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Wilhelm Stein
© Privatbesitz

Wilhelm Stein * 1895

Eißendorfer Pferdeweg 65 (Harburg, Heimfeld)


HIER WOHNTE
WILHELM STEIN
JG. 1895
IM WIDERSTAND
HINGERICHTET 26.6.1944
IN HAMBURG

Wilhelm Stein, geb. 15.5.1895 in Biebernheim/Rheinland, hingerichtet am 26.6.1944

Stadtteil Heimfeld, Eißendorfer Pferdeweg 65

Der Ingenieur Wilhelm Stein war Sohn des Landwirts Friedrich Stein und dessen Ehefrau Katharina-Elisabeth Stein, geb. Maus. Seit dem frühen Tod der Eltern lebte er ab 1904 bei einem Onkel. Er beendete die Volksschule und erlernte das Schlosserhandwerk. Danach arbeitete er als Schlosser in Mannheim, seit 1913 in Hamburg. Er meldete sich im Ersten Weltkrieg freiwillig zur Armee, kämpfte an der Ostfront und wurde 1916 wegen Verlusts des rechten Auges entlassen.

Er kehrte nach Hamburg zurück und arbeitete bei den Conz-Werken in Altona, bis er an den Technischen Lehranstalten in Hamburg studierte und 1922 die Prüfung als Elektroingenieur ablegte. Im gleichen Jahr heiratete er Erna Schmidt, 1928 wurde der Sohn Helmut geboren. Wilhelm Stein fand dann in verschiedenen Städten Arbeit, zuletzt 1927 wieder im Rheinland, in Horrem bei Köln. 1931 wurde er entlassen, gab dann Privatunterricht in Mathematik und Elektrotechnik.

1932 trat er in die KPD ein. Dort lernte er Bernhard Bästlein kennen, damals KPD-Sekretär im Bezirk Mittelrhein. Mit ihm verband ihn eine Freundschaft bis zum Lebensende. 1933 wurde Wilhelm Stein in "Schutzhaft" genommen und ins KZ Brauweiler bei Köln eingewiesen. Eine Zeitung nannte ihn den "geistigen Führer der Kommunisten im Kreise Bergheim". Wegen angeblicher Beleidigung Görings wurde er von einem Kölner Sondergericht zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Die Strafe saß er in der Haftanstalt Siegburg ab.

Nach seiner Entlassung zog die Familie wieder nach Hamburg. Wilhelm Stein war eine Zeit lang arbeitslos, bekam dann eine Stelle bei den Ottensener Eisenwerken und 1937 bei den Harburger Eisen- und Bronzewerken (heute: Harburg-Freudenberger an der Seevestraße) als Betriebsingenieur. Die Familie wohnte nun in der Eißendorfer Straße 193 in Harburg, später am Eißendorfer Pferdeweg 65.

Unter Felix Plewa, dem Politischen Leiter des illegalen KPD-Unterbezirks Harburg-Wilhelmsburg, entstand im Betrieb eine kommunistische Betriebszelle, der neben Wilhelm Stein auch Richard Gohert und Hermann Thomaschewski angehörten. Während des Kriegs gewann ihn Bernhard Bästlein, der nach seiner KZ-Haft in Sachsenhausen in Hamburg lebte, für den Widerstand. Wilhelm Stein baute mit Richard Gohert im Werk eine Betriebszelle der Organisation Bästlein-Jacob-Abshagen auf, unterstützt wurde er dabei durch den Sozialdemokraten Karl Polkehn (der nach 1945 für viele Jahre Betriebsratsvorsitzender wurde).
Wilhelm Stein ließ sich zum Luftschutzwart ernennen und bekam einen abschließbaren Raum im Werk. Hier hörten sie ausländische Sender und stellten Flugblätter her.

In der früheren Gaststätte "Dörfels Eck" (Bremer Straße 241, Ecke Am großen Dahlen) traf er sich wiederholt zum Informationsaustausch mit Gesinnungsgenossen. Zur Tarnung wurde dabei Schach gespielt. Am 15. Oktober 1942 setzte die große Verhaftungswelle gegen Angehörige der Bästlein-Organisation ein. Am 22. Oktober wurde Wilhelm Stein festgenommen und kam nach Hamburg-Fuhlsbüttel in Gestapohaft (vom 23. Oktober 1942 bis zum 25. März 1943), dann ins Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis. Nach den schweren Luftangriffen auf Hamburg im Juli 1943 erhielt er "Hafturlaub" mit der Drohung, dass seine Angehörigen büßen müssten, falls er untertauchen sollte. Er arbeitete weiter in den Eisen- und Bronzewerken. Obwohl er sein Todesurteil befürchten musste, half er Arbeitskollegen mit seinem Wissen und brachte ihnen u. a. trigonometrische Formeln bei. Am 9. September musste er zurück ins Untersuchungsgefängnis.

