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Rifka Zuckermann (geborene Rosenstock) * 1879

Behringstraße 12 (Altona, Ottensen)


HIER WOHNTE
RIFKA ZUCKERMANN
GEB. ROSENSTOCK
JG. 1879
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
13. JUNI 1937

Mathilde Zuckermann, geb. am 25.4.1905 in Tereblestie/ Rumänien, ermordet am 23.9.1940 in der "Landes-Pflegeanstalt" Brandenburg an der Havel
Moses Chaim Zuckermann, geb. am 30.6.1884 in Olkusz (Bezirk Olkuski/ Polen), im April 1938 geflohen aus Deutschland, im Juni 1942 deportiert aus Olkusz nach Auschwitz, ermordet
Liba (Chajafrajne) Zuckermann, geb. Majteles, geb. am 21.10.1886 in Wolbrom (Bezirk Olkuski/ Polen), im April 1938 geflohen nach Polen, im Juni 1942 deportiert aus Olkusz nach Auschwitz, ermordet
Ruchla Zuckermann, geb. 1912 in Olkusz (Bezirk Olkuski/Polen), im April 1938 geflohen nach Polen, im Juni 1942 deportiert aus Olkusz nach Auschwitz, ermordet
Miriam Zuckermann, geb. 1917 in Olkusz (Bezirk Olkuski/ Polen), im April 1938 geflohen nach Polen, im Juni 1942 deportiert aus Olkusz nach Auschwitz, ermordet.

Poolstraße 12, Hamburg-Neustadt

Rifka (Rosa) Zuckermann, geb. Rosenstock, geb. am 5. 4. 1879 in Proworokie (unweit Sereth/Galizien), Suizid 13.4.1937 in Hamburg-Altona

Behringstraße 12, Ottensen

Im Folgenden werden Menschen aus drei Familien mit dem Nachnamen Zuckermann beschrieben. Ihre Wege berührten sich in den 1930er Jahren in Hamburg-Neustadt. Ob sie verwandtschaftlich verbunden waren, lässt sich jedoch nicht nachweisen. Ihre Geschichten werden hier zusammengefasst dargestellt, weil sie vorübergehend zur selben Zeit in der Poolstraße 12 in Hamburg-Neustadt wohnten. Es handelt sich um: Mathilde Gusta Zuckermann, die mit ihrer Familie aus Galizien nach Altona einwanderte. Sie wurde am 23. September 1940 zusammen mit weiteren 134 Jüdinnen und Juden in der Mordanstalt Brandenburg an der Havel ermordet.

Die Familie des Kaufmanns Herbert Chaim David Zuckermann, bei der Mathilda Gusta Zuckermann kurzzeitig wohnte.
Die Familie des Kaufmanns Moses Chaim Zuckermann, zu der seine Frau Liba, die Töchter Ruchla und Miriam sowie der Sohn David gehörten. Nur David Zuckermann überlebte Verfolgung und Deportation.

Mathilde Gusta Zuckermanns Geburtsort Tereblestie liegt im Norden der Bukowina, einem Landstrich in Galizien, der heute zur Ukraine gehört und an Rumänien grenzt. Die frühere jüdische Bevölkerung orientierte sich stark an der deutschen Kultur. Hier lebte das wahrscheinlich nach jüdischem Ritus verheiratete Paar Sruel Zuckermann, geboren am 30. Juni 1877 in Sereth, und Rifka, geb. Rosenstock, geboren am 5. April 1879 in dem unweit von Sereth gelegenen Ort Proworokie. Am 25. April 1905 bekamen Rifka und Sruel Zuckermann in Tereblestie ihr erstes Kind, Mathilde Gusta, und am 27. Januar 1906 den Sohn Moses Chaim, der später Max genannt wurde. Nach ihrer Einwanderung in Altona wurde am 17. Mai 1910 das dritte Kind, die Tochter Salie, geboren.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation in der Region Bukowina mit der Folge, dass sich viele Menschen zur Abwanderung entschlossen, so auch die Familie von Sruel Zuckermann. Zwischen Anfang 1906 und Frühjahr 1910 ließ sie sich in der damals preußischen Stadt Altona nieder. Diese Zeitspanne ergibt sich aus den Geburtsdaten von Moses Chaim und seiner am 17. Mai 1910 in Altona geborenen Schwester Salie. Sruel und Rifka heirateten am 8. Oktober 1912 standesamtlich. Die bis dahin geborenen und von den Behörden als nichtehelich eingestuften Kinder wurden nun nach deutschem Recht formal legitimiert. Auf Sruel und Rifka Zuckermanns Heiratsurkunde wurde vermerkt: "die Eheleute [...] erklärten, daß sie folgende Kinder 1: Gusta, geboren am 25. April 1905 in Sereth in der Bukowina; 2: Moses geboren am 27. Januar 1906 in Sereth und 3: Salie geboren am 17. Mai 1910 in Altona Ottensen, Geburtskurkunde des Standesamts Altona II Ottensen Nr. 481 für 1910 als von ihnen gemeinsam erzeugt hiermit anerkennen."

