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Richard Rosin * 1888

Nernstweg 10 (Altona, Ottensen)


HIER WOHNTE
RICHARD ROSIN
JG. 1888
VERHAFTET
KZ FUHLSBÜTTEL
MISSHANDELT
TOT 7.1.1936

Richard Franz Wilhelm Rosin, geb. am 15.11.1888, ab 18.12.1935 Haft in Fuhlsbüttel, am 7.1.1936 nach Misshandlungen in den Tod getrieben

Nernstweg 10 (Schulstraße)

Marie Hoppe erklärte in einem Schreiben an die Beratungsstelle für Wiedergutmachungsansprüche im April 1948: "Im Jahre 1913 verheiratete ich mich mit Richard Rosin und lebte mit ihm in glücklicher kameradschaftlicher Ehe. Als Antifaschisten betätigten wir uns illegal gegen das Nazi-Regime und waren Verfolgungen ausgesetzt. Mehrmalige Haussuchungen mussten wir über uns ergehen lassen. Schließlich wurde mein Mann verhaftet und durch die SS schwer misshandelt nach Fuhlsbüttel gebracht. Ich habe meinen Mann nie wiedergesehen."

Richard Franz Wilhelm Rosin wurde am 15. November 1888 in Gumenz, Kreis Rummelsburg in Pommern, geboren. Die Eltern waren der Arbeiter Franz Rosin und seine Ehefrau Mathilde, geb. Gast. Richard Rosin war evangelischer Religionszugehörigkeit. Am 8. Mai 1913 heiratete er in Hamburg Marie Sophie Helene Burmeister, ebenfalls lutherischer Konfession, die 1891 in Eschede, Kreis Celle, als Tochter des Arbeiters August Burmeister und seiner Ehefrau Anna, geb. Bergmann, zur Welt gekommen war. Zu der Zeit wohnte Richard Rosin in der Fischerstraße 44 in Hamburg-St. Pauli, seine Braut Marie kam aus der Nachbarschaft, sie war vor ihrer Heirat ebenfalls in der Fischerstraße gemeldet.

1916 zog das Ehepaar nach Altona-Ottensen, zunächst in die Straße Am Felde 37, und 1930 in eine Wohnung im ersten Stock der Schulstraße 10 (heute Nernstweg). Richard Rosin arbeitete als Heizer bei den nahe gelegenen Bahrenfelder Margarinewerken A. L. Mohr in der Friedensallee 333.

Er war Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands gewesen und als Antifaschist bekannt. Nach dem Verbot und der Zerschlagung der Partei durch die Nationalsozialisten versuchten ehemalige KPD-Mitglieder, Strukturen im Untergrund aufzubauen. Sie sammelten Geld für politische Gefangene und deren Familien, verbreiteten Flugblätter und Schriften und gründeten eine Emigrantenkommission. Es gab den Versuch, eine geheime Ortsgruppe Otten-sen aufzubauen. Am 1. Mai 1935 wurden in Altona zweitausend rote Nelken verteilt. Als mehrere Jugendliche verhaftet worden waren, tauchten Klebezettel mit Informationen und Protestbekundungen auf. In diesem Zusammenhang wurden wiederum Männer und Frauen inhaftiert, unter anderem auch Richard Rosin, der am 18. Dezember 1935 in das KZ Fuhlsbüttel eingeliefert wurde. Am nächsten Tag meldete die Gestapo seine Verhaftung nach Berlin. Vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht wurde er im Rahmen des Verfahrens gegen "Heldt und Genossen" der "Vorbereitung zum Hochverrat" angeklagt (Aktenzeichen OJs 192/36).

Der Hafenarbeiter Johannes Heinrich Heldt war nach Darstellung der Anklageschrift der führende Altonaer KPD-Funktionär. Insgesamt wurden etwa 570 Männer und Frauen aus Hamburg und Altona angeklagt, illegale Schriften verteilt, illegale Treffen organisiert und Widerstandsgruppen aufgebaut zu haben. Ihnen wurde vorgeworfen, "zur Vorbereitung des Hochverrats einen organisatorischen Zusammenhalt herzustellen und aufrecht zu erhalten". Die Staatsanwaltschaft besaß detaillierte Kenntnisse von konspirativen Treffen der KPD-Funktionäre, die offenbar von Spitzeln stammten, die die Gestapo in die Widerstandsgruppen eingeschleust hatte.

In einer der Ermittlungsakten zur Strafsache "Heldt und Genossen" hieß es: "Nach der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus unternahmen es die alten Mitglieder der KPD, die verbotene Organisation weiterzuführen oder, soweit sie zerschlagen war, sie wiederaufzubauen. Die Aufdeckung dieser Organisation im Bezirk Groß-Hamburg ist Gegenstand dieses Ermittlungsverfahrens." In der Anklageschrift Nr. 33 ging es um den Wiederaufbau des Unterbezirks Altona und zwar in den alten Ortsgruppen: Altona-Nord, Altona-Süd, Ottensen, Flottbek, Elmshorn sowie Eidelstedt-Stellingen. Richard Rosin wurde beschuldigt, von November 1933 bis März 1934 als Kassierer in der "Roten Hilfe" tätig gewesen zu sein, die inhaftierte Kommunisten, Gewerkschafter und andere Gefangene unterstützte.

Das KZ Fuhlsbüttel, das im September 1933 im ehemaligen Frauengefängnis eingerichtet worden war, war berüchtigt für dort durchgeführte Folterungen. Politische Gefangene wurden nachts oder spätabends von Wachmännern aufgesucht und mit Ochsenziemern, einer Schlagwaffe, die erhebliche Verletzungen hervorrief, Gummiknüppeln, eisenbeschlagenen Schulterriemen oder anderen Schlagwerkzeugen so lange geschlagen, bis sie besinnungslos waren. Diese Prozeduren wiederholten sich immer wieder. Das geschah vielfach auf Anweisung, um politische Häftlinge, die bei Vernehmungen nicht so ausgesagt hatten wie erwartet, zu brechen. In den Kellerzellen kam es zu schwersten Misshandlungen. Die Zahl der Todes- und Suizidfälle war außergewöhnlich hoch.

Drei Wochen nach seiner Inhaftierung starb Richard Rosin im KZ Fuhlsbüttel. In seiner am 9. Januar 1936 ausgestellten Sterbeurkunde wurde vermerkt: "Die Staatspolizei in Hamburg zeigte an, dass der Heizer Richard Franz Wilhelm Rosin … am 7. Januar des Jahres 1936 vormittags um sechseinviertel Uhr tot aufgefunden worden sei."

Marie Rosin erlitt nach der Verhaftung ihres Mannes einen gesundheitlichen Zusammenbruch und geriet in der Folge in wirtschaftliche Not. Nur zeitweise erhielt sie geringe Wohlfahrtsunterstützung und schlug sich als Haushaltshilfe durch. 1937 heiratete sie in zweiter Ehe Heinrich Hoppe.

Am 2. Januar 1946 beschrieb ein ehemaliger Mitgefangener, der Rechtsanwalt Max Fink, in einem Schreiben an das Komitee ehemaliger politischer Gefangener die Todesumstände von Richard Rosin:
"Der Arbeiter Rosin aus Hamburg, geboren etwa 1885, verübte um die Jahreswende 1935/ 1936 (schätzungsweise Ende November oder Anfang Dezember 1935) im Konzentrationslager Fuhlsbüttel in Einzelhaft in der Zelle schräg gegenüber meiner Zelle A III 37 eines Nachts Selbstmord. Ich habe Rosin nie gekannt und ihn nie gesprochen. Aus welchem Grunde er in Schutzhaft war, weiß ich nicht. Schuld an seinem Tode trägt m. E. der Wachtmeister Ehnert, Sohn eines Hamburger Polizeibeamten (früher m. W. Revierwachtmeister der Polizeiwache Wandsbeker Chaussee […]).
Am Tage, bevor Rosin sich nachts das Leben nahm, war Freizeit des Flurs A III unter Aufsicht des Wachtmeisters Ehnert. Dieser jagte Rosin, ohne ersichtlichen Grund, in der widerlichsten Form mit den üblichen Auf und Nieder, Froschhüpfen usw. durch den nassen Schmutzacker des KZ-Hofes, so daß Rosin, der körperlich schwerfällig war, sich kaum aufrecht halten konnte. Beteiligt war an dieser Jagerei außerdem der Wachtmeister Henningsen, der, wenn ich mich recht entsinne, in Friedrichstadt, Schleswig-Holstein, geboren und von Beruf Tischler war. Diese üble Quälerei muss Rosin den Rest gegeben haben. Trotzdem er in Eisen lag, gelang es ihm, sich nachts zu erhängen. Der Wachtmeister Wölm, der Dienst hatte, fand ihn in den frühen Morgenstunden erhängt auf.
Die Personalien Rosin entnahm ich dem Flurbuch, das ich später für die Wachtmeister führen musste. Die Personalien der Wachtmeister wurden mir bekannt, weil ich deren Ahnenbogen aufzustellen hatte. Das Ende Rosins in seiner Zelle erzählte mir der Wachtmeister Wölm, als ich ihn später befragte."

Richard Rosin wurde offenbar wegen seiner Beteiligung am kommunistischen Widerstand im KZ Fuhlsbüttel misshandelt und systematisch in den Tod getrieben. Im Vorfeld des Prozesses und während der Voruntersuchungen zur Strafsache "Heldt u. a." kamen außer ihm noch weitere Kommunisten im KZ Fuhlsbüttel ums Leben: Paul Bach, Wilhelm Hagen, Georg Neth, Callsen und Podolski.

Im Wiedergutmachungsverfahren im April 1948 bestätigten Zeugen, dass Richard Rosin politisch verfolgt wurde. Walter und Friede Reimann erklärten, dass Rosin "sich während der Hitlerzeit bis zu seinem Tode im antifaschistischen Sinne betätigt hat", ebenso Lola Tech, der "der Kamerad Richard Rosin als aktiver, ehrlicher Antifaschist" bekannt war. Ernst Pridlich führte aus, dass er in den Jahren 1935/36 politisch mit ihm zusammengearbeitet hatte: "Richard Rosin hat mich auch während der Zeit meiner Verfolgung durch die Gestapo im Frühjahr 1935 dadurch unterstützt, dass er mir wieder Verbindung zur KPD Leitung in Hamburg verschaffte und mir Geldmittel von der Organisation gab."

Bis 1936 waren die illegal organisierten Widerstandgruppen der KPD weitgehend zerschlagen, nachdem die meisten Mitglieder ins Exil vertrieben, ermordet oder in Konzentrationslager eingewiesen worden waren.

Stand September 2015

© Birgit Gewehr

Quellen: StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 13534 (Marie Hoppe); StaH 241-1 I Justizverwaltung I, 2911 (Abrechnungslisten über Schutzhaftkosten des KZ Fuhlsbüttel); Bundesarchiv Berlin, PSt 3/826, Signatur 26; Recherche von Anke Schulz, Bundesarchiv Berlin, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO) R 3018 NJ Nazijustizakten/12152; AB Altona; KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Komitee-Akte Rosin; Hochmuth (Hrsg.), Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel, S. 67; Hochmuth/Meyer, Streiflichter, S. 167; Diercks, Gedenkbuch Kola-Fu, S. 35.

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