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Jacob Blanari schreibt an Schultafel
Jacob Blanari
© Privat

Jacob Blanari * 1880

Weidenallee 10 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
JACOB BLANARI
JG. 1880
DEPORTIERT 1941
MINSK
???

Weitere Stolpersteine in Weidenallee 10:
Theophile Blanari

Jacob (Ernst) Blanari, geb. am 27.8.1880 in Berlin, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Theophile Blanari, geb. Weile, geb. am 19.7.1880 in Prechlau (Przechlewo/Polen)), deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Weidenallee 10

Jacob Blanari, dessen Nenn-Name Ernst war, leitete seit 1935 die Lehr­werk­statt für Tischler in der Weidenallee 10a, die im März 1934 von der Deutsch-Israelitischen Gemeinde eingerichtet wor­den war. Dort gab es auch noch eine Lehr­werk­statt für Schlos­ser. In den Werk­stätten wurden jüdische Ju­gend­liche auf ihre Auswanderung nach Paläs­tina vorbereitet. Da Jacob Blanari sich beruf­lich für die Hachschara von jüdischen Jugend­li­chen und ihre Rei­se nach Palästina engagierte, lag es für die Familie sicher nahe, die Kinder Bla­nari ihre Zukunft außerhalb Deutschlands suchen zu lassen. Die Eltern blieben, viel­leicht hatten sie nicht mehr den Mut, einen Neu­anfang in einem an­de­ren Teil der Welt zu versuchen.

Jacob Ernst Blanari stammte aus Berlin. Seine Eltern waren Hermann Blanari, ein Kürschnermeister, und Anna, geb. Näk­ler (oder Hanna, geb. Mekler, geb. 1853). Er hatte noch fünf Geschwister: Frida, Rosa, Fanni, Sarina (Nenn-Name Klara) und David (Nenn-Name Fritz). Für Sarina Wolff, geb. Blanaré, liegt ein Stolperstein in der Osterstraße 83 (Biographie www.stolpersteine-hamburg.de). Seine Ehe­frau Theophila stamm­te aus Westpreußen. Der Kreis Schlochau war nach der Ers­ten Polni­schen Teilung 1772 preußisch geworden. 1871 lebten 55 Juden in Prech­lau, danach nahm ihre Zahl ab. Das Ehe­paar Blanari hatte vier Kin­der, Hermann (geb. 1905), Erwin (geb. 1906), Cäcilie (geb. 1908, gest. 1925) und Elfriede (geb. 1915, gest. 2009). Her­mann und Erwin wurden in Berlin geboren, Cäcilie in Fins­ter­walde und Elfriede in Altona. Was bedeutet, dass die Familie erst nach 1908 nach Altona bzw. Hamburg gezogen sein dürfte.

In der Zeit vor 1933 hatte Jacob Blanari versucht, mit mehreren Geschäften und Fabrika­tions­räumen für Haushaltsgegenstände seinen Lebensunterhalt zu verdienen. 1919 soll er ein Ge­schäftslokal im Alten Steinweg 61 III für eine Möbeltischlerei und eine Beiz- und Po­lier­anstalt angemietet haben. Im Adressbuch 1920 und den Folgejahren findet sich tatsächlich ein Ein­trag: Blanari, J., Möbelfabrik, Alter Steinweg 61, Hinterhaus, Verkaufsräume Schaar­stein­weg 6, Wohnung: Steinweg Passage 1. 1920 meldete er ein Gewerbe für Manufak­turwaren unter der Adresse Hütten 123 an. In Wandsbek soll er laut Wieder­gut­machungs­akte ein Geschäft für Seifen- und Parfümeriewaren geführt haben, und in Bergedorf bis 1932 ein Möbel­ge­schäft in der Chrysanderstraße 3–9. Die Familie wohnte angeblich eine Zeit lang in Wands­bek, und Jacob Blanari soll dort auch Betriebsräume zur Herstellung von Haus­haltsartikeln wie Wasch­bretter, Klammern usw. gemietet gehabt haben. Diese Angaben lassen sich aber anhand der Adress­bücher nicht verifizieren.

1926 taucht im Hamburger Adressbuch die Tornquiststraße 23 als Wohnadresse auf und An­fang der 1930er Jahre Alsenstraße 13 und Eppendorfer Weg 73. Bevor Jacob Blanari seine Tätig­keit in der Lehrwerkstatt aufnahm, scheint die Familie ein finanziell sehr prekäres Leben geführt zu haben, verbunden mit immer neuen Versuchen, den Lebensunterhalt zu verdienen, und mit häufigen Umzügen. Die Möbelfabrikation vom Anfang der 1920er Jahre ließ sich vermutlich in der Zeit von Inflation und Wirtschaftskrise nicht fortführen. Bis zu seiner Deportation arbeitete Jacob Blanari in der Lehrwerkstatt. Das Ehepaar erhielt den Befehl zur zweiten großen Deportation nach Minsk, wo sich seine Spur verliert. Die Deportation der Blanaris bedeutete auch das Ende der jüdischen Tischler-Lehrwerkstatt in der Weidenallee. Danach zog der Schauspieler und Tischler Fritz Benscher mit den Materialien der Werkstatt in das Kultus­ge­bäude des jüdischen Friedhofs in Stellingen-Langenfelde, wo er die Werkstatt weiter betrieb und Särge herstellte, die von der Gemeinde benötigt wurden.

Die Kinder Hermann, Erwin und Elfriede Blanari überlebten in der Emigration. Hermann Bla­na­ri emigrierte nach Palästina und kehrte 1953 nach Hamburg zurück. Er ist auf dem jüdischen Friedhof in Hamburg begraben. Erwin gelangte mit seiner Frau Olga, geb. Benjamin, und seinem 1935 geborenen Sohn Ernst im August 1938 nach Kolumbien. 1942 wurde dort der zweite Sohn Teodor Benjamin Blanari geboren. Elfriede wanderte 1934 über Jugoslawien nach Palästina aus. Sie erhielt eine landwirtschaftliche Ausbildung, und zwar auf einem Gut des jüdischen Ba­rons Gutmann, das dieser dem Hechalutz zur Verfügung gestellt hatte und das sich in der Nähe von Subotica befand. Nach ihrer Heirat hieß sie Elfriede Richheimer (Rich). In den 1950er Jahren kehrte sie für kurze Zeit nach Deutschland zurück und ging dann in die USA.

Stand: Februar 2023
© Susanne Lohmeyer

Quellen: 1; 4; StaH 351-11 AfW, AZ 040515 und AZ 160306 und AZ 270880 und AZ190780; Peter Offenborn: Jüdische Jugend, S. 347, 806, 830, 839; Daniel Hoffmann, Lebensspuren meines Vaters, Göttingen 2007, S. 63; Beate Meyer, Fritz Benscher. Göttingen 2017, S. 50ff.; Israelitisches Familienblatt v. 27.6.1935, S. I/II; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 992e2 Band 2 Deportationsliste; HAB II 1920, 1923, 1926, 1939, 1942; http://mywebtimes.com/archives Zugriff am 5.6.2012; mail von Teodor Benjamin Blanari vom 29.7.2013.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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