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Walter Rosenbaum
© Yad Vashem

Walter Rosenbaum * 1880

Rissener Landstraße 127 (Altona, Blankenese)

1941 Lodz
ermordet

Weitere Stolpersteine in Rissener Landstraße 127:
Frieda Rosenbaum

Frieda Rosenbaum, geb. Nachum, geb. am 30.1.1906 in Hamburg, am 25.10.1941 deportiert nach Lodz, von dort am 24.9.1942 weiterdeportiert, ermordet
Walter Rosenbaum, geb. am 17.12.1880, am 25.10.1941 deportiert nach Lodz, ermordet

Rissener Landstraße 127

Frieda Nachum und Walter Rosenbaum heirateten im Winter 1939 – zu einer Zeit, in der die Diskriminierungen, Verfolgungen und Verhaftungen den Jüdinnen und Juden in Deutschland nur noch wenig Raum zum Atmen ließen. Frieda war 33 und Walter 58 Jahre alt. Er kam aus dem damaligen Ostpreußen, aus Rößel (heute Reszel/Polen), seine Eltern waren Alexander und Ida, geborene Eichelbaum. Frieda war Hamburgerin. Ihre Eltern, Magnus Nachum und Alma, geborene Goldschmidt, hatten im April 1897 in der Hansestadt geheiratet. Im gleichen Jahr machte sich Magnus Nachum unter dem Namen M. Nachum & Co. mit einer Altmetallhandlung selbstständig. Nach zwei Ortswechseln blieb der Firmensitz von 1905 an mehr als zwanzig Jahre in Hammerbrook, in der Wendenstraße 27. Auch privat zogen Magnus und Alma Nachum zunächst mehrmals um, bis sie 1913 am Mundsburger Kanal in Hohenfelde, in der Hartwicusstraße 12, für sich und ihre mittlerweile drei Töchter ein dauerhaftes Zuhause fanden. Denn Frieda hatte noch zwei ältere Schwestern: die sechs Jahre ältere Gertrud Ruth und die fünf Jahre ältere Dora.

Von der 1. bis zur 10. Klasse besuchte Frieda die Schule des Paulsenstifts. Diese höhere Schule für Mädchen aus armen Familien war von der Hamburger Sozialreformerin und Frauenrechlerin Charlotte Paulsen ins Leben gerufen und nach ihrem Tod 1866 in einem Armenviertel der Altstadt eröffnet worden – dort, wo heute die Kontorhäuser rund ums Chilehaus stehen. In der Schule erhielten Mädchen verschiedener Konfessionen, darunter auch der jüdischen, eine Ausbildung, die nicht nur Handarbeit und Hauswirtschaftslehre umfasste, sondern auch naturwissenschaftlichen Anschauungsunterricht und Englisch. Diese Chance nutzten Magnus und Alma Nachum, die demnach sehr arm gewesen sein müssen. Für sie war es offenbar wichtig, ihren Töchtern eine gute Schulausbildung zu ermöglichen – schließlich hätten sie sie auch schnell verheiraten oder früh zur Erwerbsarbeit anhalten können. Eine staatlich überwachte Schulpflicht gab es damals noch nicht. Als Frieda Nachum die Schule des Paul-senstifts besuchte, hatte diese mittlerweile ihren Standort in der Bülaustraße in St. Georg. Nach erfolgreichem Abschluss absolvierte Frieda die 1917 gegründete soziale Frauenschule in Hamburg und ließ sich zur Sozialarbeiterin ausbilden. Auch ihre Schwestern hatten eine Berufsausbildung abgeschlossen: Gertrud wurde medizinische Assistentin, Dora Lehrerin an einer Schule für Krankenschwestern. Direkt nach ihrer Berufsausbildung bekam Frieda 1925 eine Stelle bei der Jüdischen Gemeinde in Hamburg als Sozialarbeiterin. Drei Jahre später wechselte sie als Sekretärin zu Rebecca Zadik, die innerhalb des Vereins selbständiger jüdischer Handwerker und Gewerbetreibender in Groß-Hamburg – der wiederum zur Jüdischen Gemeinde gehörte – die Abteilung Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung leitete.

