Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Sarina Wolff
Sarina Wolff
© Yad Vashem

Sarina Wolff (geborene Blanaré) * 1884

Osterstraße 83 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
SARINA WOLFF
GEB. BLANARÉ
JG. 1884
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Sarina Wolff, geb. Blanaré, geb. 23.9.1884 in Berlin, deportiert 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 23.1.1943 nach Auschwitz, dort ermordet

Osterstraße 83

Sarina Wolff stammte aus einer kinderreichen Berliner Kürschnerfamilie und sie heiratete in eine Hamburger Kürschnerfamilie ein. Beide Familien waren jüdisch und stammten aus Ostmitteleuropa.

Hermann Blanaré, Sarinas Vater, geb. um 1842 in Bodischau in Rumänien, war 1892 im Alter von 50 Jahren in Berlin gestorben. Seine Witwe Hanna oder Anna, geb. Mekler, sowie Sarinas Geschwister Toyve ("Gefallen"), auch Frieda genannt, Rosa (1878), Fanny (1882) und David (1888) blieben in Berlin, während Sarina und ihr Bruder Jacob (1880) nach Hamburg zogen. Wilhelm (1876 – 1878) und Bertha (1879) starben früh, von Clara und Ernest fehlen weitere Spuren.
Die Schreibweise des Familiennamens wechselte zwischen Blanaré und Blanari – Sarina benutzte Blanaré, Jacob Blanari (siehe www.stolpersteine-hamburg.de).

Sarinas Ehemann Leo Wolff, geb. 16.11.1892 in Hamburg, war acht Jahre jünger als sie. Er war der zweite Sohn von Joseph Wolff, geb. 29.6.1851 in Gostyn, damals preußische Provinz Posen, und seiner Ehefrau Pauline Wolff, geb. Salomon, geb. 5.3.1853 in Hamburg. Joseph Wolff hatte sich mit seiner Ehefrau und dem 1885 geborenen Sohn Theodor 1886 in Hamburg einbürgern lassen. Im Jahre darauf kam die einzige Tochter, Rosa, zur Welt. Nach einem gescheiterten Auswanderungsversuch nach Philadelphia in den USA wurde am 6.2.1897 der jüngste Sohn, Michael, geboren. Die Familie gehörte der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg an.

Joseph Wolff hatte sich mit einem Pelzkonfektionsgeschäft am Grindelberg 74 a selbstständig gemacht. Die Firma blieb weit über seinen Tod hinaus in Familienhand.

Ein Jahr vor seinem Tod am 24. Februar 1907 im Alter von 55 Jahren übergab Joseph Wolff sein Geschäft an seinen Schwiegersohn Eduard Simonsohn, den Ehemann seiner Tochter Rosa. Theodor, der älteste Sohn, arbeitete inzwischen als Lichtdrucker und lebte in London, Leo und Michael Wolff waren noch zu jung für die Nachfolge ihres Vaters.

Rosa Wolff und Eduard Simonsohn hatten 1905 geheiratet. Eduard führte das Geschäft bis 1910, als es in die Hände seiner Schwiegermutter Pauline Wolff, die Witwe Josephs, überging. 1920 trat Leo Wolff als eigenständiges Mitglied der jüdischen Gemeinde bei und schloss sich dem liberalen Tempelverband an. 1922 stieg er in die von seinem Vater gegründete Firma ein. Vermutlich zur gleichen Zeit heiratete er Sarina Blanaré. Ihr Bruder Jacob, von Beruf Tischlermeister, wohnte bereits mit seiner Familie in Hamburg und fabrizierte Möbel, später auch für die Wohnung seiner Schwester.

Leo Wolff war bis dahin als Handelsvertreter mit Wohnsitz in der Grindelallee 39 tätig gewesen. Die Firma Joseph Wolff hatte inzwischen nicht nur einen Leitungswechsel erfahren, sondern auch die Pelzkonfektion aufgegeben und sich auf Handelsvertretungen umgestellt. Leo Wolff führte die Geschäfte von seinem Zuhause aus, erwirtschaftete aber 1923 schon kein steuerpflichtiges Einkommen mehr. Er zog in die Henriettenstraße 55/57 und eröffnete dort unter seinem eigenen Namen zusätzlich eine Manufakturwarenhandlung. 1925 übernahm Jacob Blanari, Sarina Wolffs Bruder, die "Handelsvertretung Joseph Wolff" mit der Adresse Wexpassage 1.

Sarina Wolff war 41 Jahre alt, als sie am 30.9.1925 ihren Sohn Heinz-Manfred zur Welt brachte. Er blieb ihr einziges Kind. Leo Wolff wurde wieder als Vertreter tätig und zog mit seiner Familie in die Fruchtallee 95 und weiter in die Osterstraße 83. Er wurde nie wieder steuerpflichtig für die Jüdische Gemeinde, d.h. er erzielte mit seinen beruflichen Bemühungen nur ein sehr geringes Einkommen.

Mit 45 Jahren wurde Sarina Wolff Witwe. Ihr Ehemann Leo war mit nur 36 Jahren am 18. August 1929 im Allgemeinen Krankenhaus Eppendorf gestorben. Sein Grab befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof Ohlsdorf an der Ilandkoppel (M 1 – 230).