Anfang Mai 1944 führte der "Volksgerichshof" sechs Prozesse in Hamburg gegen Angehörige der Bästlein-Organisation durch. Die Hauptverhandlung (Vorsitz: Löhmann) gegen Heinrich Wadle (Kiel), Wilhelm Stein, Richard Gohert und Heinrich Hartig fand am 6. Mai statt. Wilhelm Stein wurde wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" und "Feindbegünstigung" zum Tode verurteilt und am 26. Juni 1944 zusammen mit Karl Kock und acht weiteren Widerstandskämpfern im Untersuchungsgefängnis hingerichtet. Von den Prozessen und den Hinrichtungen wurde in den Medien, wie damals üblich, nichts berichtet. In Wilhelm Steins Sterbeurkunde stand, er sei am 28. Juli 1943 bei den Fliegerangriffen umgekommen.

Die Leichen der Enthaupteten kamen zur Anatomie der Kieler Universität. Später wurden sie von Kindern in einem Leichenkeller gefunden, darunter auch die von Wilhelm Stein und Karl Kock.

Britische Soldaten und die Polizei beerdigten sie in einem Massengrab bei Kiel, was den Protest der Angehörigen hervorrief. Im August 1947 wurde Wilhelm Steins Leichnam aus diesem Grab exhumiert und von Erna Stein, Helmut Stein und Karl Polkehn identifiziert.

Karl Kocks Vater Jakob identifizierte den Leichnam seines Sohnes. Die Urnen (die von Wilhelm Stein trug sein Sohn Helmut) wurden auf einer Feier am 14. September 1947 im Ehrenhain des Ohlsdorfer Friedhofs beigesetzt. Für die Belegschaft der Eisen- und Bronzewerke stand an diesem Tag eine Sonder-Straßenbahn nach Ohlsdorf bereit.

Brief des zum Tode verurteilten Wilhelm Stein
(Der Brief wurde einen Tag vor der Hinrichtung geschrieben.)

"Meine liebe, gute Erna, guter Helmut! Hamburg, den 25.6.1944
Deine Karte, liebe Erna, habe ich erhalten; das waren wieder harte Tage. Es ist nun schon wieder acht Tage her, dass du bei mir warst. Wenn es auch nur immer wenige Minuten sind, so ist es doch für uns beide eine Freude. Ja, denken darf man nicht, denn dann wird es nur noch schwerer. Heute ist wieder mal ein schöner Sonnentag. Jetzt ist es wohl auch in unserem kleinen Garten schön. Bei unserem Jungen wird es nun auch Sommer sein; ich nehme an, dass es dort noch wärmer ist als hier. Bei Alarm gehe mal in den Schutzraum an der Bahn. Morgen in acht Tagen sehen wir uns ja schon wieder, ich freue mich schon darauf. Halte dich gesund, meine liebe Frau.

Und nun noch ein paar Worte für Helmut. Mein lieber Helmut! Wie gefällt es dir denn noch in deiner neuen Heimat? Hoffentlich habt ihr auch einen einigermaßen geregelten Schulunterricht. Ich würde mich freuen, wenn deine Noten besser würden, aber das wird schon werden. Ihr seid ja auf geschichtlich interessantem Boden. Überhaupt kann man die Gegenwart erst aus der Vergangenheit verstehen, so wie man planen und im Zukünftigen denken nur aus der Vergangenheit und der Gegenwart heraus kann, aber das wirst du erst viel später verstehen. Wie geht es dir noch, mein Junge? An deine Mutti musst du nur etwas mehr schreiben. Halte dich mal gesund und mache auch deinen Lehrern Freude. Und nun herzliche Grüße und Küsse für euch beide von eurem Papa."


© Hans-Joachim Meyer

Quellen: VVN-BdA Harburg (Hrsg.), Die anderen, S. 291ff.; VVN-BdA Hamburg (Hrsg.), Niemand, S. 123ff.; VVN-BdA Harburg (Hrsg.), Stumme Zeugen, s. Personenverzeichnis; Hochmuth/Meyer, Streiflichter, S. 341ff.; StaH, 331.1.II Polizeibehörde II; StaH, Adressbücher Harburg-Wilhelmsburg; Sterbeurkunde, Kopie bei der VVN-BdA Harburg; Heyl/Maronde-Heyl, Abschlussbericht; Totenliste VAN.

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