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Werner Rosenbaum, Ausschnitt aus Klassenfoto, 4. Klasse Wichernschule, 1927
© Archiv der Wichernschule

Werner Rosenbaum * 1916

Horner Weg 164 (Schule) (Hamburg-Mitte, Horn)


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WERNER
ROSENBAUM
JG. 1916
DEPORTIERT 1943
THERESIENSTADT
1944 SACHSENHAUSEN
SCHICKSAL UNBEKANNT

Werner Rosenbaum, geb. 28.8.1916 Hamburg, deportiert 5.5.1943 nach Theresienstadt, 1945 ins KZ Sachsenhausen eingeliefert, verschollen

Hammer Landstraße 80 / Horner Weg 164 (Schule)

Werner Rosenbaum entstammte mütterlicherseits der Schiffbeker Zimmermannsfamilie Bruns, die der evangelisch-lutherischen Kirche angehörte. Seine Mutter Emma Sophie war am 21.2.1894 geboren worden, später nach Hamburg gezogen und hatte bis zu ihrer Heirat mit dem jüdischen Bücherrevisor Dagobert Otto Rosenbaum im Hirschgraben 7 in Eilbek gewohnt. Otto Rosenbaum, geb. 30.7.1880 in Hamburg, war 13 Jahre älter als seine Ehefrau und lebte in der Marienthaler Straße 36 im benachbarten Hamburg-Hamm.

Bei ihrer Trauung am 25. September 1915 waren Otto Rosenbaums Mutter, Eleonore, geb. Löwenstein, und Emma Sophies Vater bereits verstorben. Ihr Onkel Ferdinand vertrat ihn als Trauzeuge. Obwohl Otto Rosenbaums Vater Markus Fränkel Scheier gen. Rosenbaum noch lebte, nahm er nicht die Stelle des Trauzeugen ein.

Otto und Emma Rosenbaum wohnten zunächst in der Marienthaler Straße 36. Dort kam am 28. August 1916 ihr erster Sohn zur Welt, Werner Paul. Er war erst drei Jahre alt, als sein Vater am 21. November 1919 im Alter von nur 39 Jahren starb. Otto Rosenbaum wurde auf dem jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel in Ohlsdorf beerdigt.

Emma Rosenbaum heiratete ein zweites Mal, wieder einen Juden: Sie wurde am 20. Oktober 1922 mit dem Kaufmann Hermann Salomon Bartnitzki, geb. 14.5.1890 in Königsberg, getraut. Er trat am 17. Januar 1923 in die Deutsch-Israelitische Gemeinde ein. Erst danach konvertierte Emma Bartnitzki zum Judentum und das Paar wurde von Rabbiner Simon Bamberger von der jüdischen Gemeinde in Wandsbek auch religiös getraut.

Hermann Bartnitzki betrieb in der Königstraße 21/23, der "Ottoburg" in der Hamburger Neustadt, ein handelsrechtlich eingetragenes Import- und Exportgeschäft für Maschinen und Textilwaren. Für das Geschäftsjahr 1923 veranlagte die jüdische Gemeinde ihn zur Zahlung von 100 000 RM Gemeindesteuern, woraus angesichts der großen Inflation dann, als er sie am 23. Oktober entrichtete, eine Milliarde Reichsmark geworden war. Nach dem Ende der Inflationszeit dauerte es fünf Jahre, bis er wieder Beiträge an die jüdische Gemeinde entrichtete. D.h. in dieser Zeit liefen seine Geschäfte sehr schlecht.

Sohn Werner wurde Ostern 1923 in die Grundschule der Wichernschule des Rauhen Hauses in Hamburg-Horn eingeschult und besuchte die erste Klasse, als am 6.5.1923 sein Bruder Günther geboren wurde. Die Familie zog nun innerhalb Hamms um, zunächst in die Mittelstraße 42, heute Carl-Petersen-Straße, und von dort in die Hammer Landstraße 80.
Günther Bartnitzki besuchte die private Grundschule Moosengel in der Ritterstraße in Eilbek und wollte dann auf die Hindenburg-Oberrealschule gehen, doch befürchteten die Eltern Benachteiligungen ihrer Söhne wegen ihrer jüdischen Herkunft. Werner verließ 1933 die Wichernschule mit dem Untersekunda-Abschluss, Günther machte 1937 seinen Abschluss auf der staatlichen Volksschule Pröbenweg.

Von 1931 bis 1936 erwirtschaftete Hermann Bartnitzki ein gutes Einkommen und wurde zu entsprechend hohen Gemeindebeiträgen veranlagt. Er hatte jedoch auch hohe Mietschulden und Krankenkosten angehäuft, dass sie ihm erlassen wurden.