Im Sommer 1931 starb Friedas Mutter Alma im Alter von 59 Jahren. Magnus Nachum gab daraufhin die Wohnung in der Hartwicusstraße auf, wo die Familie fast zwanzig Jahre lang gelebt hatte. Er fand für kurze Zeit eine neue Bleibe im Hofweg 50, doch schon 1933 zog er nach Berlin, wo inzwischen seine mittlere Tochter Dora lebte.

Frieda wohnte fortan in Hamburg zur Untermiete. 1936 zog sie im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Jüdischen Gemeinde in die Wilhelminenhöhe nach Blankenese. Das ausgedehnte Gelände an der Rissener Landstraße 127 hatte die Dr.-Gotthold-Stiftung der Gemeinde um 1922 zur Verfügung gestellt, damit diese dort eine Heilanstalt für jüdische Nerven- und Geisteskranke errichte. Bis zum Beginn der nötigen Umbauarbeiten stellte die Gemeinde das dort vorhandene Gebäude in den beiden folgenden Jahren aber erst einmal der jüdischen Kindererholungsfürsorge provisorisch als Ferienheim zur Verfügung. Wegen der großen Nachfrage beschloss die Stiftung schließlich, ihre Schenkung diesem Zweck für immer zu widmen. Doch auch dann musste umgebaut werden. Den Auftrag erhielt der renommierte Hamburger Architekt Semmy Engel. Er ließ das Gebäude um zwei Etagen aufstocken und mehrere Schlafsäle, Waschräume, Bäder und Toiletten einbauen. Hinzu kamen ein heller und luftiger Liegesaal, ein Lesesaal, ein Kinderspielzimmer, ein Isolierzimmer und eine Synagoge. Zwei rituell geführte Küchen garantierten koschere Mahlzeiten. Die vorhandene Glasveranda wurde in eine offene Terrasse verwandelt, ein großer Balkon bot einen wunderbaren Blick hinunter zur Elbe. 1925 kam eine Abteilung für Säuglinge und Kleinkinder bis zum sechsten Lebensjahr hinzu, die bis 1930 noch erweitert wurde. 1931 verlegte die Gemeinde diese Abteilung aber wieder zurück in die Stadt, ins Paulinenstift. Stattdessen nutzten nun jüdische Jugendorganisationen einen Teil der Räume als Landjugendheim und Ausgangspunkt für Wanderungen in die Umgebung. Seit 1935 diente das Gebäude zudem als jüdische Jugendherberge und jüdisches Jugenderholungsheim; hinzu kamen Zimmer für Pensionsgäste. Bereits seit 1933 nutzte die Jüdische Gemeinde die Wilhelminenhöhe außerdem als Hachschara-Zentrum oder Siedlerschule für junge Jüdinnen und Juden aus Hamburg und Umgebung. Diese bereiteten sich in der Gärtnerei, im Haushalt und in der Landwirtschaft auf eine Auswanderung nach Palästina vor. Wegen ihrer zionistischen Ausrichtung wurde die Hachscharah in der vorhandenen Form jedoch 1934 aufgegeben und stattdessen ein Ausbildungslehrgang für Gärtner eingerichtet. Dazu wurden um das Haus herum Felder angelegt, welche die jungen Leute bestellten, und ein Treibhaus errichtet.

Da die Abteilung, in der Frieda Nachum bei der Jüdischen Gemeinde arbeitete, sich seit Ende 1933 auch um "Berufsumschichtungen" kümmerte, wozu die Hachschara gehörte, war sie vor allem aus diesem Grund auf der Wilhelminenhöhe. Dort lernte sie ihren künftigen Ehemann kennen: Walter Rosenbaum leitete die Ausbildungslehrgänge für künftige Gärtner.

Nach ihrer Heirat 1939 zogen Frieda und er aus Blankenese nach Ohlsdorf, wo sie in der Fuhlsbütteler Straße 600 eine eigene Wohnung fanden – ganz in der Nähe des jüdischen Friedhofs in der Ilandkoppel. Im selben Jahr heiratete auch Friedas Schwester Gertrud, die mittlerweile ebenfalls nach Berlin gezogen war und nun Gertrud Hammer hieß. Auch Dora hatte geheiratet, ließ sich jedoch wieder scheiden. Angesichts der existenzbedrohenden Situation für Jüdinnen und Juden beschäftigten sich Frieda und Walter Rosenbaum sicher auch mit der Möglichkeit, aus Deutschland zu fliehen. Bis 1941 wäre es für sie theoretisch möglich gewesen. Sie blieben jedoch in Hamburg.

Am 25. Oktober 1941 wurden Frieda und Walter Rosenbaum nach Lodz deportiert. Frieda wurde am 24. September 1942 vom Getto Lodz aus ins Vernichtungslager Chelmno gebracht und dort ermordet. Walter Rosenbaum blieb in Lodz, noch im August 1943 zog er innerhalb des Gettos um. Er kam unter unbekannten Umständen ums Leben.

Friedas Vater Magnus Nachum wurde am 28. Juli 1942 von Berlin aus nach Theresienstadt und von dort am 26. September 1942 ins Vernichtungslager Treblinka weiterdeportiert, wo er am 26. September 1942 durch Gas ermordet wurde.

Friedas Schwester Dora wurde von Berlin-Moabit aus am 12. März 1943 nach Auschwitz deportiert und in der Gaskammer getötet. Sie hatte zuletzt in der Trautenaustraße 10 in Wilmersdorf gewohnt, wo seit 2012 ein Stolperstein für sie liegt. Friedas Schwester Gertrud konnte nach Palästina fliehen und lebte dort im 1920 gegründeten Kibbuz Degania. Nachdem ihr erster Mann gestorben war, heiratete sie erneut und hieß seitdem Rut Tabori. Sie hinterlegte für ihre beiden Schwestern, ihren Vater und ihren Schwager Walter 1955 jeweils ein Gedenkblatt in Yad Vashem.

Stand September 2015

© Frauke Steinhäuser

Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; Archiwum Panstwowe w Lodzi, Ankunfts- und Abgangsdokumente des Gettos Litzmannstadt; Röh/ Larisch, Die Anfänge der sozialen Frauenschule; Stein, Jüdische Baudenkmäler, S. 118 ff.; Rita Bake, Paulsenstiftschule, in: Hamburger Frauenbiografien-Datenbank, http://kurzurl.net/MeGwp (letzter Zugriff 26.2.2014); Rita Bake, Gertrud Bäumer, in: Hamburger Frauenbiografien-Datenbank, http://kurzurl.net/VuemY (letzter Zugriff 26.2.2014); Ina Lorenz, Verein selbständiger jüdischer Handwerker und Gewerbetreibender in Groß-Hamburg, in: Institut für die Geschichte der deutschen Juden (Hrsg.), Das Jüdische Hamburg. Ein historisches Nachschlagewerk, Online-Ausgabe, http://kurzurl.net/LjP6X (letzter Zugriff 9.12.2013); Artikel Hachschara, in: Institut für die Geschichte der deutschen Juden (Hrsg.), Das Jüdische Hamburg. Ein historisches Nachschlagewerk, Online-Ausgabe, www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/hachschara (letzter Zugriff 26.2.2014); Magnus Nachum, in: Institut Theresienstädter Initiative (Hrsg.), holocaust.cz, http://holocaust.cz/de/victims/PERSON.ITI.553099 (letzter Zugriff 9.12.2013); Dora Nachum, in: Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin (Hrsg.), Stolpersteine in Berlin, Berlin 2013, www.stolpersteine-berlin.de/de/orte-biografien (letzter Zugriff 26.2.2014); Stolpersteine Trautenaustr. 10, in: Berlin.de, Das offizielle Hauptstadtportal, Lexikon: Charlottenburg-Wilmersdorf von A bis Z, http://kurzurl.net/j2Qbu (letzter Zugriff 26.2.2014).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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