Die Familie wurde zunächst als staatenlos angesehen, später wurden ihr die österreichische und die rumänische Staatsangehörigkeit zugeordnet. Möglicherweise als Akt der Anpassung an das vorherrschende nichtjüdische Umfeld, aber auch an hiesige Schreibweisen, änderten Sruel und Rifka ihre Vornamen und die ihrer Kinder. Aus Sruel wurde Israel, Rifka hieß nun Rosa, aus Gusta wurde Mathilde, Moses wurde Max und Salie hieß fortan Sophie. Die neuen Namen finden sich auf verschiedenen Kultussteuerkarteikarten der Jüdischen Gemeinde (= Nachweise über Steuern, die die Jüdische Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts von ihren Mitgliedern erheben konnte). Die Namensänderungen wurden jedoch nicht formell vorgenommen. Das ergibt sich aus den Sterbeurkunden von Sruel/Israel und Rifka/Rosa Zuckermann, in denen sich die ursprünglichen Vornamen Sruel und Rifka finden.

Die Familie blieb anscheinend für lange Zeit in Altona. Sie wohnte zur Zeit von Sruels und Rifkas standesamtlicher Heirat 1912 in der Kleinen Rainstraße 10. Später ließ sich die Familie in der benachbarten Bahrenfelder Straße 201 nieder. Israel Zuckermann betrieb dort eine Möbelhandlung, die sich gut entwickelte. Er starb aber schon am 3. Februar 1921 im Alter von 43 Jahren im Hamburger Israelitischen Krankenhaus.

Rifka/Rosa Zuckermann musste nun allein für ihre drei noch nicht volljährigen Kinder sorgen. Sie führte das Möbelgeschäft, das sich über eine große Fensterfront mit drei großen Schaufenstern erstreckte. In den 1930er Jahren verkleinerte Rifka/Rosa Zuckermann das Geschäft infolge der durch die nationalsozialistischen Boykottmaßnahmen rapide rückläufigen Umsätze und verlegte es in die Friedensallee, Ecke Roonstraße (heute Behringstraße). Am 13. Juni 1937 nahm sie sich das Leben. Ihrer Tochter Sophie zufolge fühlte sie sich den zunehmenden Diskriminierungen und den damit verbundenen materiellen Sorgen nicht mehr gewachsen. Daraufhin wurde der Geschäftsbetrieb eingestellt.

Mathilde Gusta Zuckermann trug als Stenotypistin zum Lebensunterhalt ihrer Familie bei. Sie hatte bei ihrer Mutter zunächst in der Bahrenfelder Straße und dann in der Roonstraße 12 gewohnt, wahrscheinlich bis ihre Mutter gestorben war. Die unverheiratete Mathilde Zuckermann gehörte seit 1928 der Jüdischen Gemeinde Altonas an. In der Wirtschaftskrise von 1929 verlor sie wie so viele ihren Arbeitsplatz. Die Jüdische Gemeinde veranlagte sie aber in den Folgejahren bis 1937 zur Kultussteuer, Mathilde hatte wohl doch wieder eine Beschäftigung gefunden. Wahrscheinlich nach dem Tod ihrer Mutter zog sie in die Poolstraße 12 in Hamburgs Neustadt.

Dort lebten zwei Familien die ebenfalls Zuckermann hießen. Beide waren aus Polen nach Hamburg eingewandert. Es ist möglich, dass diese Familien miteinander und wohl auch mit Mathilde Zuckermann verwandt waren. Belege dafür konnten jedoch nicht gefunden werden.

Die aus Altona zugezogene Mathilde Gusta Zuckermann wohnte zunächst in der Familie des Kaufmanns Herbert Chaim David Zuckermann, geboren am 10. Mai 1886 in Lukow nördlich von Lublin. Zu der Familie gehörten die Ehefrau Mathilde, geborene Elias, geboren am 23. Februar 1892, und die Tochter Ruth, geboren am 3. Januar 1922. Herbert Zuckermann war seit 1931 im Hamburger Adressbuch in der Poolstraße 12 verzeichnet, zunächst mit einer Nähstube, dann ergänzt um den Hinweis "Bettwäsche".

Mathilde Gusta Zuckermanns Untermietverhältnis hier war nur von kurzer Dauer, denn Herbert Chaim David Zuckermann flüchtete im März 1938 aus Deutschland zusammen mit seiner Ehefrau Mathilde und seiner Tochter Ruth nach Südamerika. Er musste Grundstücke und ein gutgehendes Bettwäscheunternehmen zurücklassen. In Sao Paulo lebte die Familie in ärmlichen Verhältnissen.

Wahrscheinlich wohnte Mathilde Gusta Zuckermann nun bei der zweiten Familie gleichen Namens in der Poolstraße 12. Zu dieser Familie gehörten Moses Chaim, seine Ehefrau Liba und die Kinder Ruchla, Miriam und David Zuckermann. Diese Familie verließ Deutschland im April 1938 und ging nach Polen. Das Schicksal dieser Familie wird unten beschrieben.

Wir wissen nicht, ob Mathilde Zuckermann nach der Flucht ihrer Vermieter noch in der Wohnung in der Poolstraße bleiben konnte. Am 11. Mai 1939 wurde sie im Versorgungsheim Oberaltenallee aufgenommen und dann in das Versorgungsheim Farmsen verlegt. Die Gründe für die Anstaltsaufnahme sind unklar. Die drohende Obdachlosigkeit mag dazu beigetragen haben.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen. Am 18. September 1940 wurde Mathilde zusammen mit den anderen im Versorgungsheim Farmsen lebenden Jüdinnen und Juden in die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn überführt.

Nachdem alle jüdischen Patienten aus den norddeutschen Anstalten in Langenhorn eingetroffen waren, wurden sie gemeinsam mit den dort bereits länger lebenden jüdischen Menschen am 23. September 1940 in einem Transport von insgesamt 136 Menschen nach Brandenburg an der Havel gebracht. Noch am selben Tag wurden sie in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxyd getötet. Nur eine Patientin, Ilse Herta Zachmann, entkam diesem Schicksal zunächst (Biographie siehe www.stolpersteine-hamburg.de).

Es ist nicht bekannt, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Mathilde Gusta Zuckermanns Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) verstorben sei. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in dieser Stadt nordöstlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend längere Verpflegungskosten einfordern zu können.

Mathilde Gustas Bruder, der als Kaufmann arbeitende Max Zuckermann, hatte die evangelische Frieda Buck geheiratet, geboren am 5. Juni 1907 in Coburg. Das Ehepaar bekam drei Kinder, Ingrid, geboren am 9. Februar 1932, Peter, geboren am 2. Januar 1934, und Ralf, geboren am 10. November 1938. Am 21. Mai 1937 wurde Max Zuckermann wegen "Vergehens gegen die Verordnung vom 20. Dezember 1934" in Haft genommen. Wahrscheinlich war damit das sogenannte Heimtückegesetz gemeint, nach dem u.a. bestraft wurde, wer die nationalsozialistische Führung beleidigt oder "vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet […]" hatte. Der Tatvorwurf und die Haftdauer sind nicht überliefert. Max soll Deutschland 1938 verlassen haben. Seine Frau Frieda Zuckermann lebte während der Volkszählung im Mai 1939 noch in Hamburg. Ihre weiteren Schicksale kennen wir nicht. Peter und Ralf Zuckermann wohnten im Wikingerweg 11 in Hamburg-Borgfelde. Sie kamen bei einem Luftangriff am 28. Juli 1943 ums Leben. Ingrid Zuckermann überlebte den Zweiten Weltkrieg.

