ehrverlust und zu einer Geldstrafe von ca. 230.000 RM.

Am 08.10.1940 erging ein Haftbefehl gegen Moritz Kayser, der am 26.10.1940 in Holland vollstreckt wurde. Das Devisenschutzkommando Holland überstellte ihn am 02.11.1940 in das Gefängnis Kleve, wo man ihm am 18.11.1940 den Haftbefehl verkündete.

Von dort aus wurde er am 27.05.1941 in das Untersuchungsgefängnis HH-Stadt gebracht. Die weitere Haftzeit verbüßte Moritz Kayser ab dem 05.08.1941 im Zuchthaus HH-Fuhlsbüttel. Als Häftling Z500/41 "bezog" er die Zelle 117. Es gab die vorgeschriebene Aufnahmeuntersuchung, bei der sein Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit festgestellt wurden: Moritz Kayser wurde als "Nicht -moorfähig, -außenarbeitsfähig und -kommandofähig" eingestuft. Da aber die Arbeitstauglichkeit innerhalb des Zuchthauses gegeben war, bekam er eine Arbeit in der Buchbinderei als "Tütenkleber" zugewiesen.

Er stellte 1941 ein Gnadengesuch und bot eine Vergleichszahlung an. Einzelne Abteilungen der Zuchthausverwaltung beurteilten das Gnadengesuch. So befand der Werkbeamte, dass Moritz Kayser im Anbetracht seines Alters gute Arbeit ablieferte. Über ihn wird berichtet, dass er "für einen Juden ein recht offenes Wesen habe". Am Ende des Beurteilungsbogens findet sich lapidar der Vermerk: "Ist Jude" durch den letzten Beurteiler. Zusammenfassend wird die Befürwortung des Gesuches abgelehnt. Zitat aus dem Schreiben an den Oberstaatsanwalt: "Das Auftreten ist diszipliniert, aber glatt und jüdisch…. Ich befürworte das Gesuch nicht."
Das Landgericht Hamburg, Strafkammer 4, lehnt den Antrag ab.

Moritz Kayser konnte mit seinem Anwalt und seiner Firma in Holland korrespondieren und hatte auch einmal Besuch von seinem Schwager Bernhard Weinberg. Dieser hatte ab 13.05.1942 die Genehmigung, ohne weitere Anträge alle vier Monate zu Besuch zu kommen. Dazu kam es nicht mehr. Bernhard Weinberg wurde zusammen mit seiner Frau Friederike, Moritz Kaysers Schwester, am 15.07.1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert.

Über die letzten Lebenswochen von Moritz Kayser gibt es zwei Versionen:
Im Gedenkbuch des Bundesarchives in Koblenz ist als Deportationsdatum der 09.10.1942 und als Todesdatum der 31.12.1942 vermerkt.

Eine weitere Version findet sich in der Datenbank der Gedenkstätte Yad Vashem und deckt sich mit den folgenden Daten aus der Gefängnisakte Fuhlsbüttel:
Auf dem Aktendeckel der Gefängnisakte aus Fuhlsbüttel findet sich der Hinweis:
10.12.1942 i. d. KZ Auschwitz verlegt;
"Mit der Abgabe an die Polizei gilt die Strafe als unterbrochen!"
(Erledigung der Vfg. d. RJM v. 22.10.1942 –Iva-1665/42g)

Diese Maßnahme wurde aufgrund einer Anordnung des NS Regimes vom Oktober/ November 1942 durchgeführt. Es ging darum, die Zuchthäuser und Gefängnisse des Deutschen Reiches "judenfrei" zu machen durch Verlegung nach Auschwitz.

Moritz Kaysers Leben endete 60 jährig am Mittwoch, den 13.01.1943.

Anna Kayser kam am 12.04.1883 in Jever/Ostfriesland zur Welt. Ihre Eltern waren Nathan David Josephs (1840 – 1923 Jever) und Rosalie Josephs, geb. Sternfeld (1847 Lemgo – 10.10.1939 Amsterdam). Anna, die auch "Enne" genannt wurde, hatte 3 Geschwister.

