Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Ilse, Liesel und Ellen Berger, ca.1928
Ilse, Liesel und Ellen Berger, ca.1928
© Privatbesitz

Ellen Ingrid Berger * 1924

Martin-Luther-King-Platz 3 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


ELLEN INGRID
BERGER
JG. 1924
DEPORTIERT 1942
AUSCHWITZ
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Martin-Luther-King-Platz 3:
Margarethe Altmann, Bela Anschlawski, Esther Ascher, Hannelore Ascher, Hanni Bernstein, Karl Heinz Bloch, Hildegard Cohen, Nathan Dan Croner, Heinz Dessau, Zita Feldmann, Jacob Fertig, Hans Frost, Alice Gramm, Else Grunert, Julius Hamburger, Oskar Helle, Julius Hermannsen, Rebecca Hermannsen, Elchanan Jarecki, Bertha Kleve, Peter Kopf, Erwin Kopf, Manfred Krauthamer, John Löw, Gerda Polak, Inge Polak, Erich Rosenberg, Mirjam Rothschild, Regine Rothschild, Rafael von der Walde

Ellen Ingrid Berger, geb. am 17.12.1924 in Wismar, am 11.7.1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet

Martin-Luther-King-Platz (früher Papendamm 3)

Ellen Ingrid Berger war eine Enkelin von Frieda Karseboom, für die in der Hansastraße sowie in Wismar Stolpersteine liegen. Ellens Eltern Käte Karseboom, geb. 11.8.1896 in Helmstedt, und der Kaufmann Jakob Berger, geb. 27.6.1884 in Hamburg, heirateten am 16.1.1920 in Wismar. Sie wohnten beide dort in der Lindenstraße, er in Haus Nummer 93, sie mit ihrer Familie in Haus Nummer 23. Beide waren jüdischen Glaubens.

Jakob Bergers Eltern waren der Schuldirektor Hirsch Berger und Pauline Berger, geb. Magnus, zum Zeitpunkt der Hochzeit bereits verstorben und zuletzt in Mainz lebend. Kätes Vater betrieb das Kaufhaus Karseboom, Hinter dem Rathaus in Wismar.

Käte hatte fünf Monate zuvor, im August 1919, in einem kleinen hessischen Ort eine uneheliche Tochter zur Welt gebracht, die kurze Zeit später von einem evangelischen Ehepaar adoptiert wurde. Bei der Volkszählung im Oktober, also zwei Monate später, ist sie im Haushalt ihrer Eltern verzeichnet, Jakob Berger lebte als Untermieter bei einer Wismarer Familie.

Ilse, die älteste Tochter von Käte und Jakob, kam im November 1920 in Wittenberge zur Welt, im März 1922 wurde die zweite Tochter Liesel in Wismar geboren. Zwei Jahre später folgte Ellen. Das Foto zeigt die drei Schwestern um 1928. Es ist das einzige, das von Ellen Ingrid existiert.

Im Wismarer Adressbuch von 1922 ist Jakob Berger erstmals verzeichnet unter "Berger, Jakob, Kaufmann, Lübschestr. 19." In der Lübschestraße 19 und 19a befanden sich neben Wohnungen auch das Geschäft und eventuell auch das Büro der Kommanditgesellschaft Rudolph Karstadt, "Emaille, Küchengeräte und Eisenwaren". Das legt den Schluss nahe, dass Jakob dort angestellt war und somit für den unmittelbaren Konkurrenten seines Schwiegervaters arbeitete.

Ab 1931 findet sich kein Eintrag mehr zu Jakob Berger in den Adressbüchern von Wismar. Tochter Liesel besuchte von 1929 bis 1932 die Bürgerschule in Neu-Strelitz. Wir wissen nicht, ob die ganze Familie zu der Zeit dort wohnte. 1933 gingen die drei Mädchen in Berlin zur Schule.

Ellens Mutter Käte starb im Juli 1933 mit nur 36 Jahren in Berlin-Spandau in einem Krankenhaus. Sie wohnte mit den Kindern in der Zweibrücker Straße 61, ihr Mann lebte zu dem Zeitpunkt von ihr getrennt in Neu-Strelitz. Die Großmutter Frieda Karseboom, Kätes Mutter, holte daraufhin die drei Geschwister nach Hamburg, wo sie im Mädchenwaisenhaus Paulinenstift im Laufgraben unterkamen und die Israelitische Höhere Töchterschule in der Carolinenstraße 35 besuchten.

Frieda Karseboom war eine vermögende Frau. Sie kam für den Unterhalt der Mädchen auf und unterstützte außerdem noch ihre Tochter Paula finanziell. Liesel, Ellens ältere Schwester, wurde laut Aufnahmebuch der Schule im März 1938 aus der Israelitischen Höheren Töchterschule entlassen und besuchte für einige Monate die "Wirtschaftliche Frauenschule auf dem Land" in Wolfratshausen bei Bad Tölz. Der Jüdische Frauenbund München betrieb die staatlich genehmigte Einrichtung seit 1926 in Verbindung mit einem schon länger bestehenden Erholungsheim. Hier erhielten Mädchen in einem Lehrjahr eine hauswirtschaftliche Ausbildung. Nach dem Novemberpogrom 1938 musste die Schule schließen.

