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Dr. Max Meyer * 1890

Osdorfer Weg 68 (Altona, Bahrenfeld)

Haft 1935 - 1941
tot 18.6.1958 an den Haftfolgen (1935-1941)

Dr. Max Meyer, geb. 13.11.1890, 1935 bis 1941 Haft in den Zuchthäusern Hamburg-Fuhlsbüttel und Bremen-Oslebshausen, gestorben an den Haftfolgen am 18.6.1958

Max Meyer wurde in Magdeburg geboren als einziges Kind von Moritz Meyer, genannt Max, und Rosa Meyer, geborene Rosenbaum. Er wuchs in großbürgerlichen Verhältnissen in Berlin auf. Sein Vater, der aus der Familie eines jüdischen Sägemühlenbesitzers in Paderborn stammte, war Reichsbahnoberbaurat in Berlin. Seine Mutter kam aus einer wohlhabenden jüdischen Familie in England. Die Familie konvertierte zum evangelischen Glauben.

Max Meyer studierte Medizin in Königsberg, Göttingen und Hamburg. Im Ersten Weltkrieg wurde er als Arzt auf dem Balkan eingesetzt und mit dem Eisernen Kreuz Erster Klasse ausgezeichnet. Im letzten Kriegsjahr heiratete er Alma Schadow, sie war nichtjüdischer Herkunft. Das Ehepaar lebte in Altona. Ein Jahr später wurde die Tochter Hannelore geboren. Auch die Eltern waren nach Altona gezogen, sein Vater hatte eine leitende Stelle am Altonaer Bahnhof inne. Max Meyer arbeitete als Assistenzarzt am Altonaer Krankenhaus. 1922 wurde er mit einer Praxis am Osdorfer Weg 68 der erste Siedlungsarzt für die gerade neu entstandene Arbeiterwohnsiedlung am Steenkamp in Groß Flottbek. Außerdem betreute er medizinisch das so genannte Fischkistendorf im angrenzenden Lurup, in der sehr arme Familien in selbstgebauten Häuschen lebten. Schon mit 18 Jahren in die SPD eingetreten, war er ein bekannter Sozialdemokrat, der sich sozial engagierte. Als Geburtshelfer brachte er viele Kinder bei den damals üblichen Hausgeburten mit zur Welt. Vor allem bei armen Wöchnerinnen half er auch mit Lebensmitteln aus. Seine Frau ließ sich als Sängerin ausbilden und gab Konzerte. Auch im Lindenkrug in der Steenkampsiedlung sang sie gelegentlich bei Feierlichkeiten, ihr Mann begleitete sie am Klavier.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, bereits am 22. April 1933, wurde den niedergelassenen Ärzten jüdischer Abstammung die Zulassung zu den Krankenkassen entzogen. Meyer fiel zunächst noch unter eine Ausnahmeregelung für Frontkämpfer des Ersten Weltkrieges. Gerade wegen seiner patriotischen Verdienste im Krieg konnte er sich wie viele deutsche Juden nicht vorstellen, dass ihm etwas angetan werden konnte. Doch im Mai 1935 verlor auch er die Krankenkassenzulassung und musste seine Praxis und die Wohnung aufgeben. Die Familie zog in die Wohnung des Vaters in die Horst-Wessel-Allee 29, die heutige Ebertallee 29. Die Mutter war 1935 verstorben. Eine Zeit lang konnte Meyer noch einige Patienten in einer kleinen Privatpraxis in der Emmichstraße, dem heutigen Riemenschneiderweg, versorgen.

Am 13. Dezember 1935 wurde er in seiner Praxis verhaftet. Man legte ihm einen Schwangerschaftsabbruch zur Last. Die nationalsozialistisch gleichgeschaltete Hamburger Ärztekammer versuchte in zahlreichen Fällen, jüdische Ärzte der gewerbsmäßigen Abtreibung, der "Notzucht" oder der "Rassenschande" zu bezichtigen. Im Frühjahr 1938 erhob die Staatsanwaltschaft gegen ihn Anklage in sieben Fällen. Sechzig Patientinnen wurden vernommen, aber keine beschuldigte Max Meyer. Dennoch wurde er mit einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren bestraft. Offenbar wurde seine Untersuchungshaft nicht voll angerechnet. Nach Aussage seiner Frau in einem Wiedergutmachungsverfahren nach dem Krieg stand auf jeder Akte der Vermerk: "Der Angeklagte ist Jude." Er verbrachte insgesamt sechs Jahre in den Zuchthäusern Hamburg-Fuhlsbüttel und Bremen-Oslebshausen. Im Zuchthaus Bremen-Oslebshausen musste er bei größter Kälte, nur mangelhaft bekleidet und im durchnässten Zustand schwere Deicharbeiten durchführen. Auch im Winter waren die Innenräume ungeheizt. Die Ernährung war so schlecht, dass er neunzig Pfund an Gewicht verlor.