Die Josephs gehörten zu den ersten Familien in Jever, die Familie war sehr weit verzweigt. Den Lebensunterhalt verdienten sie mit Viehhandel und Schlachterei. Anna hat vermutlich die jeversche Stadtmädchenschule besucht.

Sie lernte Moritz Kayser kennen, die beiden heirateten am 21.10.1906. Die einzige Tochter Ruth wurde am 14.09.1907 in Bremerhaven geboren. Gemeinsam mit Mann und Tochter ging Anna nach Hamburg, wo sie im Harvestehuder Weg 114 wohnten. Im Oktober 1936 verließ sie mit ihrem Mann Deutschland mit dem Ziel Amsterdam, Holland. Ihre Tochter Ruth und der Schwiegersohn Walter Rosenberg folgten den Eltern im Dezember 1936 ebenfalls nach Amsterdam. Die Familien lebten von den Einkünften aus der gemeinsamen Firma, die der Schwiegervater zusammen mit dem Schwiegersohn gegründet hatte.

Annas Mutter Rosalie Josephs übersiedelte nach dem Tod ihres Mannes Nathan David im Dezember 1938 zu ihrer Tochter in Amsterdam. So schilderte es Anna Kayser in einem Brief an ihre frühere Vermieterin der Wohnung Harvestehuder Weg 114. Sie teilte ihr ihre Freude mit, dass sich die kleine Enkelin prächtig entwickelte. Damit war die kleine Evelyn Jeanette Rosenberg gemeint, geboren am 16.09.1938, also die Urenkelin von Rosalie Josephs.

Die finanziellen Verhältnisse in Amsterdam standen nicht zum Besten. Anna Kayser vermietete Zimmer, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.

Im Verlauf der Ermittlungsvorgänge gegen Moritz Kayser war auch Anna Kayser in das Visier der Fahnder gekommen. Es kam aber zu keiner Anklage.
Über das weitere Leben in Amsterdam ist nicht viel bekannt.

Am 20.06.1943 wurde Anna Kayser in das KZ-Sammellager Westerbork deportiert. Zu diesem Zeitpunkt war ihr Ehemann Moritz Kayser bereits 5 Monate tot. Von Westerbork wurde sie am 25.02.1944 weiter in das Ghetto Theresienstadt deportiert und nach 3 Monaten, am 16.05.1944, in das Vernichtungslager Auschwitz. Denselben Weg in die Vernichtung nahmen auch Ihre Tochter, der Schwiegersohn und die Enkelin.

Dort wurde sie am 07.07.1944 ermordet, zusammen mit Tochter Ruth und Enkelin Evelyn. Für Walter Rosenberg ist kein Todesdatum bekannt, es gibt nur eine ‚Für-Tod-Erklärung’ vom 28.02.1945.

© Heidi Kahlke und Christina Igla

Quellen: Staatsarchiv HH: AfW 351-11 5929, 1567 + 6642, OFP (Devisen-und Vermögensverwertungsstelle 314-15, F1279 + Str294 (Band 1–5) Gefängnisverwaltung 252-1 II, St226, Ablage 10; Handschriftlicher Lebenslauf aus den Akten der Gefängnisverwaltung Meldewesen 332-8, A51/1 verfilmte Hauskartei 2430/2444; Kultussteuerkartei Nr. 4517 Moritz Kayser, Nr. 24099 Bernhard Weinberg, Nr. 6243 Walter Rosenberg; Gedenkstätte Yad Vashem, Frank Bajohr, "Arisierung" in Hamburg, Seiten 208–216; Brief vom 18.02.2011 von Herrn Hartmut Peters, c/o Mariengymnasium, Terrasse 3, 25441 Jever; www.stolpersteine-hamburg.de (Biographie Bernhard und Friederike Weinberg; geschrieben von Beate Meyer); www.bundesarchiv.de.

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