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Hugo Ludwig * 1907

Blücherstraße 8/10 (Altona, Altona-Altstadt)


HIER WOHNTE
HUGO LUDWIG
JG. 1907
MEHRMALS VERHAFTET
1941 KZ FUHLSBÜTTTEL
LAGER NEUSUSTRUM
ERMORDET 6.12.1942

Hugo Paul Ludwig, geb. am 16.7.1907 in Neumünster, gestorben am 6.12.1942 im Emslandlager V Neusustrum

Blücherstraße 8/10

Hugo Ludwig kam 1907 im schleswig-holsteinischen Neumünster als drittes von vier Kindern des Maschinenbauers Hugo Ludwig und dessen Ehefrau Franziska, geb. Husfeld, zur Welt. Um 1920 wurde die Ehe der Eltern geschieden. Der Vater lebte bis zu seinem Tod 1940 im Alter von 73 Jahren in Rendsburg, die gut 15 Jahre jüngere Mutter wohnte in Kiel. Zu seinen Geschwistern hatte Hugo Ludwig in späteren Jahren keinen Kontakt mehr, jedoch weiterhin zu seiner Mutter. Er besuchte bis ungefähr 1922 in Neumünster die Volks- und Mittelschule und musste dabei eine Klasse wiederholen. Von 1923 bis 1926 absolvierte er in seiner Geburtsstadt eine Kaufmannslehre und besuchte danach noch ein halbes Jahr lang eine Handelsschule. Im Anschluss daran fand er in Kiel für ein Jahr eine Anstellung als Verkäufer, die er wegen eines Geschäftskonkurses verlor. Nach einer vorübergehenden Beschäftigung als Aushilfe und einer Zeit der Arbeitslosigkeit begab sich Hugo Ludwig 1933 auf Wanderschaft, die ihn bis nach Süddeutschland führte. Feste Anstellungen hatte er in dieser Zeit nicht, sondern bestritt seinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten und durch das Erbitten von Almosen. Dabei wurde er in den Städten Garmisch in Bayern und Heidenheim/Brenz und Schorndorf im heutigen Baden-Württemberg von den dortigen Amtsgerichten und Polizeiämtern wegen Bettelns zu geringen Haftstrafen verurteilt. Nach seiner Rückkehr lebte er 1936 ohne festen Wohnsitz in Hamburg und Altona und wurde im selben Jahr zweimal vom Amtsgericht Altona wegen Bettelns verurteilt, nunmehr zu jeweils vier Wochen Haft. Nach der zweiten Strafe wurde ihm eine anschließende zweijährige Unterbringung in einem Arbeitshaus auferlegt. Diese Zeit saß er vom 17. Juli 1936 bis September 1938 in Glückstadt im dortigen Arbeitserziehungslager ab.