Am Tag seiner eigentlich anstehenden Entlassung im August 1941 erfuhr seine Frau, dass Max Meyer wie alle jüdischen Gefangenen damit rechnen musste, direkt aus dem Zuchthaus in ein Konzentrationslager im Osten gebracht zu werden – Stichtag sollte der 8. Oktober 1941 sein. Meyer wurde zunächst in das Gefängnis Hütten in der Hamburger Neustadt eingeliefert. Frau Meyer konnte erreichen, ihn im Auftrag der Polizei per Flug nach München zur Ausreise nach Barcelona bringen zu dürfen. Holländische Billardfreunde aus Groningen, die den passionierten Billardspieler Meyer von internationalen Turnieren kannten, brachten die Reisekosten in Devisen auf. Doch auf dem Münchener Flughafen wurde Max Meyer verhaftet und ins Gestapogefängnis gebracht – Juden durften seit dem Vortag nicht mehr mit dem Flugzeug reisen. Unter persönlicher Haftung seiner nichtjüdischen Ehefrau durfte er nach Berlin weiterfahren. Am Morgen seiner Abreise erklärte man ihm auf dem Polizeipräsidium in Berlin, seine Familie käme in ein Konzentrationslager, sollte er noch einmal deutschen Boden betreten. In letzter Minute gelang ihm die Ausreise mit der Bahn nach Spanien. Seine Tochter erinnerte sich: "Am 8. Oktober fuhr mein Vater vom Bahnhof Alexanderplatz ab. Wir hatten ihn begleitet und warteten noch bis er in den Bahnhof hineingehen würde. Mein Vater ging noch einmal an uns vorbei und flüsterte uns zu: ‚Geht weg, es wimmelt von Gestapo.’" Dieser Zug war offenbar der letzte, der an der Grenze durchgelassen wurde.

In Spanien lebte Max Meyer bei einem befreundeten jüdischen Kinderarzt. Dann wanderte er nach Lissabon aus. Von dort gelang ihm die Ausreise nach Kuba, in der Hoffnung, weiter in die USA emigrieren zu können.

"Lisboa 14.3.1942.
Alma und Hanne!
Dies ist nach menschlicher Voraussicht mein Abschiedsbrief von Europa. So Gott will, werden wir übermorgen, am 16.3., mit der Guinee, einem portugiesischen 5000Tonner, in See stechen über Cadiz, Casablanca, Bermudas nach Cuba. (…) Und nun soll der Abschied kommen … Ob Ihr Wochen oder Monate nichts von mir hört, darf in keiner Weise euer Gleichgewicht erschüttern. Die Verhältnisse sind nun mal stärker als wir."

Es gelang der Familie, brieflich im Kontakt zu bleiben. Max Meyer war in Kuba als "feindlicher Ausländer" vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen und lebte mittellos, zudem litt er unter dem subtropischen Klima.

Erst am 3. Mai 1948 konnte er nach Hamburg zurückkehren. Seine Frau und Tochter waren ausgebombt worden und hatten den Krieg unter Entbehrungen in einer kleinen Dachwohnung am Hohenzollernring überlebt. Die Familie zog im Oktober 1948 wieder in den Osdorfer Weg 68. Max Meyer erhielt seine Approbation zurück und viele seiner alten Patienten suchten ihn wieder auf. Doch ein Jahr später wurde er krank und blieb es bis zu seinem Tod. Gutachten des Krankenhauses Altona und des Universitätskrankenhauses Eppendorf bescheinigten ihm, dass er wegen seiner Leiden infolge der nationalsozialistischen Verfolgung nur eingeschränkt erwerbstätig sein konnte. Am 18. Juni 1958 starb er an den Folgen der Schwerstarbeit im Zuchthaus und des seiner Gesundheit abträglichen Klimas in der Emigration auf Kuba.

© Birgit Gewehr

Quellen: StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 12615 (Alma Meyer) und 12616 (Hannelore Hoffmeister); AB Altona 1929, 1937; Fladhammer, Dr. Max Meyer; v. Villiez, Mit aller Kraft, S. 357; Melanchthongemeinde, Ausstellung; Gespräch mit Hannelore Hoffmeister (†), September 2007.

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