Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Benjamin Beck * 1921

Bernstorffstraße 131 (Altona, Altona-Altstadt)


HIER WOHNTE
BENJAMIN BECK
JG. 1921
´POLENAKTION‘ 1938
BENTSCHEN / ZBASZYN
SACHSENHAUSEN
1943 AUSCHWITZ
ERMORDET 17.2.1943

Weitere Stolpersteine in Bernstorffstraße 131:
Markus Beck, Hena Beck

Markus Beck, geb. 2.1.1887 in Lesko/Galizien, am 28.10.1938 inhaftiert im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel, am 28.10.1938 ausgewiesen nach Zbaszyn/Polen, ermordet im besetzten Polen

Hena Beck, geb. Eisik, geb. 25.8.1889 in Jankowce/Galizien, am 28.10.38 ausgewiesen nach Zbaszyn/Polen, am 25.10.1941 deportiert nach Litzmannstadt (Lodz), ermordet

Benjamin Beck, geb. 3.8.1921 in Hamburg, am 28.10.1938 ausgewiesen nach Zbaszyn/Polen, am 15.2.1940 inhaftiert im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel, am 24.2.1940 überführt in das KZ Sachsenhausen, 1943 deportiert nach Auschwitz, dort ermordet am 17.2.1943

Bernstorffstraße 131 (früher Adolphstraße/Adolfstraße) (Altona-Altstadt)

Das jüdische Ehepaar Markus und Hena Beck, geborene Eisik, wanderte gegen Ende 1919 aus dem früheren Galizien in die damals noch selbstständige Stadt Altona ein. Beide Ehepartner besaßen nach eigenen Angaben die polnische Staatsangehörigkeit. Markus Beck war am 2. Januar 1887 in Lesko, Hena Eisik am 25. August 1889 im zwei Kilometer entfernten Jankowce geboren worden. Beide Orte liegen im früheren Galizien (heute Woiwodschaft Karpatenvorland im südöstlichen Polen). Ihr Sohn Benjamin kam am 3. August 1921 in Altona zur Welt.

Markus Beck handelte mit Fellen und Pelzen. Sein Geschäft muss sich gut entwickelt haben. Seit 1930 war er im Altonaer Adressbuch mit dem Hinweis "Felle" als Eigentümer des Grundstücks Adolphstraße 131 verzeichnet (ab 1938 Adolfstraße, heute Bernstorffstraße). Hierbei handelte es sich um ein kombiniertes Wohn- und Gewerbegrundstück mit fünf Mietern. Ab der Adressbuch-Ausgabe von 1931 war die Familie Beck hier auch als Bewohner eingetragen.

Über die Jahre bis 1938 sind uns weitere konkrete Umstände des Lebens der Familie Beck in Altona nicht bekannt. Es ist davon auszugehen, dass auch sie unter den mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 beginnenden Diskriminierungen und Restriktionen für Juden im Deutschen Reich zu leiden hatte.

Ein gegen Markus Beck eingeleitetes Strafverfahren wegen des Verdachts der "Rassenschande" führte im Juli 1938 zu seiner Inhaftierung im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel (bekannt als Konzentrationslager Fuhlsbüttel oder KolaFu). Offenbar blieb das Verfahren ergebnislos. Er wurde am 19. Oktober freigelassen.

