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Helene Meyer * 1904

Sartoriusstraße 10 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
HELENE MEYER
JG. 1904
EINGEWIESEN 1912
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 16.8.1943
AM STEINHOF WIEN
TOT 2.6.1945

Helene Hermandine Klara Meyer, geb. am 15.5.1904 in Hamburg, aufgenommen in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) am 15.7.1912, verlegt am 16.8.1943 nach Wien in die "Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien", dort gestorben am 2.6.1945

Sartoriusstraße 10 (Eimsbüttel)

Helene Hermandine Klara Meyer erblickte am 15. Mai 1904 in der Wohnung ihrer Eltern in der Rombergstraße 16 in Hamburg-Eimsbüttel das Licht der Welt. Sie war das dritte von vier Kindern von Hermann Diedrich Meyer, geboren am 12. Juli 1875 in Stade, und seiner Ehefrau Wilhelmine Minna Bertha Meyer, geborene Steinmüller, geboren am 17. Juli 1869 in Dessau.

Helene Meyers Vater war zunächst als Bleicher tätig. (Die Arbeit der Bleicher bestand darin, die natürlichen Färbungen aus Stoffen und Garnen zu entfernen, um ein reines Weiß zu erhalten). Später betrieb er eine Wäscherei.

Helene Meyer lernte erst mit drei Jahren zu gehen und mit vier Jahren zu sprechen. Außerdem stellte ein Arzt bei ihr eine geistige Behinderung fest, die am 15. Juli 1912 zu ihrer Aufnahme in den Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) führte.

Es folgte eine Zeit von mehr als zwanzig Jahren dort, in denen wir nicht viel über Helene Meyers Ergehen wissen. Ein Gutachten in den 1930er Jahren (genaues Datum fehlt) der Alsterdorfer Assistenz-Ärztin Schmidt-Petersen fasste den Zustand von Helene Meyer so zusammen: "Am 15.7.1912 hier aufgenommen. Sie war völlig arbeitsunfähig, Sprache sehr undeutlich. Häufig hatte sie Erregungszustände, schlug dabei ihre Mitpatienten. Sie spielte mit Bauklötzen, war aber nach wie vor vollkommen unselbständig. 1935 wird sie mit Hausarbeiten beschäftigt, die sie sehr eifrig ausführte, später verrichtete sie Laufwege. In letzter Zeit ist sie wieder sehr zurückgegangen, muss in der Körperpflege vollkommen besorgt werden. Sie kann sich überhaupt nicht beschäftigen, sitzt dauernd stumpf herum und hat für ihre Umgebung überhaupt kein Interesse. Im Wesen ist sie sehr ruhig. Es handelt sich um eine Idiotie. Eine Veränderung des Zustandes erscheint ausgeschlossen. Sie ist als unheilbar krank anzusehen, hat keinerlei Beziehung zu ihrer Umgebung. Anstaltsaufenthalt ist dauernd erforderlich." (Der Begriff "Idiotie" wurde früher für eine schwere Form der Intelligenzminderung verwendet.)

Während der schweren Luftangriffe auf Hamburg Ende Juli/Anfang August 1943 ("Operation Gomorrha") erlitten auch die Alsterdorfer Anstalten Bombenschäden. Die Anstaltsleitung nutzte die Gelegenheit, nach Rücksprache mit der Gesundheitsbehörde einen Teil der Bewohnerinnen und Bewohner, die als "arbeitsschwach, pflegeaufwendig oder als besonders schwierig" galten, in andere Heil- und Pflegeanstalten zu verlegen. Am 16. August 1943 ging ein Transport mit 228 Frauen und Mädchen aus Alsterdorf sowie 72 Mädchen und Frauen aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn in die "Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien" in Wien" (auch bekannt als Anstalt "Am Steinhof") ab. Unter ihnen befand sich Helene Meyer.

Die Anstalt in Wien war während der "Aktion-T4" (Tarnbezeichnung für das "Euthanasie"-Programm der Nationalsozialisten, so genannt nach dem Sitz der Berliner Euthanasiezentrale in der Tiergartenstraße 4) eine Zwischenanstalt für die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz gewesen. Nach dem offiziellen Ende der Gasmorde in den Tötungsanstalten im August 1941 wurde massenhaft in der Wiener Anstalt selbst weiter gemordet: durch Überdosierung von Medikamenten und Nichtbehandlung von Krankheit, vor allem aber durch Nahrungsentzug.

Die noch bestehenden Patientenunterlagen für Helene Meyer in Wien enthalten im Wesentlichen nur Gewichtsdaten: Bei ihrer Ankunft dort wog sie 39 kg, bereits viel zu wenig für die 39jährige Frau. Der letzte Gewichtseintrag vom Dezember 1944 lautete 32 ½ kg. Ihr Zustand wurde in mehrmonatigen Abständen als "unverändert" bezeichnet.

Helene Meyer starb am 2. Juni 1945 in der inzwischen in "Wiener Landesheil- und Pflegeanstalt 'Am Steinhof'" umbenannten Einrichtung, angeblich an Lungenentzündung.

In der Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt Wien kamen 300 Mädchen und Frauen aus Hamburg bis Ende 1945 257 ums Leben, davon 196 aus Alsterdorf.

Stand: Juli 2021
© Ingo Wille

Quellen: Adressbuch Hamburg 1904-1915; StaH 332-5 Standesämter 8587 Heiratsregister Nr. 466/1897 Hermann Diedrich Meyer/Wilhelmine Minna Bertha Steinmüller; Evangelische Stiftung Alsterdorf, Archiv, Sonderakte Nr. 152 (Helene Meyer); Michael Wunder/Ingrid Genkel/Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr. Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Stuttgart 2016, S. 331-371 (Transport nach Wien); Susanne Mende, Die Wiener Heil- und Pflegeanstalt "Am Steinhof" im Nationalsozialismus, Frankfurt/Main 2000.

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