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Johannes Hild * 1891

Weidenallee 65 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


Verhaftet 1937 Polizeiwache 10
Flucht in den Tod 07.12.1937

Johannes Hild, geb. am 26.10.1891 in Hersfeld, Selbstmord am 7.12.1937 in Hamburg

Weidenallee 65

Seine Vorliebe für Männer in Militäruniform ist dem Schiffselektriker Johannes Hild, der am 26.10.1891 in Hersfeld zur Welt kam, am Nikolaustag 1937 zum Verhängnis geworden.

An diesem Tag ging ein im damaligen Polizeijargon "vertrauliche Mitteilung" genanntes Denunziationsschreiben bei der Hamburger Kripo ein, das Johannes Hilds homosexuelle Betätigung in "militärischen Kreisen" und seine Vorliebe für "große, stattliche Erscheinungen" beschrieb, "dessen Dienstgrad nicht der unter eines Unteroffiziers sein durfte". Als ein von ihm frequentierter Treffpunkt wurde ein "Kaffee Sternschanze" angeführt, wo er auch "durch sein Benehmen" aufgefallen sei, "welches ihn äusserlich als einen Homosexuellen" gekennzeichnet habe.

Einen Tag später, am 7. Dezember 1937, wurde er gegen 18.30 Uhr wegen Verdachts der "widernatürlichen Unzucht" festgenommen und nach Abnahme seiner Privatsachen in die Polizeiwache 10 gebracht. Unmittelbar nach seiner Inhaftierung erhängte sich Johannes Hild in der Zelle am Großneumarkt 16.

Was war geschehen? Johannes Hild, der sich "Charly" nannte, lernte im Oktober 1937 den SS-Rottenführer Karl Lamp, Jahrgang 1916, in einem Lokal kennen. Er bot ihm an, für den Fall, dass dieser einmal finanziell in Not geraten sollte, Geld leihen zu wollen. Von diesem Angebot machte Karl Lamp kurz darauf in Höhe von 20 RM Gebrauch. Karl Lamp gab später zu Protokoll, dass er Johannes Hild nach ein paar Tagen in dessen Wohnung in der Weidenallee aufsuchte, um ihm die Hälfte des geliehenen Betrages zurückzuzahlen. Johannes Hild lud ihn daraufhin auf ein Glas Wein ein, im Laufe des Abends kam es zwischen den beiden zu sexuellen Handlungen.

Nach dem Suizid von Johannes Hild wurde dessen Wohnung von Beamten durchsucht. Dabei fanden sie "eine ganz erhebliche Anzahl von Fotos und Anschriften von Personen". Weiter heißt es im Polizeibericht: "... es muss angenommen werden, dass Hild mit diesen Personen widernatürliche Unzucht getrieben hat. Nach dem Stand der Ermittlungen hat Hild seine Bekanntschaften in Lokalen gemacht. Z. T. hat er diesen Geld geliehen. Soweit es sich um Zivilpersonen handelt, werden die Ermittlungen von hier aus durchgeführt." Anhand der beschlagnahmten Unterlagen geriet auch der oben bereits erwähnte SS-Rottenführer Karl Lamp in die Fänge der Sittenwächter. Sie wurden durch eine Quittung über 20 RM auf ihn aufmerksam und nahmen die Ermittlungen auf.

Das Verfahren gegen Karl Lamp wurde am 10. August 1938 vom Amtsgericht Hamburg, Abteilung 131, eingestellt. Einerseits werteten die Richter es als strafverschärfend, dass er als SS-Mann mit Johannes Hild Sex in seiner Uniform ausübte. Andererseits hielten sie ihm zugute, dass er erst kurz vor der "Tat" sein 21. Lebensjahr vollendet hatte und in vollem Umfang geständig war. Karl Lamp wurde sofort nach Bekanntwerden des Vorgangs aus der SS ausgeschlossen.

Da sich der letzte frei gewählte Wohnsitz von Johannes Hild in der Weidenallee 65 befand, erinnert dort auch ein Stolperstein an sein Schicksal. In die Messingplatte des Steins wurde der Text "Flucht in den Tod" eingraviert.

© Bernhard Rosenkranz(†) / Ulf Bollmann

Quellen: StaH 352-5 Gesundheitsbehörde – Todesbescheinigungen, 1937 Standesamt 2 Nr. 378; 332-5 Standesämter, 1069 (Eintrag Nr. 378); 213-11 Staats­an­waltschaft Landgericht – Strafsachen, 8451/38; Rosenkranz/Bollmann/Lorenz, Homosexuellen-Verfolgung, S. 218.

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