Sophie Zuckermann war ausgebildete Kontoristin und Stenotypistin. Sie heiratete 1938 den jüdischen Schlosser Ludwig Paul Lubascher, geboren am 14. Januar 1913 in Hamburg. Das Ehepaar Lubascher verließ Hamburg im November 1938. Von Le Havre aus fuhr es mit dem Dampfer "Belle Isle" nach Montevideo. Nach wenigen Tagen in Uruguay reiste das Paar illegal nach Argentinien ein. Es erhielt 1941 die Aufenthaltserlaubnis.

Zu der bereits erwähnten, im April 1938 aus Deutschland nach Polen geflohenen Familie Zuckermann gehörten der Kaufmann Moses Chaim Zuckermann, seine Frau Liba, die Töchter Ruchla und Miriam sowie der 1924 geborene Sohn David. Diese Familie wurde seit 1934 im Hamburger Adressbuch in der Poolstraße 12 aufgeführt. Bei Kriegsbeginn lebte sie in Olkusz, dem Geburtsort der drei Kinder, nicht weit entfernt von Krakau. Olkusz wurde im September 1939 von der deutschen Wehrmacht besetzt und zunächst in Olkusch umbenannt. Von 1941 bis 1945 wurde der deutsche Name Ilkenau vorgegeben. Die Juden in der Kleinstadt wurden zu Zwangsarbeit verpflichtet. Moses Chaim, der Familienvater, wurde zu Aufräumungsarbeiten herangezogen. Liba, seine Frau, musste Reinigungsarbeiten in deutschen Dienststellen leisten. Im Juni 1942 wurden die Eltern und die Töchter Ruchla und Miriam nach Auschwitz deportiert. Der Sohn David erhielt im Januar 1943 noch ein letztes Lebenszeichen von ihnen. Diese vier Menschen wurden in Auschwitz ermordet. Sie wurden später für tot erklärt.

David, der damals fünfzehnjährige Sohn, musste zunächst beim Bau einer Kleinbahn Zwangsarbeit leisten. Ab März 1941 befand er sich mehr als ein Jahr in dem Zwangsarbeitslager Gogolin südlich von Oppeln, danach bis Februar 1945 im Konzentrationslager Bunzlau, einem Außenlager des Konzentrationslagers Groß-Rosen. Von dort wurde er auf einen Fußmarsch nach Nordhausen in das Kommando Dora des Konzentrationslagers Buchenwald befohlen. Schließlich wurde er auf dem Wege in das Konzentrationslager Bergen-Belsen von der britischen Armee befreit. David Zuckermann lebte nach dem Krieg zunächst in Hamburg und wanderte dann in die USA aus.

Stand: November 2023
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 9;
Zu Mathilde Zuckermann: StaH 332-5 Standesämter 840 Sterberegisterauszug Nr. 64/1921, Sruel Zuckermann, 1174 Sterberegisterauszug Nr. 1344/1943 Peter Zuckermann, 1174 Sterberegisterauszug Nr. 1345/1943 Ralf Zuckermann, 5095 Sterberegisterauszug Nr. 407/1937 Rifka Zuckermann, 5807 Heiratsregisterauszug Nr. 400/1912 Sruel Zuckermann/Rifka Rosenstock; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 4167 Rifka Zuckermann, 38803 Ludwig Lubascher; 332-8 Meldewesen K 4590 Meldekarte Zuckermann;
Zu Herbert (Chaim David), Mathilde geb. Elias und Rosel (Ruth) Zuckermann: StaH 332-5 Standesämter 2283 Geburtsregister Nr. 837/1892 Mathilde Elias, 351-11 Amt für Wiedergutmachung 45302 Zuckermann Ruth Berger Rosel Ruth Elias Mathilde, 8818 Zuckermann Herbert Chaim;
Zu Moses Chaim, Liba, Ruchla, Miriam und David Zuckermann:
StaH 351-1 Amt für Wiedergutmachung 46311 Zuckermann David.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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