Am 28. Oktober 1938 wurden etwa 17000 Jüdinnen und Juden polnischer Herkunft im Rahmen der sogenannten Polenaktion aus dem Deutschen Reich nach Polen abgeschoben. Die polnische Regierung hatte zuvor gedroht, die Pässe der im Ausland lebenden Polen nicht zu verlängern. Die Betroffenen wären dadurch zu Staatenlosen geworden. Die NS-Regierung befürchtete, tausende "Ostjuden" würden dauerhaft auf deutschem Territorium bleiben. Ohne Vorwarnung und ohne Ansehen der Person wurden daraufhin im gesamten Deutschen Reich Männer, Frauen und Kinder von ihren Arbeitsplätzen oder aus ihren Wohnungen geholt, an verschiedenen Plätzen zusammengefasst und noch am selben Tag mit der Eisenbahn bei Zbaszyn (Bentschen), Chojnice (Konitz) in Pommern und Beuthen in Oberschlesien über die polnische Grenze abgeschoben. Die Kosten für die Ausweisungsaktion sollten vom Reichshaushalt getragen werden, "soweit sie nicht […] von den abgeschobenen Ausländern eingezogen werden können".
Aus Hamburg, zu dem seit 1. Januar 1938 auch Altona gehörte, wurden etwa 1000 Menschen an den deutschen Grenzort Neu Bentschen (heute Zbąszynek) gebracht und von dort mit Gewalt über die deutsch-polnische Grenze nach Zbaszyn (Bentschen) getrieben. Unter ihnen befand sich die Familie Beck.
Wir wissen nicht, wie die Abschiebung im Fall der Familie Beck konkret abgelaufen ist. Aus Berichten aus ihrer näheren Nachbarschaft haben wir erfahren, dass die Menschen morgens um fünf Uhr von der Polizei geweckt und in der Regel zuerst die Männer mitgenommen wurden. Sie wurden in Hamburg an verschiedenen Orten festgehalten. Bekannt sind die Polizeikaserne Hütten in der Neustadt und die damalige Reit- und Exerzierhalle der Viktoria-Kaserne, dem Sitz des Polizeiamtes Altona, in der Haubachstraße 62. Später kamen die Frauen und Kinder hinzu. Schließlich mussten die Menschen am Abend – es war ein Freitag (Sabbatabend) – zum Bahnhof Altona laufen und dort die bereitstehenden Züge besteigen. Unter deutscher Bewachung fuhren sie nach Neu-Bentschen.

Die Ausgewiesenen wurden dort nach ihrer Ankunft gezwungen, etwa sechs Kilometer bei Dunkelheit mit ihren Habseligkeiten unter Polizeibewachung und angetrieben durch Schläge und Rippenstöße, in Richtung Staatsgrenze zu marschieren. In dem polnischen Grenzort Zbaszyn (Bentschen) mit vorher etwa 5000 Einwohnern kamen innerhalb weniger Stunden mehr als 8000 so Vertriebene an. Sie mussten in der Kälte versorgt werden. Eine alte Mühle, die Schule, ein Tanzsaal und Militärbaracken wurden zu Notunterkünften hergerichtet. Die Menschen lebten dort in katastrophalen Verhältnissen, einige mussten bis Mitte 1939 in Zbaszyn bleiben.

Neben Marcus Beck, seiner Ehefrau Hena und ihrem 17jährigen Sohn Benjamin gehörte auch Hena Becks Mutter, die Witwe Itta Eisik, geboren am 1. August 1863 in Nowotaniec im Karpatenvorland, zu den aus Hamburg Ausgewiesenen.

Anscheinend hatte Hena Beck im Laufe des 28. Oktober noch Gelegenheit, einige wenige geschäftliche Angelegenheiten zu regeln. Sie brachte den Rechtsanwälten ihrer Familie ein Kontobuch für Wechsel und bat darum, die Wechselforderungen einzuziehen. Am 13. Juli 1939 kehrte Hena Beck nach Hamburg zurück, ihr Sohn Benjamin am 1. August. Beide hatten eine Genehmigung für den Aufenthalt in Hamburg bis zum 3. September zur "Regelung ihrer persönlichen und geschäftlichen Verhältnisse".

Für das Grundstück in der Adolfstraße 131 (geänderte Schreibweise) hatte zuvor die Hamburgische Grundstücksverwaltungsgesellschaft von 1938 m.b.H., Hamburg 11, Börsenbrücke 8, die Verwaltung übernommen. Dennoch konnte Hena Beck zunächst noch in der Adolfstraße 131 wohnen, musste aber feststellen, dass ein erheblicher Teil ihres Besitzes während der Abwesenheit abhandengekommen war. Ein Antrag auf Freigabe von 980 RM aus ihrem gesperrten Bankguthaben für Ergänzungsbeschaffungen lehnte der Oberfinanzpräsident ab.