Sarina Wolff blieb mit ihrem noch nicht ganz vier Jahre alten Sohn in der Osterstaße wohnen. Um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, veräußerte sie Teile des Hausrats und wurde darüber hinaus von der Wohlfahrtskommission der jüdischen Gemeinde unterstützt. Sie schloss sich dem orthodoxen Synagogenverband an.

Ostern 1931 wurde Heinz-Manfred in der Talmud Tora Realschule eingeschult. Als 1938 die bedrohliche Situation der Juden im Deutschen Reich zunahm, zwei seiner Onkel im Juni im KZ Sachsenhausen inhaftiert wurden, verließ er nach dem Novemberpogrom die Schule. Sein Onkel Theodor Wolff floh nach seiner Entlassung aus der Haft nach Shanghai.

Sarina Wolff war inzwischen ins Grindelviertel, Durchschnitt 1, gezogen. Sie wollte ihren Sohn in Sicherheit bringen und schickte ihn, inzwischen dreizehn Jahre alt, mit einem Kindertransport nach England. Ob sie nach ihrem Abschied von einander am 1. Dezember 1938 noch voneinander hörten, ist nicht bekannt. Heinz-Manfred wurde nach seiner Ankunft in London vorübergehend in einem Heim untergebracht und besuchte ab Februar 1939 wieder eine Schule, die dann aber wegen der Gefährdung durch deutsche Luftangriffe nach Abbots Langley in Hertfordshire verlegt wurde. Er beendete seine Schulzeit auf der dortigen Dorfschule und lernte von 1940 bis 1945 Landwirtschaft auf einem Gut.

Sarina Wolff unterlag wie alle Juden und Jüdinnen der Abgabepflicht von Edelmetallen und Schmuck. Vermögen an Geld oder Wertpapieren besaß sie nicht, die der Oberfinanzpräsident hätte einer "Sicherungsanordnung" unterwerfen können. Ihr Bruder David emigrierte von Berlin aus mit seiner Ehefrau Frieda, geb. Neumann, nach Palästina. Von eigenen Auswanderungsplänen Sarinas ist nichts bekannt, ebenso wenig von ihren familiären Kontakten.

Als im Herbst 1941 die "Aussiedlung" von Hamburger Jüdinnen und Juden "zum Aufbau im Osten" – wie die Deportationen beschönigend genannt wurden - begann, verließ als erste von Sarina Wolffs Verwandten ihre Schwägerin Rosa Förster, ehemals Simonsohn, mit ihrem Enkel Boris am 25. Oktober 1941 Hamburg. Sie wurden in das Getto von "Litzmannstadt"/Lodz gezwängt (siehe www.stolpersteine-hamburg.de). Mit dem nächsten Transport, der am 8. November 1941 in das Getto von Minsk führte, wurde Sarina Wolffs Bruder Jacob Blanari mit seiner Ehefrau Theophila (siehe www.stolpersteine-hamburg.de) deportiert. Rosa Blanari, ihre in Berlin lebende Schwester, wurde am 19. Januar 1942 in das Getto von Riga verschleppt.

Die Gestapo rief Sarina Wolff, die noch an ihrer Wohnadresse Durchschnitt 1 lebte, zum 15. Juli 1942 zur "Evakuierung" in das vermeintliche Altersgetto Theresienstadt auf. Ihre Schwägerin Bella Wolff, die geschiedene Ehefrau ihre Schwagers Theodor (siehe www.stolpersteine-hamburg.de), folgte ihr mit dem nächsten Transport am 19. Juli 1942. Während Sarina bereits am 23. Januar 1943 weiter nach Auschwitz deportiert wurde, erlitt Bella erst am 9. Oktober 1944 das gleiche Schicksal. Dort verlieren sich beider Spuren.

Sarinas Sohn Heinz-Manfred Wolff trat 1945 als Berufssoldat in die britische Armee ein und kam als Soldat nach Hamburg zurück. Von seinen Verwandten traf er nur noch den Onkel Michael Wolff an, den jüngeren Bruder seines Vaters. Von dem Schicksal seiner Mutter und aller anderen Deportierten erfuhr er erst sehr viel später. 1952 zog er nach Israel, wo er den Kibbuz Beth Chever mit aufbaute.

Sein Onkel Theodor Wolff war nach Schanghai geflohen und 1946 von dort in die USA gelangt. Er kehrte endgültig nach Hamburg zurück und heiratete nach 15jähriger Trennung seine seinerzeitige Verlobte, die er wegen der Nürnberger Rassegesetze nicht hatte heiraten können.

Stand: Mai 2021
© Hildegard Thevs

Quellen: 1, 4, 5 digital, 6, 7; Hamburger Adressbücher; StaHH 213-13 Wiedergutmachung, 12540; 351-11 Wiedergutmachung, 47764; Berliner Personenstandsregister; Central Datbase of Shoah Victims names, Page of testimony;
https://yvng.yadvashem.org/index.html? language=en&advancedSearch=true&sln_value=Volf%20Wolff&sln_type=synonyms&sfn_value=Heinz%20
Manfred%20Moshe&sfn_type=synonyms.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang