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Theodor Bloch in Anstaltskleidung, 1930 bei seiner Aufnahme in der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn
Theodor Bloch, 1930 bei seiner Aufnahme in der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn
© StaH

Theodor Wolff Bloch * 1884

Kohlhöfen 8 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
THEODOR WOLFF
BLOCH
JG. 1884
"SCHUTZHAFT" 1936
STRAFANSTALT RENDSBURG
DEPORTIERT 1942
AUSCHWITZ
ERMORDET 28.1.1943

Theodor Wolff Bloch, geb. am 16.4.1884 in Hamburg, deportiert am 3.12.1942 aus der Haftanstalt Rendsburg nach Auschwitz, dort ermordet am 28.1.1943

Kohlhöfen 10

Theodor Bloch, der als Soldat am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte, sah nach Kriegsende in den Jahren der Inflation und der allgemeinen Weltwirtschaftskrise für sich keine andere Möglichkeit, als sein Auskommen durch kleine Diebstähle und Betrügereien zu sichern. Zwar rechtfertigte er seine wiederholten Eigentumsdelikte nicht, sie waren aber, wie er angab, die Gründe, warum er wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt geriet. Nach Verbüßung seiner zwölften Haftstrafe kam Theodor Bloch für weitere sechs Jahre in "Sicherungsverwahrung". Im November 1933 hatte der NS-Staat das "Gewohnheitsverbrechergesetz" eingeführt, was eine solche Maßnahme legalisierte.

Theodor Bloch wurde als Sohn jüdischer Eltern am Zeughausmarkt 29 geboren. Seine Mutter Bertha/Betty, geb. Meier/Meyer, stammte aus Kopenhagen, wo sie am 28. September 1853 als Tochter des Agenten Adam Meier und Caroline, geb. Bauer, zur Welt gekommen war. Theodors Vater, Reinhold Bloch, war Koch, Gastwirt und zuletzt Lohndiener. Er war im Alter von 39 Jahren am 13. Januar 1886 in der "Irrenanstalt" Friedrichsberg an den Spätfolgen einer unbehandelten Syphilisinfektion verstorben, als sein Sohn noch keine zwei Jahre alt war.

Theodors Mutter musste für den Lebensunterhalt ihrer Familie allein sorgen, zu der neben seinen älteren Schwestern Selma, geboren am 28. Juni 1879 und Pauline/Paula, geboren am 10. Mai 1881, auch der am 11. Januar 1891 geborene Halbbruder Adolph Theodor Meyer gehörte. Theodor Bloch besuchte die Volksschule und wurde nach seinen Angaben 12-jährig "konfirmiert". Bis zu seinem 16. Lebensjahr arbeitete er als Laufbursche und konnte nach einer kurzen Unterbringung im städtischen Waisenhaus in der Averhoffstraße eine Sattler- und Tapeziererlehre in Wismar absolvieren. In seinem erlernten Beruf blieb er bis zu seiner Einberufung 1905. Nach einer militärischen Ausbildung diente er in der 3. Schwadron der Wandsbeker Husaren als "Ökonomiehandwerker", der u. a. für die Anfertigung der Truppenbekleidung zuständig war. Nach seiner Entlassung 1907 ging er auf Reisen, verkaufte als Handelsvertreter Versicherungen und akquirierte Aufträge für Porträtvergrößerungen. 1914 wurde er eingezogen und nahm im Ersten Weltkrieg am Feldzug in Rumänien teil. Während des Krieges, am 20. Juli 1915, starb seine Mutter Bertha im Haushalt ihrer Tochter Pauline Dratwa, geb. Bloch, im Hohlerweg 21. Am 9. Juli 1916 starb auch die Schwester Selma Krüger, geb. Bloch.