Hena Becks Mutter, Itta Eisik, hatte offenbar schon vor ihrer Tochter nach Hamburg zurückkommen können. Sie wohnte zuletzt in Altona, Oelkersallee 38 bei Schander. Sie starb am 30. Juni 1939 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Ohlsdorf beigesetzt. Der Oberfinanzpräsident lehnte den Antrag auf Freigabe von 85 RM für einen Grabstein zunächst ab, stimmte aber nach längerem Bitten zu.

Hena Becks Abreise aus Hamburg verzögerte sich. Sie und ihr Sohn wollten zunächst bis 6. September ausreisen, in den Akten hieß es "auswandern", ob nach Polen oder in ein anderes Land, ist nicht ersichtlich. Während des Aufenthalts von Mutter und Sohn Beck in Hamburg hielt sich Marcus Beck bis weit in das Jahr 1939 in Zbaszyn, dann in Krakau und im Januar 1941 in Tarnow auf.

Obwohl der vorgegebene Termin für die Rückkehr nach Polen bereits verstrichen war, lebte Hena Beck im Jahr 1941 noch in der Adolfstraße 131. Sie wurde am 25. Oktober 1941 von Hamburg ins Getto Litzmannstadt (Lodz) deportiert und kam dort ums Leben.

Benjamin Beck wurde im Herbst 1939 im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel (bekannt als KolaFu) in "Schutzhaft" genommen. Der Haftgrund ist in den Akten nicht festgehalten, vermutlich aber wurde er wie tausenden noch im Deutschen Reich verbliebene männliche polnische Juden nach Kriegsbeginn am 1. September 1939 als "feindlicher Ausländer" inhaftiert. Aus den Abrechnungen für die Essensrationen von Gefangenen in Fuhlsbüttel ergibt sich, dass er vom 1. Oktober 1939 bis 15. Februar 1940 in Fuhlsbüttel eingesessen hat. Am 24. Februar wurde er erneut inhaftiert und in das KZ Sachsenhausen überstellt (Häftlingsnummer 20352).

Ab Mai 1940 durfte ihm seine Mutter regelmäßig Geld für den "Lebensunterhalt" zu Lasten ihres Hamburger Sperrkontos überweisen, anfangs zwischen 10 RM und 15 RM, ab Juli 1940 monatlich 25 RM. Danach ließ Hena Beck ihrem Sohn bis September 1941 monatlich 30 RM für "Gehalt" zukommen. Jede dieser Zahlungen bedurfte der Einzelgenehmigung der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten.

Von Sachsenhausen wurde Benjamin Beck zusammen mit weiteren Juden in das KZ Auschwitz überführt. Das genaue Datum ist unbekannt, es soll aber im Jahr 1943 gewesen sein. Benjamin Beck wurde nach übereinstimmenden Dokumenten am 17. Februar 1943 in Auschwitz ermordet.

Markus Becks weiteres Schicksal liegt im Ungewissen. Er soll laut Gedenkbuch des Bundesarchivs "Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945" wie seine Ehefrau Hena in Litzmannstadt (Lodz) umgekommen sein.

Stand: März 2023
© Ingo Wille

Quellen: Adressbuch Altona/Hamburg; StaH 213-13 Landgericht Hamburg – Wiedergutmachung, 14076 Marcus Beck, 14167 Beck Marcus, 14947 Marcus Beck, 16045 Marcus Beck, 314-15 Oberfinanzpräsident FVg 2064 Benjamin Beck, R 1939/2851 Marcus Beck, 332-5 Standesämter 1103 Sterberegister Nr. 408/1939 Itta Eisik. Gedenkbuch des Bundesarchivs "Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945". Bothe, Aline/Pickan Gertrud (Hrg.), Ausgewiesen! Berlin, 28.10.1938 Die Geschichte der "Polenaktion", Berlin 2018. Jerzy Tomaszewski, Auftakt zur Vernichtung, Die Vertreibung polnischer Juden aus Deutschland im Jahre 1938.

druckansicht  / Seitenanfang