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Käthe und Paul Bonheim
© Privatbesitz

Käthe Bonheim (geborene Friedensohn) * 1877

Brahmsallee 19 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
KÄTHE BONHEIM
GEB. FRIEDENSOHN
JG. 1877
FLUCHT 1939
HOLLAND
FLUCHT IN DEN TOD
13.12.1942 VELP

Weitere Stolpersteine in Brahmsallee 19:
Erwin Alfred Bonheim, Dr. Paul Bonheim

Dr. Paul Bonheim, geb. am 19.9.1877 in Rostock, ausgewandert in die Niederlande, Freitod am 13.12.1942
Käthe Bonheim, geb. am 29.9.1877 in Schwerin, ausgewandert in die Niederlande, Freitod am 13.12.1942
Erwin Alfred Bonheim, geb. am 19.12.1910, ausgewandert in die Niederlande, über Westerbork nach Auschwitz deportiert, auf den 31.7.1944 für tot erklärt

Brahmsallee 19

Paul Bonheim wurde als Sohn des Kaufmanns Hermann Bonheim (geb. am 16.8.1843 in Schwerin, gest. am 29. November 1908 in Hamburg) und dessen erster am 24. August 1874 in Greifswald geehelichter Frau Rosa Bernheim (geb. am 29.11.1856 in Greifswald, gest. am 27. März 1885 in Rostock) am 19.9.1877 in Rostock geboren. Er besuchte von 1883 bis 1891 das Gymnasium in Rostock. Am 18. März 1891 zog die Familie nach Hamburg in die Klosterallee 45 und Paul ging fortan auf das renommierte Wilhelm-Gymnasium, wo er am 5. September 1895 seine Reifeprüfung ablegte.

Es folgte ein Medizinstudium in München, Jena, Berlin, wo Paul Bonheim unter anderem bei Prof. Rudolf Virchow studierte, und Kiel, wo er am 25. Mai 1900 die ärztliche Staatsprüfung bestand, am 31. Mai 1900 das Rigorosum ablegte und am 20. August 1900 seine "Doctorwürde" mit der Dissertation "Über Dextrocardie" erlangte.

Aus seiner Ehe mit Käthe Friedensohn, geb. am 29.9.1877 in Schwerin (siehe Alfred und Gertrud Friedensohn), gingen die in Hamburg geborenen Söhne Hans Hermann, geb. 6.3.1907, und Erwin Alfred, geb. 19.12.1910, hervor.

In den Jahren 1902 und 1903 arbeitete Paul Bonheim als Assistenzarzt und ab dem 15.November 1904 als Assistent der chirurgischen Poliklinik des Allgemeinen Krankenhauses St.Georg. 1904 ließ er sich zudem als Facharzt für Chirurgie in Hamburg nieder. 1906 trat er dem "Aerztlichen Verein" in Hamburg bei, dem Vorläufer der heutigen Ärztekammer Hamburg, mit Sitz im Patriotischen Haus. In dieser Zeit wohnte Paul Bonheim mit seiner Familie am Grindelberg 9a.

Sein Vater Hermann hat am 27. Dezember 1887 ein zweites Mal geheiratet. Aus dieser Ehe mit Jenny Markheim (geb. am 18. 7.1859 in Fulda, gest. am 17.10.1928 in Hamburg), stammten Pauls Halbgeschwister Fritz (geb. am 22.2.1892 in Hamburg) und Käthe (geb. am 4.9.1889).

Im Ersten Weltkrieg diente Paul als Chefarzt in einem Hamburger Militärlazarett, und Fritz (am 30. September 1915 im nordfranzösischen Beuvraignes gefallen) als Leutnant des 12.R.I.R.76 (Reserve Infanterie Regiment) im Kaiserlichen Heer.

Seit Beginn der 1920er-Jahre leitete Dr. Bonheim als Oberarzt für Innere Medizin das Freimaurer-Krankenhaus im Kleinen Schäferkamp. 1795 gegründet, galt es als traditionsreiche Privatklinik und war Eigentum der "Vereinigten 5 Hamburger Logen". Am 28. Oktober 1920 wurde Paul Bonheim in die Loge "Absalom zu den drei Nesseln" aufgenommen. Zusammen mit Cäsar Wolf, dem geschäftsführenden Vorsitzenden der Klinik (siehe www.stolpersteine-hamburg.de), modernisierte er diese in den folgenden Jahren umfangreich.

Von den Maßnahmen des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933, die "nichtarischen" Ärzten die Kassenzulassungen entzogen und vorsahen, alle "nichtarischen" Beschäftigten aus öffentlichen Einrichtungen zu entlassen, war auch Dr. Bonheims ältester Sohn Hans Hermann betroffen. Er hatte von 1916 bis 1925 das Heinrich-Hertz-Gymnasium in Hamburg besucht, dort am 2. Februar 1925 das Abitur abgelegt und anschließend in Freiburg, Berlin und Hamburg Medizin studiert. Am 8. Mai 1930 hatte er das Staatsexamen abgelegt, am 13. Juni 1931 wurde ihm die Approbation als Arzt zuerkannt und am 7. Juli 1931 wurde er promoviert. Anstellungen als Assistenzarzt im AK Barmbek und in Eppendorf wurden ihm wegen seiner jüdischen Herkunft gekündigt. Dank seines Vaters fand er vorübergehend Anstellung im Freimaurer-Krankenhaus. Aber auch hier wurden schon im Mai 1933 alle "nichtarischen" Beschäftigten entlassen.