Ilse, die älteste der Schwestern, war 1937 aus der Schule entlassen worden. Über ihre weitere Ausbildung wissen wir nichts. Ilse und Liesel gelang die Flucht in das Britische Mandatsgebiet Palästina. Für ihre Ausstattung und die Auswanderungskosten kam wiederum Frieda Karseboom auf. Frieda wollte mit der Familie ihres Sohnes ebenfalls nach Palästina auswandern, Ellen sollte mit der Kinder- und Jugend-Alijah dorthin gelangen. Diese jüdische Organisation versuchte, möglichst viele Kinder und Jugendliche aus dem Deutschen Reich in Sicherheit zu bringen und konnte etwa 21.000 Leben retten. Da Ellen "Bazillenträgerin" war erhielt sie jedoch das notwendige Zertifikt nicht und musste in Hamburg zurückbleiben. In einem Dokument aus den 1950er Jahren ist von Diphterie die Rede. Ihre Großmutter wollte sie nicht allein lassen und entschied sich dafür, bei ihr zu bleiben. Friedas Sohn dazu später:"Meine Mutter weigerte sich, das Kind allein in Deutschland zu lassen und kam dadurch auch ums Leben".

Nachdem Ellen die Höhere Töchterschule nicht mehr besuchen durfte, nahm sie an Hauswirtschaftskursen teil. Diese Kurse innerhalb des Paulinenstiftes wurden abgehalten, um einmal die jungen Mädchen, die dort wohnten, vor Verfolgungsmaßnahmen zu schützen und zum anderen, um sie im Jüdischen Krankenhaus und den Altersheimen zur Unterstützung des Personals einzusetzen.

Ellens Vater Jakob hatte 1935 – zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau – in Berlin wieder geheiratet. Er starb am 6.5.1941 in der Auguststr. 14/15, wo er auch wohnte. Das Gebäude wurde zu dieser Zeit als Alters- und Siechenheim genutzt. Die Beisetzung auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee organisierte seine Ehefrau Lola Berger, geb. Edel, geb. 4.9.1893 in Berlin. Sie lebte zu dem Zeitpunkt in der Salzburger Straße 14 (bei Heymann) und wurde am 25.1.1942 nach Riga deportiert.

Zurück nach Hamburg:
Die Haushaltungsschule des Paulinenstiftes war im Sommer 1941 aufgelöst worden. Kurz nach den November-Deportationen musste die Leiterin Hildegard Cohen mit den restlichen Kindern und dem Personal zum Waisenhaus am Papendamm 3 umziehen. Wie ein Bericht vermerkt, herrschten dort Not und Enge, denn auch alte Menschen wurden dort einquartiert, das Gebäude wurde als "Judenhaus" genutzt.

Im Juni 1942 mussten die Bewohner nochmals zusammenzurücken., denn mehr als 70 Kinder mit ihren Lehrern und Lehrerinnen waren auf Antrag der Hamburger Schulverwaltung aus ihrem Schulhaus an der Carolinenstraße 35 vertrieben worden. Im hoffnungslos überfüllten "Schlößchen" drängten sie sich an fünf Vormittagen in der Woche zusammen und erhielten einen notdürftigen Unterricht, bis auch diese "Schule" am 30. Juni 1942 von den Nationalsozialisten aufgelöst wurde. Nur wenige Tage später kam der Deportationsbefehl für Hildegard Cohen, ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, und 14 Zöglinge des Waisenhauses, die Jüngsten noch nicht drei Jahre alt. Ellen ist auf der Deportationsliste als "Arbeiterin" eingetragen, eventuell musste die 17-jährige also noch Zwangsarbeit leisten. Der Transport führte nach Auschwitz, wo alle Teilnehmenden ermordet wurden.

Ihre Großmutter wurde am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Vorher hatte sie für 22.445,49 Reichsmark einen "Heimeinkaufsvertrag" abschließen müssen. Dieser "Vertrag" sah die Übertragung ihrer gesamten Ersparnisse an die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland vor, die diese fiktive Gegenleistung war die lebenslange Nutzung eines "Heimplatzes" in Theresienstadt. Das von der Reichsvereinigung eingesammelte Geld beschlagnahmte am Ende die Gestapo.

Frieda Karseboom starb am 22. November 1942 in dem Getto.


Stand: Mai 2019
© Sabine Brunotte

Quellen: 1;3; 5; 8; StaH 332-5_ 2079; schriftliche Auskunft Archiv centrum judaicum Berlin, E-Mail vom 23.2.2018; schriftliche Auskunft Falk Bersch, E-Mails vom 18.1.2019 und 25.1.2019; schriftliche Auskunft Eric Brück, E-Mail vom 25.1.2019; schriftliche Auskunft Stadtarchiv Wismar, E-Mail vom 29.1.2019; StaH 741-4 Sa 1247; StaH 351-11_46911; StaH 35-11_1693; StaH 351-11_45625; www.alemannia-judaica.de zu Wolfratshausen (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen) Jüdische Einrichtungen bis nach 1933, letzter Zugriff 19.1.2019; https:// de.wikipedia.org.wiki zu Kinder -und Jugend-Alijah, letzter Zugriff 19.1.2019; www.statistik-des-holocaust.de, Deportationslisten, letzter Zugriff 19.1.2019; Johann-Hinrich Möller, Erinnerung an die von den Nationalsozialisten ermordeten Kinder, Betreuerinnen und Erzieher der ehemaligen Hamburger Waisenhäuser Papendamm 3 und Laufgraben 37, Hamburg, Juni 2006, online Ausgabe unter stolpersteine-hamburg.de, eingesehen am 17.1.2019.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang