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Jacob Boldes * 1887

Neuer Steinweg 20 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
JACOB BOLDES
JG. 1887
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Weitere Stolpersteine in Neuer Steinweg 20:
Clara Boldes, Margarethe Ruth Goldstein, Ernst Lissauer, Fanny Salomon, Rosa Salomon

Clara Else Boldes, geb. Goldstein, geb. am 29.12.1882 in Görlitz, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Jacob Boldes, geb. am 15.1.1887 in Glogau, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Margarethe Ruth Goldstein, geb. am 14.6.1909 in Breslau, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, weiterdeportiert am 23.5.1942, wahrscheinlich in das Vernichtungslager Chelmno/Kulmhof

Neuer Steinweg 20 (Neuer Steinweg 78)

Jacob Boldes wurde als Sohn des Louis Boldes und dessen Ehefrau Rike/Ritta, geb. Kunz, im schlesischen Glogau (heute Głogów) geboren. Seine Ehefrau Clara Else, geb. Goldstein, stammte aus Görlitz am linken Ufer der Neiße. Ihre Eltern waren Isidor Goldstein und Bianca, geb. Kretschmer. Als das Ehepaar 1915 in Brieg (heute Brzeg) nahe Breslau (polnisch Wrocław) heiratete, brachte Clara ihre damals 6-jährige Tochter Margarethe Ruth mit in die Ehe. Margarethe war am 14. Juni 1909 im niederschlesischen Breslau zur Welt gekommen und behielt nach der Heirat ihrer Mutter deren Geburtsnamen Goldstein.

Das Ehepaar Boldes lebte in Breslau zur Untermiete in der Bahnhofstraße 9. Die Eheleute waren Markthändler, Gewerbetreibende auf Reisen. Jacob Boldes konnte seinen ursprünglichen Beruf als Schauspieler und Artist nach einem Kopfschuss und einer Kampfgasvergiftung als Landsturmmann im Ersten Weltkrieg nicht mehr ausüben.

Clara Boldes kam um 1924 mit ihrer Tochter Margarethe nach Hamburg. Die Anfangszeit verbrachten sie in einer Pension im Stadtteil St. Georg. Jacob Boldes war noch auf Rügen und in Stettin als Reisender unterwegs. Als er in Hamburg eintraf, fand er zunächst im Daniel-Wormser-Haus, in der Westerstraße 27 im südlichen Teil von St. Georg eine Unterkunft, bis die Familie als Untermieter im ehemaligen Gängeviertel der Neustadt, im Bäckerbreitergang 39, wieder zusammenfand. Ihre Hoffnung, einen Stand auf dem Hamburger Dom zu erwerben, erfüllte sich nicht. Auch das Vorhaben, mit einem Gewinnrad, mit Galanterie- und Spielwaren die Märkte in der näheren Umgebung Hamburgs zu bereisen, konnte nicht realisiert werden. Das Ehepaar Boldes fand zunächst nur eine Beschäftigung bei einem Losbudenbesitzer auf dem Hamburger Dom. Für eine solide Lebensgrundlage reichte ihr Verdienst jedoch nicht. Obwohl das Ehepaar als sehr geschäftstüchtig beschrieben wurde, war es zusätzlich auf Fürsorgeunterstützung angewiesen. Um zum Familieneinkommen beizutragen, nahm Claras Tochter Margarethe eine Stelle als Verkäuferin in einem Obst- und Gemüsegeschäft an. 1927 bewohnte die Familie ein Zimmer in der Glashüttenstraße 110. Dort ereignete sich am 8. August 1927 ein Unfall. Um ein Feuerwerk sehen zu können, lehnte sich Margarethe Goldstein zu weit über die Balkonbrüstung, stürzte aus der ersten Etage auf die Straße hinunter und brach sich das Becken. Nach ihrer Genesung und einem sechswöchigen Kuraufenthalt in Lüneburg ging Margarethe wieder mit ihren Eltern auf Reisen. In Sorau (heute Z·ary) und in Guben (heute Gubin) in der brandenburgischen Niederlausitz waren sie auf Rummelplätzen und Märkten mit einer Spielbude unterwegs. Seit 1929 wohnten sie in der ehemaligen Schlachterstraße 34/36, Haus 3.