Auch Paul Bonheim fiel den Entlassungen zum 31. Dezember 1933 im Freimaurer-Krankenhaus zum Opfer. Beide Ärzte durften aber die Praxis in ihrer Wohnung in der Hansastraße 70 fortführen, wo sich auch viele "arische" Patienten ihrer langjährigen medizinischen Erfahrung weiterhin anvertrauten, bis allen "nicht­arischen" Ärzten mit der "Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz" am 30. September 1938 die Approbation entzogen wurde. Mit der Praxis verloren sie auch die Privatwohnung. Paul und Käthe Bonheim bezogen ein neues Quartier in der Oberstraße 62.

Hans, der in die Innocentiastraße 57 zog, plante daraufhin, Deutschland in Richtung USA zu verlassen. Während des Novemberpogroms 1938 wurde er jedoch am Tag seiner geplanten Ausreise verhaftet und mit einem Sammeltransport ins KZ Sachsenhausen überstellt, wo er schwer misshandelt wurde. Nachdem er sich verpflichtet hatte, unverzüglich aus Deutschland auszuwandern, wurde er am 24. Dezember 1938 aus dem Konzentrationslager entlassen.

Am 8. Januar 1939 verließ Hans Bonheim Hamburg in Richtung Rotterdam, von wo aus sein Schiff am 25.Februar 1939 nach New York auslief.

Auch das Ehepaar Bonheim war nun entschlossen, zusammen mit ihrem jüngsten Sohn in die USA zu emigrieren. Erwin Alfred, der zu dieser Zeit bei seiner Tante Elsa Davidsohn in Berlin lebte und ein Volontariat als Drucker absolvierte, kehrte deshalb nach Hamburg zurück.

Große Teile seines ansehnlichen Vermögens, welches er nicht aus dem Deutschen Reich ausführen durfte, ließ Paul Bonheim großzügig seinen Verwandten, die in Deutschland zurückblieben, zukommen oder bedachte verschiedene jüdische Vereinigungen.

Am 19. Februar 1939 verließen Paul, Käthe und Erwin Alfred Bonheim Hamburg, und wanderten nach Holland aus.

Parallel, ebenfalls von den Ereignissen jener Zeit eingeholt, bemühte sich Pauls Halbschwester Käthe um ihre Auswanderung nach Schweden. Nachdem sie nach 24-jähriger Zugehörigkeit zur Dresdner Bank ihre Stellung als Bankbeamtin zum Juni 1931 verloren hatte, war es ihr nach 1933 als Jüdin unmöglich, eine neue Anstellung zu finden. Als Sekretärin des "Israelitischen Vorschussinstituts" wurde sie zwischen 1936 und Februar 1939 mehrfach zu "Befragungen" in die Gestapo-Zentrale, Stadthausbrücke, einbestellt, und dabei schweren Misshandlungen ausgesetzt. Fünf Monate nach ihrer Emigration nach Schweden wurde eine unheilbare Augenkrankheit diagnostiziert, die Käthe 1943 völlig erblinden ließ.

Paul, Käthe und Erwin Alfred Bonheim konnten ihr Vorhaben, in die USA zu emigrieren, nicht verwirklichen. Als die Wehrmacht am 10. Mai 1940 die neutralen Niederlande überfiel, sahen sich die emigrierten Juden einer erneuten Verfolgung ausgesetzt. Eingewanderte wie auch die einheimische jüdische Bevölkerung wurden ab Mai 1942 in den Lagern Westerbork und Vught konzentriert und von dort in die Vernichtungslager deportiert. Diesen Weg wollten Paul und Käthe Bonheim nicht antreten. Sie waren im Herbst 1941 von Rotterdam nach De Steeg im Gelderland gezogen, wo sie sich, schwer erkrankt und wohl auch am Ende ihrer Kräfte, am 13. Dezember 1942 gemeinsam das Leben nahmen.

Der NS-Staat hatte den Bonheims im Juli 1941 die deutsche Staatsbürgerschaft und Paul und Hans Hermann die akademischen Grade aberkannt.

Erwin Alfred wurde am 10. Januar 1944 während einer Razzia in Amsterdam verhaftet und über Westerbork ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Später wurde er auf den 31. Juli 1944 für tot erklärt.

Käthe Bonheim lebte erwerbsunfähig und mittellos, unterstützt von der schwedischen Armenverwaltung im städtischen Altersheim von Växjö, wo sie am 27. November 1963 in ärmlichen Verhältnissen starb.

Hans Bonheim, der in die USA entkommen war, starb am 25. August 1989 in Pompano Beach, Florida. In seinen vielen Enkeln und Urenkeln leben die Bonheims fort.

Stolpersteine für Paul, Käthe und Erwin Alfred Bonheim wurden im Juli 2014 in der Brahmsallee 19 (früher Hansastraße 70) im Beisein des Enkels, respektive Großneffen Karl Bonheim aus den USA und dessen Familie verlegt.

Ein zweiter Stein erinnert an Paul Bonheim vor dessen einstiger Wirkungsstätte, dem ehemaligen Freimaurer-Krankenhaus im Kleinen Schäferkamp.