Hugo Ludwigs Biographie bietet ein Beispiel dafür, dass im Deutschland der Weimarer Republik und der NS-Zeit ein Mensch auch trotz fundierter Ausbildung einen erheblichen sozialen Abstieg erleiden konnte. Erschwerend zu seiner wirtschaftlichen Notlage, in der NS-Terminologie seinem "asozialen Leben", kam seine homosexuelle Veranlagung hinzu, die er ungefähr seit seinem 20. Lebensjahr auslebte. Als er sich im Oktober 1938 wegen einer Kieferentzündung im Krankenhaus St. Georg behandeln ließ, wurde er von einem Pfleger und letztlich vom Stationsarzt Adolf Meincke bei der Kriminalpolizei als Homosexueller denunziert. Er hatte sich mit männlichen Patienten über das Thema Homosexualität unterhalten und versucht, mit diesen sexuelle Kontakte zu knüpfen. Noch am Tag der Denunziation, dem 10. Oktober 1938, wurde er aus dem Krankenhaus entlassen und von der Polizei verhaftet. Nach ersten Verhören, bei denen er eine zurückliegende gleichgeschlechtliche Handlung aus dem Jahr 1936 im Logierhaus "Klein Concordia" auf St. Pauli zugab, kam er zunächst bis zum 20. Oktober ins KZ Fuhlsbüttel. Danach schloss sich bis zum 17. März 1939 eine Untersuchungshaft an. Kurz zuvor wurde er am 9. März 1939 vom Landgericht Hamburg nach den §§ 175 und 185 (widernatürliche Unzucht und Beleidigung) zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr Gefängnis verurteilt. Diese Strafe verbüßte er im Anschluss an die Untersuchungshaft zunächst im Gefängnis Fuhlsbüttel, ab 25. März 1939 in der außerhalb Hamburgs befindlichen Anstalt Glasmoor bei Glashütte. Nach seiner Haftentlassung im Oktober 1939 vermittelte ihn das Arbeitsamt Hamburg an eine Lokstedter Firma als Erdarbeiter. Am 8. Mai 1940 geriet Hugo Ludwig erneut wegen einer homosexuellen Betätigung in die Fänge der Hamburger Kripo, wurde verhaftet, verhört, vom 11. bis 20. Mai 1940 im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert und anschließend bis zum 20. Juli 1940 ins Untersuchungsgefängnis gesperrt. Sein Prozess fand am 26. Juni 1940 in Hamburg statt, die Strafverfahrensakte wurde jedoch vernichtet. Erneut zu einem Jahr Gefängnis nach § 175 verurteilt, saß er die Strafe in den hamburgischen Gefangenenanstalten Fuhlsbüttel, Glasmoor und Hahnöfersand ab. Am 17. Mai 1941 wurde er entlassen. Seine Freiheit währte nur kurze Zeit, denn am 3. August 1941 wurde er von einem Reichsbahnpolizeibeamten der Kripo zugeführt, weil er sich "zweck- und ziellos" im Wartesaal des Harburger Bahnhofs aufgehalten hatte. Da er zu dieser Zeit wohnungslos war, logierte er in einem Ledigenheim in der Altonaer Blücherstraße 8/10, meldete sich jedoch nicht offiziell an, weil er nach eigener Aussage kein Soldat werden wollte. Die Polizei schenkte dieser Aussage jedoch keinen Glauben und nahm vielmehr an, er habe erneut homosexuelle Handlungen ausgeführt. Wiederum kam er deshalb bis zum 12. August 1941 für das 24. Kriminalkommissariat in "Schutzhaft" ins KZ Fuhlsbüttel. Nach wiederholten Verhören des Kriminalsekretärs Johannes Voigt im Hamburger Stadthaus, in denen er den "Schutzhaftgefangenen" Hugo Ludwig "nochmals ernstlich zur Wahrheit ermahnt und belehrt" hatte, was nach Berichten von Überlebenden dieser Zeit auch mit körperlichen Misshandlungen gleichgesetzt werden konnte, gab dieser gleichgeschlechtliche Handlungen mit Unbekannten in Bedürfnisanstalten auf St. Pauli und in den Grünanlagen beim Bismarckdenkmal zu. Erschwerend zu seiner Situation als mehrfach vorbestrafter Wiederholungstäter wirkte sich ein stereotyp verfasstes gerichtsärztliches Gutachten des Medizinalrats Rolf Schwarke aus, das bei der Gerichtsverhandlung am 26. November 1941 herangezogen wurde. Dessen Beurteilung kam für einen Homosexuellen in der NS-Zeit einem Todesurteil gleich:

"Bei der völlig haltlosen, willensschwachen und degenerierten Persönlichkeit, bei welcher die homosexuellen Triebe sehr fest verwurzelt sind, ist eine Zügelung dieser und eine Umkehr nicht zu erwarten. Der Beschuldigte wird nach jeder Strafverbüßung genau so schnell rückfällig werden, wie er es bereits nach den andern Strafen geworden ist. Sicherungsmaßnahmen werden vom ärztlichen Standpunkt aus durchaus befürwortet. Da der Beschuldigte die freiwillige Entmannung noch ablehnt, ist die Sicherungsverwahrung am Platze."

So verwundert es nicht, dass Hugo Ludwig vom Landgericht Hamburg nach § 175 RStGB als "gefährlicher Gewohnheitsverbrecher" nunmehr zu einem Jahr und neun Monaten Zuchthaus verurteilt wurde. Vom Hamburger Untersuchungsgefängnis aus wurde er am 16. Januar 1942 auf den Weg in das Gefangenenlager Rodgau Lager II – Rollwald – in Nieder-Roden im Kreis Dieburg in Hessen gebracht, wo er am 22. Januar 1942 eintraf. Schon am 16. Februar 1942 wurde seine Überstellung in das Strafgefangenenlager III Brual-Rhede im Emsland aktenkundig. Die ständigen Transporte innerhalb von Konzentrationslagern und Gefangenenanstalten gehörten zum System der Destabilisierung und Demoralisierung von Gefangenen, dem auch Hugo Ludwig ausgeliefert war. Schon am 18. März 1942 wurde er in ein weiteres Emslandlager, das Strafgefangenenlager V Neusustrum, überstellt, der letzten Station im von Gefängnisaufenthalten geprägten Leben des Hugo Ludwig. Am 6. Dezember 1942 starb er dort um 17.15 Uhr im Alter von 35 Jahren.

Stand September 2015

© Bernhard Rosenkranz (†) / Ulf Bollmann

Quellen: StaH, StaH, 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Ablieferung 2, 451 a E 1, 1 b, Ablieferung 2, 451 a E 1, 1 c und Ablieferung 2, 451 a E 1, 1 e; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 2322/39 und 925/42; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, 20843 sowie Ablieferungen 13 und 1998/1; StaH 331-1 II Polizeibehörde II, Ablieferung 15, Band 1, Rosenkranz/Bollmann/Lorenz: Homosexuellen-Verfolgung in Hamburg, S. 233.

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