Werner Rosenbaum ging 1934 bei der Speditionsfirma Adolf Blum und Popper, Mönckebergstraße 17, in die Lehre und blieb danach als gut bezahlter internationaler "Tarifeur" (Preisschätzer) in der Firma tätig. Auch Günther Bartnitzki durchlief eine Ausbildung im Speditionsgewerbe.

Hermann und Emma Bartnitzki gehörten mit ihren Söhnen der Jüdischen Gemeinde an. Wie alle Juden erlitten sie die Repressionen der NS-Regierung. Sie versuchten, sich diesen zu entziehen, indem sie ihre "(teil)arischen" Abstammungen geltend machten:
Hermann Bartnitzki war unehelich geboren und nannte als Vater einen "Arier", wodurch er die Anerkennung als "Mischling 1. Grades" erlangte. Nach NS-Ideologie war Emma Bartnitzki ohnehin "Arierin", aber aufgrund ihrer Konversion nun "Geltungsjüdin". Deshalb trat sie am 13. Juli 1938 mit ihren Kindern aus der jüdischen Gemeinde aus. Ihr Sohn Günther galt nun als Dreivierteldeutscher und war damit wehrwürdig. 1942 wurde er zur Wehrmacht eingezogen, während Werner, der bei seiner Geburt einen "volljüdischen" Elternteil hatte und zudem selbst zeitweise der jüdischen Gemeinde angehört hatte, weiterhin als "Geltungsjude" und damit als wehrunwürdig galt.

Nach 1940 wandte sich Hermann Bartnitzki wiederholt an den Jüdischen Religionsverband, wie die jüdische Gemeinde nun hieß, und bat darum, von jeglichen Steuern befreit zu werden, da er "ohne Verdienst und schwer herzleidend" war, wie am 26.5.1941, als er schrieb:
"Betrifft Betrag 1941
"Seit mehreren Jahren bin ich erwerbsunfähig und werde von dem arischen Teil meiner Familie unterhalten. Ich habe weder Einkommen noch Vermögen. Gleichzeitig bitte ich, dieses Schreiben als Eingabe um Erlass irgendwelcher Abgaben zu betrachten.
Salomon Bartnitzki, Hammerlandstr. 80"

Dank seiner Anstellung als gut bezahlter "Tarifeur" konnte Werner Rosenbaum seine Familie maßgeblich unterstützen. Er blieb zunächst unbehelligt, bis er als "Volksfeind" am 5. Mai 1943 mit einem kleinen Transport von 51 Hamburgerinnen und Hamburgern nach Theresienstadt deportiert wurde. Die Eltern lebten nun allein in der Wohnung, bis sie im Juli 1943 im Feuersturm ausgebombt wurden.

Günther starb 1944 als Soldat. Werner wurde Ende 1944 oder Anfang 1945 in das Außenlager Wulkow des KZ Theresienstadt überführt. Dort sollten Baracken als Ausweichquartier für das Reichssicherheitshauptamt errichtet werden. Emma Rosenbaum versuchte, ihren Sohn dort zu besuchen, was denunziert wurde. Daraufhin wurde Werner Rosenbaum in das KZ Sachsenhausen überstellt. Von dort schrieb er seiner Mutter am 13. Januar 1945 noch eine Postkarte. Sie blieb die letzte Nachricht von ihm. Ort und Zeitpunkt seines Todes sind unbekannt.

Die Eltern überlebten in Hamburg. Hermann Bartnitzki formulierte 1952 im Wiedergutmachungsverfahren ein Fazit des Familienschicksals in der NS-Zeit: "Die Tragik liegt darin, dass der eine Sohn als Verfolgter umgekommen ist, während der andere für sein Vaterland, das seinen Bruder und Vater verfolgte, gefallen ist."

Epilog
Hermann Bartnitzki starb am 21. Dezember 1976. Emma Bartnitzki, geb. Bruns, verw. Rosenbaum, erhielt als Hinterbliebene ihres Sohnes Werner Rosenbaum bis zu ihrem Tod im Pflegeheim Farmsen am 19. Februar 1977 eine Elternrente.

Stand: Januar 2020
© Hildegard Thevs

Quellen: 1, StaHH 522-1 Jüdische Gemeinde, 391 (Mitgliederverzeichnis 1935), 992 d (Steuerakten), 992 e 2, Band 5; 351-11 Wiedergutmachung, 45863, 12437, 16246; 335-2, Personenstandsregister; Wichern-Schule, Archiv; E-Mail-Nachricht 28.8.2018 Gedenkstätte Sachsenhausen; www.mybrandenburg.net/book/export/html/469; www.tenhumbergreinhard.de/1933-1945-lager-1/1933-1945-lager-w/wulkow-bei-neuruppin.html; www.rijo.homepage.t-online.de/pdf/DE_DE_JU_grunwald.pdf; www.moz.de/landkreise/maerkisch-oderland/seelow/artikel7/dg/0/1/1384709/, Zugriff 3.10.2018; JFHH.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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