Stand: September 2016
© Michael Steffen

Quellen: StaH 314-15 Oberfinanzpräsident R 1938/3205; R7 1938/3209-F 184; -FVg 3724; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung_ 31820; -11263; StaH 361-2 II Oberschulbehörde II B 223; StaH 362-2/19 Heinrich-Hertz-Schule 22 Bd. 1; StaH 362-2/30 Wilhelm-Gymnasium 675 Bd. 2; StaH 352-3 Medizinalkollegium I H5d; StaH 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht B III 79330; StaH 332-8 K 4271; StaH 364-5 I Universität I Heft L 50.6.69; Deutscher Reichsanzeiger und preußischer Staatsanzeiger vom 13.10.1941; Kultussteuerkarte Dr. Paul Bonheim; Kultussteuerkarte Dr. Hans Hermann Bonheim; Auskunft Jost v. Maydell zu Friedensohn; Gedenkbuch des Bundes/www.bundesarchiv.de (zugegriffen am 23.4.2014); diverse Adress- u. Fernsprechbücher Hamburg 1920–1940; Stadtarchiv Rostock; Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg/Universität Kiel, Dissertation Dr. Paul Bonheim, Universität Hamburg Dissertation Dr. Hans Hermann Bonheim; Anna von Villiez, Mit aller Kraft verdrängt, Entrechtung und Verfolgung "nicht arischer Ärzte" in Hamburg 1933 bis 1945, Hamburg 2009, S. 74ff., 111ff., 131f., 231f.; www.bibnet.org/vufind/Record/careum53485 (zugegriffen am 14.10.2014) www.community joodsmonument.nl/person /213579/en (zugegriffen am 16.11.2014); josemartin@kampwesterbork.nl (email 28.10.2014); www.geldersarchief.nl Inventarisnummer 9777 (zugegriffen am 4.11.2014); Kooger, Joods leven, S. 77ff., 83f., 87; www.gmic.co.uk jewish officers in the German Army of WW I (zugegriffen am 3.11.2014); Gedenkbuch der gefallenen deutschen jüdischen Soldaten im 1. WK der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten; persönliche tagebuchähnliche Aufzeichnungen Dr. Paul Bonheim; Auskunft Dr. Nelson Bonheim U.S.A.


"Das mache ich nicht mit." (Dr. Paul Bonheim 1942)

Der lange berufliche und persönliche Überlebenskampf des Arztes Paul Bonheim und seiner Familie

Drei Ereignisse im Jahr 1877: Bismarck formulierte im "Kissinger Diktat" die zentralen Leitsätze seiner Außenpolitik nach der Reichsgründung, Hermann Blohm und Ernst Voss gründeten auf der Elb­insel Kuhwerder die Schiffswerft "Blohm + Voss", Paul Bonheim wurde am 19. September in Rostock geboren.

Als Sohn des Kaufmanns Hermann Bonheim (geb. 16.8.1843 in Schwerin, gest. 29. November 1908 in Hamburg) und dessen erster am 24. August 1874 in Greifswald geehelichter Frau Rosa Bernheim (geb. 29.11.1856 in Greifswald, gest. 27. März 1885 in Rostock), besuchte er von 1883 bis 1891 das Gymnasium in Rostock.

Am 18. März 1891 zog die Familie nach Hamburg in die Klosterallee 45. Paul Bonheim ging nun zum Wilhelm-Gymnasium. Dort galt er als Musterschüler und legte mit dem Notendurchschnitt "sehr gut" am 5. September 1895 seine Reifeprüfung ab. In der Klassenliste der MIIa von 1893 finden sich auch die Namen von Johann Georg Mönckeberg, Sohn des damaligen Senators und späteren Ersten Bürgermeisters der Freien und Hansestadt Hamburg, sowie von Oskar Ruperti, der von 1920 bis 1926 den Vorsitz des Deutschen Ruderverbands innehatte und von 1926 bis 1929 Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees war.

Für Paul Bonheim folgte ein Studium der Medizin in München, Jena, Berlin, wo er unter anderem bei Prof. Rudolf Virchow studierte, und Kiel, wo er am 25. Mai 1900 die ärztliche Staatsprüfung bestand, am 31. Mai 1900 das Rigorosum ablegte und am 20. August 1900 seine "Doctorwürde" mit der Dissertation "Über Dextrocardie" erlangte.

Aus seiner Ehe mit Käthe Friedensohn, geb. am 29.9.1877 in Schwerin (siehe Alfred und Gertrud Friedensohn), gingen die beiden in Hamburg geborenen Söhne Hans Hermann, geb. 6.3.1907, und Erwin Alfred, geb. 19.12.1910, hervor.

In den Jahren 1902/1903 erhielt Paul Bonheim eine Anstellung als Assistenzarzt und ab dem 15. November 1904 als Assistent der chirurgischen Poliklinik des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg. Im selben Jahr konnte er auch als niedergelassener Facharzt für Chirurgie in Hamburg arbeiten.

Als er 1906 dem "Aerztlichen Verein" in Hamburg, dem Vorläufer der heutigen Ärztekammer Hamburg, mit Sitz im Patriotischen Haus beitrat, wohnte Paul Bonheim mit seiner Familie am Grindelberg 9a.

Pauls Vater Hermann Bonheim hatte inzwischen ein zweites Mal geheiratet: Er ehelichte am 27. Dezember 1887 Jenny Markheim (geb. 18.7.1859 in Fulda, gest. 17.10.1928 in Hamburg, beigesetzt auf dem jüdischen Friedhof Ohlsdorf). Sie war die Tochter von Bertha Markheim (1833–1919), die in den 1850er-Jahren enge Kontakte zum "Bund der Kommunisten" pflegte und durch ihre Korrespondenz mit Karl und Jenny Marx bekannt wurde.

Aus dieser zweiten Ehe des Vaters stammten Pauls Halbgeschwister Fritz (geb. 22.2.1892 in Hamburg) und Käthe. Im Ersten Weltkrieg dienten sowohl Paul als auch Fritz im kaiserlichen Heer, doch während Paul als Chefarzt in einem Hamburger Militärlazarett arbeitete und in dieser Zeit mit vier Orden ausgezeichnet wurde, kam sein jüngerer Halbbruder Fritz, Leutnant des 12. R.I.R. 76 (Reserve Infanterie Regiment) am 30. September 1915 im nordfranzösischen Beuvraignes ums Leben –"Verlustmeldung Nr. 351". Sein Name findet sich im vom Reichsbund jüdischer Frontsoldaten herausgegebenen Gedenkbuch der gefallenen deutschen jüdischen Soldaten. Paul Bonheim veröffentlichte im ersten Kriegsjahr in der "Deutschen medizinischen Wochenschrift" einen Artikel "Zur Behandlung der Tuberkulose mit Schildkröten-Tuberkelbazillen nach Piorkowski".

Seit Anfang der 1920er-Jahre leitete Paul Bonheim als Oberarzt für Innere Medizin das Freimaurer-Krankenhaus im Kleinen Schäferkamp. Die 1795 gegründete traditionsreiche Privatklinik gehörte den "Vereinigten 5 Hamburger Logen". Die in ihrem Ursprung christlich geprägten Freimaurer verstanden sich als Aufklärer im absolutistischen Staat und verfolgten als "Ritter der Wohltätigkeit" humanitäre Ziele. Der Bruder war innerhalb der Logen kein Untertan der Staatsgewalt mehr, sondern Mensch unter Menschen.

Im Gegensatz zur Berliner Loge "Zur Toleranz", die schon früh beabsichtigte, veraltete Vorurteile zu "verwischen” und Juden und Christen durch "Maurerei" einander näher zu bringen, wobei Juden "derart gewissermaßen menschlicher gemacht und zu einer höheren Stufe der geistigen Bildung erhoben würden", beantwortete man die logeninterne "Judenfrage" in Hamburg erst 1841 durch die Aufnahme des ersten Juden in die Loge "Absalom", also gut einhundert Jahre nach ihrer Gründung.

Viele Juden nutzten ihre Mitgliedschaft bei den Freimaurern als "Beförderung der Assimilation", ohne dabei auf "ethisch-religiöse Besonderheiten" des Judentums verzichten zu müssen.

Großen Zulauf erhielten die patriotischen und traditionsbewussten Logen während des Ersten Weltkriegs. Davon profitierte auch das Freimaurer-Krankenhaus, an das ein Kriegslazarett angegliedert wurde. Zudem finanzierte die Loge "Absalom" unter Federführung ihres "Meister vom Stuhl", Cäsar Wolf (siehe www.stolpersteine-hamburg.de), durch großzügige Spenden einen komplett ausgestatteten Lazarettzug für die Dauer des gesamten Krieges.

Galten die Logen in der ersten Hälfte der 1920er-Jahre, in der sie ihre höchsten Mitgliederzahlen erreichten, noch als "exklusives Rückzugsgebiet" gegen einen aufkeimenden Rechtsradikalismus und "völkisches Sektierertum", so war bereits absehbar, dass ihnen ihre inneren Zirkel langfristig keinen Schutz gegen den von außen zunehmenden Druck bieten würden. Anhaltender antisemitischer Hetze ausgesetzt, besannen sich immer mehr jüdische Mitglieder zurück auf "ein konservatives Judentum", was in der Konsequenz viele Juden zum Austritt aus den Logen bewog.

Aber auch nichtjüdische Logenbrüder sahen sich von den Repressalien des NS-Regimes bedroht, wurde doch die Freimaurerei von den Nationalsozialisten als willfähriges Werkzeug des "internationalen Judentums" in dessen Kampf um die Weltherrschaft betrachtet.

Allein von Juni 1932 bis Mai 1933 halbierte sich die Anzahl der Mitglieder der Loge "Absalom" von 135 auf 65.

Nach dem Verbot der Freimaurer 1933 gelang es ihnen durch Umwandlung ihrer ursprünglichen Form in eine "nicht-freimaurerische christliche Vereinigung" einige Bereiche dem Zugriff des Staates zu entziehen. So konnte beispielsweise das ehemalige Freimaurer-Krankenhaus seinen karitativen Zweck während der gesamten NS-Herrschaft aufrechterhalten.

Paul Bonheim selbst war am 28. Oktober 1920 in die Loge "Absalom zu den drei Nesseln" aufgenommen worden, der ältesten deutschen Freimaurerloge, gestiftet am 6. Dezember 1737. Nachdem er sich zwei Jahre lang das erforderliche Wissen über die Bruderschaft in der Loge angeeignet und das entsprechende "Rüstzeug” erworben hatte, durfte er sich nach dem Lehrlings- u. Gesellengrad "Meisterbruder" nennen.

In einem Aufsatz von 1928 zur 90. Versammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte in Hamburg bedankte er sich als leitender Oberarzt des Freimaurer-Krankenhauses für die Erneuerungsmaßnahmen bei seinem Freund und geschäftsführenden Vorsitzenden Cäsar Wolf.

Unermüdlich setzten sich beide für die umfangreiche Modernisierung der Klinik ein. Ein Röntgeninstitut, Operationssäle, eine Entbindungsstation und eine neue Küche wurden ebenso eingebaut wie Fahrstühle, fließend Warm- u. Kaltwasser, eine Telefonanlage und Doppelfenster. Großzügige Bade-, Massage-, u. Ruhebereiche entstanden, mit denen Paul Bonheim ein Institut für physikalische Therapie gründete, weil er erkannt hatte, dass ein moderner Arzt diese Methoden anbieten müsse, wollte er die Patienten nicht in die Hände von "Kurpfuschern" treiben. Nicht nur Rezepte ausstellen, vielmehr den Patienten zu "behandeln", ihn sprichwörtlich an die Hand zu nehmen, war sein Credo.

Im Zuge des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 wurden per Verordnung des Reichsarbeitsministers vom 22. April 1933 "nichtarischen" Ärzten die Kassenzulassungen entzogen. Des Weiteren sollten alle "nichtarischen" Beschäftigten aus öffentlichen Einrichtungen entlassen werden, so auch die Ärzte, die in Diensten von staatlichen und kommunalen Krankenhäusern standen. Das Freimaurer-Krankenhaus gehörte nicht dazu, aber das Gesetz traf Paul Bonheims ältesten Sohn Hans Hermann.

Dieser hatte von 1916–1925 das Heinrich-Hertz-Gymnasium in Hamburg besucht und dort am 2. Februar 1925 das Abitur abgelegt, anschließend in Freiburg, Berlin und Hamburg Medizin studiert. Am 8. Mai 1930 bestand er sein Staatsexamen, erhielt am 13. Juni 1931 die Approbation als Arzt und war von Prof. Schottmüller am 7.Juli 1931 mit seiner Dissertation "Über das Wesen des ,sekundären Sepsisherdes‘" promoviert worden. Seit 23. Oktober 1931 hatte er als Assistenzarzt im AK Barmbek gearbeitet, das als NSDAP-Hochburg unter den Hamburger Krankenhäusern galt. Zusammen mit elf weiteren Kollegen jüdischer Herkunft erhielt er am 31. März 1933 die Kündigung. Auch eine sich anschließende Anstellung als Assistenzarzt im AK Eppendorf währte nicht lange. Dank seines Vaters fand er dann eine Anstellung im Freimaurer-Krankenhaus, doch der Druck auf dieses nahm ebenfalls zu. Das Krankenhaus musste sich schon am 23. Mai 1933 in "Krankenhaus Deutscher Orden" umbenennen und den medizinischen Leiter wechseln, Carl Glaewecke trat jetzt als "arischer" Leiter ein. Gleichzeitig wurden die "nichtarischen" Beschäftigten entlassen. Aus Gram nahm sich daraufhin der langjährige Wegbegleiter Paul Bonheims, Cäsar Wolf, seit 1921 Chef des Freimaurer-Krankenhauses, das Leben: Er erschoss sich am 13. Mai 1933 vor seiner Klinik.

Am 21. August 1935 setzte die Klinik die Gesundheitsbehörde von der erneuten Umbenennung, nun in Elisabeth-Krankenhaus, in Kenntnis. Das Gebäude, das im Zweiten Weltkrieg unbeschädigt blieb, beherbergt heute das Elisabeth-Alten- u. Pflegeheim.

Nicht allein staatliche Maßnahmen erschwerten das Leben der Hamburger Juden, auch Denunzianten und die NSDAP sahen sich aufgefordert, ihren Teil beizutragen: So erhielt der Vizepräsident der Gesundheitsbehörde Hamburg, Peters, am 9. September 1933 ein Schreiben der Gauleitung mit einliegender "Eingabe an die NSDAP". Ein "Herr Lange" wohnhaft Isestraße 49, wollte von einer Bekannten erfahren haben, dass sämtliche Ärzte des Freimaurer-Krankenhauses, welches jetzt gemäß Gleichschaltung der Logen den schönen Namen "Deutscher Orden" trüge, Juden seien. Er bat, diese Angelegenheit "einer genauen Prüfung zu unterziehen” und ihm Mitteilung über die ergriffenen Maßnahmen zu machen. Mit Antwortschreiben vom 26. September 1933 beeilte sich das Krankenhaus, der Gesundheitsbehörde zu bestätigen, dass der Assistenzarzt Hans Bonheim seit 12. August 1933 beurlaubt sei und zum 30. September 1933 aus dem Dienst ausscheiden werde. Oberarzt Paul Bonheim sei die Stellung zum 31. Dezember 1933 gekündigt worden. Obwohl das Krankenhaus also alle Erwartungen erfüllte, hörten die Anwürfe und Verdächtigungen nicht auf. So ist beispielsweise eine Anfrage vom 24. November 1936 mit dem Vermerk "Eilt!!!" erhalten, in der die "Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Mißständen im Gesundheitswesen e.V.", angeschlossen dem Sachverständigenbeirat für Volksgesundheit bei der Reichsleitung der NSDAP, wissen wollte, welchen Namen das ehemalige Freimaurer-Krankenhaus jetzt führe, und ob Paul Bonheim noch leitender Arzt und "Arier" sei.

Hans Hermann Bonheim hatte also nach wenigen Monaten auch im Freimaurer-Krankenhaus seine Kündigung erhalten und musste die Facharzt-Ausbildung als Internist endgültig aufgeben. Im Entlassungszeugnis vom 15. November 1933 hieß es: "Herr Dr. Bonheim verlässt uns aus äußeren Gründen, die nicht in seiner Person begründet sind." Seine Praxis im Eppendorfer Baum 30, die er als niedergelassener Arzt seit Oktober 1933 führte, musste er ob "einer geringen Entwicklung" wieder aufgeben.

Nachdem auch für Paul Bonheim obige Maßnahmen zum 31. Dezember 1933 das Aus im Freimaurer-Krankenhaus bedeuteten, durften beide Ärzte die Praxis in ihrer 7½ Zimmer Wohnung in der Hansastraße 70 weiterführen. Die Patienten saßen in einem gemeinsamen Wartezimmer in der Halle der Wohnung, bevor sie in eine der streng getrennten Praxen von Vater und Sohn gerufen wurden. Während Hans im elterlichen "Salon" als praktischer Arzt wirkte, bestand die väterliche Praxis aus dem halben Zimmer, in dem auch die medizinischen Gerätschaften untergebracht waren. Konsultationen hielt Paul Bonheim in seiner Bibliothek ab. Er hatte seiner Praxis ein Institut für elektro-physikalische Behandlungen angeschlossen. Damit hatte er bereits im Freimaurer-Krankenhaus beachtliche Erfolge erzielt, und auch jetzt kamen viele Patienten, die gern bereit waren, ihm sein Honorar direkt zu zahlen, denn die privaten Krankenkassen erstatteten für ihre "arischen Versicherten" keine Leistungen jüdischer Ärzte. Dennoch vertrauten weiterhin viele "arische" Patienten Paul Bonheims langjähriger medizinischer Erfahrung. Vater und Sohn erfreuten sich großer Beliebtheit, galten als sehr zuvorkommend und einfühlsam. Paul Bonheim übernahm zudem viele Hausbesuche, bei denen er, obwohl im Besitz eines großen Wagens der Marke "Wanderer", meist mit einer Kutsche vorzufahren pflegte.

Den Haushalt besorgte als "gute Seele" des Hauses Hansastraße 70 die "Morgenfrau" Frieda Haack.

Wenn sich Paul Bonheim auch intensiv mit der Jüdischen Gemeinde und anderen jüdischen Einrichtungen verbunden fühlte und diese regelmäßig mit großzügigen Spenden bedachte, so galt er doch in Glaubensangelegenheiten als eher liberal und assimiliert. So war ihm eine ,schöne‘ Portion Eisbein mit Erbsenpürree und Sauerkraut im Einklang mit einem Krug Bier heilig, und der wie sein Vater hochgewachsene Hans Hermann hatte es als Student genossen, sich auf Paukböden mit dem Säbel zu duellieren. Aber auch ihre deutsch-national geprägte konservative Grundhaltung vermochte die Bonheims nicht vor dem NS-Rassenwahn zu schützen, der mit den "Nürnberger Gesetzen" von 1935 seine rechtliche ‚Legitimation‘ erfuhr. Wegen ihres "jüdischen Bluts" wurden so aus deutschen Bürgern Juden, die sich immer schärferen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sahen. Am 30. September 1938 wurde mit der "Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz" allen "nichtarischen" Ärzten die Approbation entzogen, deren berufliche Existenz damit zerstört war. Allein in Hamburg waren 194 Mediziner betroffen. Lediglich eine geringe Anzahl – reichsweit 709, in Hamburg 23 – von Ärzten durfte als "Krankenbehandler" weiterarbeiten und die medizinische Grundversorgung der jüdischen Bevölkerung übernehmen. Eine ergänzende Durchführungsverordnung vom 2. August 1938 sah ein außerordentliches Kündigungsrecht für Wohnungen vor, in denen Praxen jüdischer Ärzte eingerichtet waren. Ein Widerspruchsrecht des Vermieters war nicht vorgesehen. Die Reichsärztekammer übereignete die betreffenden Räumlichkeiten "arischen" Ärzten. Von dieser erzwungenen Aufgabe ihrer Wohnung war auch Familie Bonheim betroffen.

Im Oktober 1938 zogen Paul und Käthe Bonheim in die Oberstraße 62. Hans Hermann Bonheim konnte kurzfristig in einer möblierten Wohnung desselben Vermieters, Moritz Magnus, in der Innocentiastraße 57 unterkommen. Er wollte jetzt Deutschland verlassen, beantragte ein Visum für die USA und buchte die Überfahrt auf einem holländischen Schiff. Die Abreise war für den 9. November 1938 vorgesehen. Dazu kam es jedoch nicht mehr, denn im Zuge der Novemberpogrome wurde er am Tage seiner geplanten Ausreise in seiner Wohnung verhaftet, ins KZ Fuhlsbüttel gebracht und von dort mit einem Sammeltransport ins KZ Sachsenhausen überstellt, wo er in der Folgezeit schwer misshandelt wurde. Die "körperlichen, aber auch seine seelischen Narben, die mein Vater aus dieser Zeit davontrug, waren unübersehbar", berichtete sein ältester Sohn Nelson später. Mit der Verpflichtung zur unverzüglichen Auswanderung erfolgte Hans Hermann Bonheims Entlassung aus dem Konzentrationslager am 24. Dezember 1938. Bereits am 8. Januar 1939 verließ er Hamburg über Bentheim in Richtung Rotterdam, wo er am 25. Februar 1939 mit dem Zwei-Schrauben-Turbinendampfer "VEENDAM" nach New York flüchtete. Mit ihm reisten, so zeigen die Passagierlisten, fast ausnahmslos Juden, die aus Deutschland flohen. Am 9. März 1939 lief das Schiff in Hoboken ein. Dass das Amerikanische Generalkonsulat Hans Bonheim bereits am 13. Februar 1939 ein Einwanderungsvisum für die USA ausstellte, mag dem Umstand zu verdanken sein, dass er dort ein Konto mit 1500 $ nachweisen konnte, für dessen Einrichtung sich seine Tante Elsa Davidsohn eingesetzt hatte. Diese Maßnahme rettete ihm vielleicht das Leben. Ab 1940 praktizierte er wieder als Arzt in Roosevelt N.Y., heiratete Sylvia Liff, eine Tochter polnischer Einwanderer, mit der er vier Söhne, Nelson, Paul, Karl und David bekam. Herman – wie er sich nun nannte – starb am 25. August 1989 in Pompano Beach, Florida. In seinen vielen Enkeln und Urenkeln lebt die Linie der Bonheims bis heute fort.

Während Hans Hermann Bonheim sich im KZ Sachsenhausen befand, hatte die Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten am 15. November 1938 eine vorläufige "Sicherungsanordnung" gegen seine Eltern wegen des Verdachts der Kapitalflucht verfügt, da ihr Sohn hatte auswandern wollen. Die Standardbegründung lautete "Herr und Frau Bonheim sind Juden. Bei den in letzter Zeit mit in Deutschland wohnenden Juden gemachten Erfahrungen ist es erforderlich, das Vermögen zu sichern." Fortan durfte Paul Bonheim nur noch mit behördlicher Genehmigung über seine gesperrten Konten verfügen. Inzwischen hatte sich das Ehepaar Bonheim entschlossen, mit Sohn Erwin Alfred über die Niederlande in die USA zu emigrieren.

Allein die Auswanderungskosten der Bonheims waren erheblich. So erbat Paul Bonheim "ergebenst" bei der Devisenstelle Hamburg am 14. Dezember 1938 die Freigabe von RM 3500, um die Ausreise seines jüngsten Sohnes Erwin Alfred zu finanzieren, den er als "vollkommen mittellos und auch stellungslos" beschrieb. Weitere Anträge im Dezember 1938 beinhalteten die Bitte, Barmittel zu bewilligen, damit sein Umzugsgut nach Rotterdam und das von Hans Hermann nach New York überführt werden konnte. Für den Transport hatte er die Hamburger Spedition E. Gaertner & Co. beauftragt und vier Schiffspassagen von Rotterdam nach New York gebucht, außerdem sollten Erwin Alfred und Pauls Neffe Werner Gutkind finanzielle Unterstützungen erhalten. Auch dem Israelitischen Waisenhaus sollte eine Neujahrsspende zukommen. Die Anträge wurden vorbehaltlos genehmigt, so auch der vom 6. Januar 1939 über RM 300, gedacht als Hochzeitsgeschenk für seinen Schwager Alfred Friedensohn. Am 20. Januar 1939 schrieb Paul Bonheim einen kurzen Brief an den Leiter des Jüdischen Religionsverbandes in Hamburg, Max Plaut, verbunden mit der Bitte, einliegende RM 200 nach Gutdünken verwenden zu wollen, und mit allerbestem Dank für dessen aufopfernde Tätigkeit. Umsichtig organisierte Paul Bonheim die Auswanderung seiner Familie, nahm mündlichen und schriftlichen Abschied von seinem bisherigen Leben in Hamburg, bedankte sich bei allen, die ihm nahestanden, und rüstete sich für das Neue in der Ferne.

Den am 22. Januar 1939 gestellten Antrag auf Bewilligung von Geldern für Kleidungsstücke unterzeichnete er vorschriftsgemäß mit dem zusätzlichen Zwangsnamen "Israel".

Wohl aus Dankbarkeit dafür, dass sie sich lange um seinen Sohn Erwin Alfred gekümmert hatte, vermachte Paul Bonheim Elsa Davidsohn eine am 9. Februar 1939 notariell besiegelte Schenkung über RM 10.000. Erwin Alfred lebte zu dieser Zeit "in voller Pension" zur Untermiete bei seiner Tante Elsa in Berlin, Bamberger Straße 19. Er absolvierte ein Volontariat als Drucker bei der Druckerei Dreifuss & Co., Berlin-Kreuzberg, Kommandantenstraße 1/2, musste nun aber nach Hamburg zurückkehren. Auch Elsa Davidsohn (geb. 9.2.1874 in Schwerin, geborene Friedensohn, verwitwet) war in finanzielle Bedrängnis geraten, nachdem das von ihr seit 1902 geführte Fachgeschäft für Papier- u. Bürobedarf 1938 "arisiert" worden war. Mit Paul Bonheim war sie in zweifacher Weise verwandt: Zum einen als Pauls und Käthes Schwägerin, zum anderen als seine Cousine, da Pauls Vater und Elsas Mutter Geschwister waren. Elsa Davidsohn konnte nicht emigrieren, sie blieb in Berlin. Von dort wurde sie am 18. Oktober 1941 mit dem ersten Berliner Transport ins Getto Lodz deportiert. Wie auch der Schweriner Rechtsanwalt John Bonheim (geb. 13.5.1876 in Schwerin, am 26.2.1942 im Krankenhaus Getto Lodz an "Erschöpfungszustand” verstorben), ein Cousin Pauls, lebte sie im Getto in der Alexanderhofstraße 25/28, bevor sie am 8. Mai 1942 im nahegelegenen Vernichtungslager Chelmno ermordet wurde.