Nach Kriegsende handelte Theodor Bloch mit gebrauchter Kleidung, "wodurch er sich so eben das Leben fristen konnte" und wohnte zur Untermiete, 1927 in der Mühlenstraße 34 (heute ein Teil der Gerstäckerstraße) und zuletzt in der Straße Kohlhöfen 10. Wie eingangs erwähnt, geriet Theodor Bloch immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt und musste sich wiederholt vor dem Amtsgericht Hamburg verantworten. Bis zum 12. Februar 1930 verbüßte er in der Haftanstalt Fuhlsbüttel eine einjährige Zuchthausstrafe wegen Diebstahls. Nach seiner Entlassung leistete er als Fürsorgeempfänger "Pflichtarbeit" und hoffte auf eine Festanstellung.

Am 13. Oktober 1930 machte Theodor Bloch die Bekanntschaft mit dem ehemaligen "Kuhfütterer" Karl Barbier und empfahl diesem, da er in Hamburg ortsunkundig war, eine Pension im Kornträgergang. In der dort angrenzenden Wirtschaft tranken sie gemeinsam mit anderen und besuchten im Anschluss noch weitere Lokale, zuletzt eine Wirtschaft am Zeughausmarkt. Theodor Bloch, der sonst keinen Alkohol trank, war wie auch Karl Barbier in dieser Nacht stark angetrunken. Auf seinem Heimweg in das ehemalige, für Fremde nicht ganz ungefährliche Gängeviertel, verlief sich Karl Barbier und wurde in den Anlagen am Holstenwall überfallen.

Als mehrfach Vorbestrafter geriet Theodor Bloch in Verdacht und wurde am folgenden Tag auf Veranlassung eines "Polizeispitzels" verhaftet. Am 23. Dezember 1930 wurde er wegen möglicher Unzurechnungsfähigkeit zur Beobachtung in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn verlegt. Der gutachtende Arzt beschrieb Theodor Bloch als "bescheiden und leicht zu leiten, zur Arbeit in Schuhmacherei Lust und Geschick. [...] Der Grund seines Versagens im freien Leben ist also wohl mehr in ungünstigen äußeren Verhältnissen, als in ihm selbst zu suchen."

Am 27. Februar 1931 wurde Theodor Bloch zu einer achtjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Sein Rechtsanwalt Kabelmann erreichte in einer zweiten Verhandlung am 9. Mai 1931 eine Haftzeitreduzierung auf sechs Jahre, da die Beweise nicht eindeutig waren. Unter normalen Umständen hätte Theodor Bloch somit am 19. Dezember 1936 aus dem Zuchthaus in Bremen-Oslebshausen, wo er seine Strafe verbüßte, entlassen werden müssen. Doch die Zeiten hatten sich geändert und die Bremische Vollzugsanstalt fragte am 17. November 1936 beim Oberstaatsanwalt in Hamburg nach, ob bei dem "gefährlichen Gewohnheitsverbrecher" ein "Sicherungsverfahren" eingeleitet worden sei.

Am 15. Dezember 1936 wurde Theodor Bloch nach Hamburg überführt und am 15. März 1937 in die Sicherungsanstalt Rendsburg verlegt. Eine erste Haftprüfung sollte erst drei Jahre später erfolgen. In Theodor Blochs Gefängnisakte sind drei Briefe an das Landgericht Hamburg erhalten geblieben. Einen schrieb er aus dem Zuchthaus Bremen-Oslebshausen im Dezember 1936, zwei Briefe aus der Sicherungsanstalt Rendsburg Ende Februar 1938 und Anfang Dezember 1939, in denen er wiederholt den Überfall bestritt und seine Unschuld beteuerte.

Der Rabbiner Paul Holzer (geb. 1892, gest. 1975) von der Neuen Dammtor-Synagoge, der bis ca. 1937 auch Seelsorger für die jüdischen Untersuchungs- und Strafgefangenen war, unterstützte ihn in seinen Bemühungen, aus der "Sicherungsverwahrung" entlassen zu werden. Diese Bemühungen blieben jedoch erfolglos. Ein Vermerk der Rendsburger Gefängnisleitung vom 6. Juni 1942 teilte noch mit: "Der hier einsitzende Sicherungsverwahrte Theodor Bloch hat den zusätzlichen Vornamen Israel angenommen." Seit 1939 mussten Juden und Jüdinnen zwangsweise den Vornamen Israel bzw. Sara führen. Ohne wieder in Freiheit zu gelangen, wurde Theodor Bloch am 3. Dezember 1942, aufgrund eines Erlasses Heinrich Himmlers, nachdem alle Gefängnisse und Zuchthäuser "judenfrei" gemacht werden sollten, nach Auschwitz überführt. Theodor Bloch wurde knapp zwei Monate später, am 28. Januar 1943 in Auschwitz ermordet.

Auch Pauline Dratwa, geb. Bloch, hatte ihren Bruder in seinen Bemühungen, aus der Haft entlassen zu werden, unterstützt. Sie hielt Kontakt und schrieb ihm jeden Monat den erlaubten Brief. Pauline Dratwa hatte mit ihrem Ehemann Johann Alois August Dratwa (geb. 14.4.1883), der katholischer Konfession war, ein Logierhaus im Hohlerweg 21 betrieben. Anfang 1920 waren sie in die Sternstraße 47 in den Stadtteil St. Pauli verzogen. Johann Dratwa starb am 21. November 1922. Pauline Dratwa lebte später als Hausangestellte in der Parkallee 84 bei dem Amtsrichter Felix Gorden (geb. 1863, gest. 1939) und dessen Ehefrau Elisabeth, geb. Wolfers (geb. 23.12.1879), die – ursprünglich jüdischen Glaubens – der evangelischen-lutherischen Kirche angehörten. Ihren Deportationsbefehl für den 25. Oktober 1941 ins Getto "Litzmannstadt" nach Lodz erhielt Pauline Dratwa im "Judenhaus" in der Kielortallee 22. Im Getto Lodz wurde ihr eine Unterkunft in der Richterstraße 9, Wohnung 11 zugewiesen. Nur etwa ein halbes Jahr später, am 10. Mai 1942, wurde Pauline Dratwa gemeinsam mit 260 weiteren Jüdinnen und Juden christlicher Religion in das Vernichtungslager Chelmno/Kulmhof "ausgesiedelt" und dort in einem der Gaswagen ermordet. Auch ihre frühere Arbeitgeberin Elisabeth Gorden und deren Sohn Herbert Otto (geb. 24.9.1902) wurden am 25. Oktober 1941 nach Lodz deportiert. An sie erinnern Stolpersteine in der Parkallee 84 in Hamburg-Harvestehude (s. Stolpersteine in Hamburg-Barmbek und Hamburg-Uhlenhorst).

Der Halbbruder Adolph Theodor Meyer wurde nach einem begangenen Diebstahl für unzurechnungsfähig erklärt und aus der Untersuchungshaft in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn eingewiesen. Von dort wurde er am 23. September 1940 in die Tötungsanstalt Brandenburg a. d. Havel deportiert und in der Gaskammer ermordet. Für ihn wurde ein Stolperstein in Hamburg-St.-Pauli in der Clemens-Schultz-Straße 43-45 verlegt (s. Stolpersteine in Hamburg-St. Pauli).


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 4; 5; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht-Strafsachen 0863/37; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht-Strafsachen A12 169/31; StaH 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 2/1995, 18970; StaH 332-5 Standesämter 1956 u 3123/1879; StaH 332-5 Standesämter 2077 u 1906/1884; StaH 332-5 Standesämter 2003 u 2349/1881; StaH 332-5 Standesämter 723 u 720/1915; StaH 332-5 Standesämter 9745 u 1786/1916; StaH 332-5 Standesämter 856 u 630/1922; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 1; Riegel: Leidensweg, S. 37, S. 77 über Paula Dratwa; Mosel: Wegweiser, Heft 3, S. 144 über Rabbiner Dr. Paul Holzer; Jungblut/Ohl-Hinz: Stolpersteine, S. 138 über Adolf Theodor Meyer; Rönn: Langenhorn, S. 70f.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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