Jacob und Clara Boldes meldeten dann ein Gewerbe als Straßenhändler mit Kurz- und Galanteriewaren in der Elbstraße (heute Neanderstraße) und in der Straße Kohlhöfen an. Die dortige Konkurrenz des traditionsreichen Trödelmarktes, im Volksmund "Judenbörse" genannt, war groß, und zudem wurde Clara Boldes von anderen Straßenhändlern, die wussten, dass auch ihr Ehemann Handel betrieb, als "Doppelverdienerin" belästigt.

Jacob Boldes war zeitweise auch weiterhin als Reisender unterwegs und arbeitete saisonbedingt bei Schaustellern auf dem Hamburger Dom und in Neumünster auf einem Jahrmarkt.

1935 wurde er auf einem Dorfmarkt in der Nähe von Magdeburg als "Nichtarier" nicht zugelassen. Die 278 Kilometer nach Hamburg legte er teilweise zu Fuß zurück. Kurz vor Weihnachten 1936 ging Jacob Boldes mit dem Besitzer einer "Schießbude" erneut auf Reisen. Anfang 1937 handelte er mit Kurzwaren, die er in Hamburger Gastwirtschaften vertrieb. Im April desselben Jahres zog das Ehepaar Boldes in eine mietfreie Wohnung im Erdgeschoss des Lazarus-Samson-Cohen-Eheleute und Levy-Hertz-Eheleute Stift im Neuen Steinweg 78, Haus 9. Margarethe Goldstein bezog eine eigene Wohnung in der ersten Etage. Nach einem dortigen Kontrollbesuch des Wohlfahrtsamtes wurde im Juni 1938 eine Bemerkung in den Akten notiert, die die antisemitische Gesinnung der Fürsorgerin erkennen ließ: "Die rechtwinklige kleine Wohnung in dem Stift war für jüdische Verhältnisse ganz sauber, wie denn auch die G.[oldstein] verhältnismäßig ganz ordentlich gekleidet ist." Margarethe Goldstein war im Juli 1932 mit ihrem Verlobten zunächst nach Moskau verzogen. Mit einer schweren Kniegelenkentzündung nach einer Fleckentyphuserkrankung wurde sie im November 1933 von dort ausgewiesen und kehrte allein nach Hamburg zurück. Bis Mai 1934 wurde sie im Israelitischen Krankenhaus behandelt und blieb zunächst erwerbsunfähig.

Jacob Boldes war zuletzt als Händler in Rostock unterwegs. Am 11. November 1938 musste er seinen Gewerbeschein abgeben. Dem "Reichsverband ambulanter Gewerbetreibender" durften jüdische Straßen- und Markthändler nun nicht mehr angehören, sie erhielten auf Märkten und Messen keine Standgenehmigungen mehr. Danach arbeitete er mit seiner Stieftochter Margarethe für eine Lebensmittelfirma als Vertreter.

Clara Boldes hatte einen Stand mit Schals und Wollwaren am Heidenkampsweg in St. Georg betrieben. Zuletzt bestückte sie einen Stand am Billhorner Röhrendamm, der sich nicht rentierte. Sie arbeitete dann als Packerin, bis sie wegen ihrer jüdischen Abstammung entlassen wurde. Jacob Boldes musste Notstandsarbeit in Wohlershof in Harsefeld verrichten. Später wurde er als Erdarbeiter in Otterndorf zwangsverpflichtet.

Mit der Berufsangabe "Servierfräulein" und der Adresse Schlachterstraße 40/42 wurde Margarethe Goldstein am 25. Oktober 1941 mit dem ersten Hamburger Transport ins Getto "Litzmannstadt" nach Lodz deportiert, laut Deportationsliste soll sie sich "freiwillig" gemeldet haben. Im Getto erhielt Margarethe Arbeit als Näherin. Bis zum 23. Mai 1942 lebte sie unter der Adresse Altmarkt 4, dann wurde sie als "Abgemeldet" registriert. Vermutlich hatte sie den Befehl zur "Aussiedlung" in das nahegelegene Vernichtungslager Chelmno/Kulmhof erhalten.

Clara und Jacob Boldes wurden am 8. November 1941 vom Hannoverschen Bahnhof ins Getto Minsk deportiert, wo sich ihre Spuren verloren.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 4; 9; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1023 (Boldes, Jacob); StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 1; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 2; United States Holocaust Memorial Museum, Holocaust Survivor and Victim Catalog, http://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=1860668 (Zugriff 27.1.2014).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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