Doch kehren wir zu Paul, Käthe und Erwin Alfred nach Hamburg zurück: Am 19. Februar 1939 verließen die drei die Stadt und wanderten in der Absicht nach Holland aus, von dort in die USA zu gelangen. Zuvor entrichtete Paul Bonheim die fällige "Reichsfluchtsteuer" in Höhe von RM 19.668. Nach der Verlegung ihres Wohnsitzes ins Ausland galten die Bonheims devisenrechtlich als Ausländer und ihr im "Reich" verbliebenes Vermögen unterlag nunmehr den für Auswanderer geltenden Sperrvorschriften des Devisengesetzes. Die "Sicherungsanordnung" wurde deshalb am 21. April 1939 aufgehoben. Doch änderte sich nur wenig: Künftige Verfügungen über die Konten und Wertpapiere bedurften nun der Genehmigung einer anderen Abteilung in der Behörde des Oberfinanzpräsidenten, nämlich der für Auswanderer. Paul Bonheim beauftragte zur Wahrnehmung seiner Interessen am 16. Februar 1939 als Generalbevollmächtigten Julius "Israel" Cohn aus der Kanzlei Wilhelm Rosenbacher, Eppendorfer Landstraße 30. Dieser beglich nun Bonheims Verbindlichkeiten, beispielsweise die Forderung der Reichsärztekammer vom 4. April 1939, die beim Oberfinanzpräsidenten angefragt hatte, ob der "jüdische Arzt" Bonheim noch über ein in Deutschland befindliches Vermögen verfüge, aus dem Beitragsrückstände in Höhe von RM 20 gedeckt werden könnten. Die Behörde verwies an Julius Cohn, der nach Erhalt der Forderung wieder beim Oberfinanzpräsidenten anfragte, ob er den Betrag auszahlen dürfe, diesen nach Genehmigung überwies und den Vorgang dann wieder an den Oberfinanzpräsidenten meldete. Insgesamt beanspruchte eine solche Transaktion sechs Wochen. Ab Juli 1939 ließ sich Paul Bonheim dann von Alexander "Israel” G. Bachur (25. Oktober 1941 deportiert nach Lodz, am 9. Oktober 1942 ermordet) aus der Kanzlei Walther Wulff – Konsulent zur rechtlichen Beratung und Vertretung von Juden – vertreten. Am 18. Juli 1939 ließ dieser die "Auswanderer-Abgabe" an den Jüdischen Religionsverband in Höhe von RM 3950 entrichten. Aus dieser Abgabe, die von allen Auswanderern erhoben wurde, finanzierte die ehemalige Jüdische Gemeinde u.a. ihre Fürsorgeleistungen für die in Hamburg zurückgebliebenen Juden.

Für seine Verwandten sorgte Paul Bonheim weiterhin großzügig: Er bedachte seine finanziell in Bedrängnis geratene Schwägerin Gertrud, verwitwete Schlomann, geb. Friedensohn, die bei ihrem Bruder Alfred in der Hartungstraße 7a wohnte, mit einem Betrag von RM 330. Als sie am 13. August 1939 verstarb, übernahm er auch die noch offenen Krankenhaus- u. Beerdigungskosten in Höhe von RM 820. Seinem jüngeren Bruder Max (geb. 14.11.1879 in Rostock) ließ er zum 60. Geburtstag RM 200 zukommen. Der Bevollmächtigte beglich auch die weiteren Raten der "Judenvermögensabgabe" von RM 18.750.

Parallel zur Emigration der Familie Bonheim bemühte sich Pauls Halbschwester Käthe, nach Schweden auszuwandern. Am 4.9.1889 in Rostock geboren, hatte sie die Emilie-Wüstenfeld-Schule in der Bundesstraße besucht und die "Selekta" an der "Höheren Lehranstalt für Mädchen" von Alice Bloemendahl, Johnsallee 5, angeschlossen, wo der als ,weiblich‘ angesehene ,Handfertigkeitsunterricht‘ in besonderer Weise gepflegt wurde. Alice Bloemendahl, geb. 16.2.1874, wurde am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Sie unterrichtete im Getto weiter Französisch, Englisch, moderne Kunst und Literatur. Am 5. Februar 1945 gelangte sie zusammen mit 1200 Häftlingen mit einem Transport in die Schweiz. Sie kehrte später nach Hamburg zurück und verstarb hier am 26. Juli 1959.

Die ledige Käthe Bonheim, wohnhaft Isestraße 50, hatte 24 Jahre als "Bankbeamtin" bei der Dresdner Bank gearbeitet. Bedingt durch die Wirtschaftskrise wurde ihr zunächst gekündigt, sie konnte aber dann aufgrund ihrer angeschlagenen Gesundheit in den vorzeitigen Ruhestand mit Pensionszahlungen wechseln, die ihr jedoch durch die Brüningsche Notverordnung und später aus "rassischen” Gründen sukzessive gekürzt wurden. Nach 1933 war es ihr als Jüdin unmöglich, eine erneute berufliche Anstellung zu finden. Um ein wenig Geld zu verdienen, fertigte sie leichte Handarbeiten. Von 1936 bis zum 1. Feburar 1939 arbeitete sie als Sekretärin des Israelitischen Vorschussinstituts, Beneckestraße 6. Dieses vergab Kredite an jüdische Selbstständige, die in finanzielle Not geraten waren.

In dieser Eigenschaft musste sie zwischen Herbst 1937 und Anfang 1939 mindestens zehn Mal in der Gestapozentrale, Stadthausbrücke, vorsprechen. Die Gestapo wollte sich einen Überblick über die wirtschaftliche Situation der noch nicht ausgewanderten Juden verschaffen. Die Beamten befragten Käthe Bonheim, über welche Vermögen diese verfügten, von wo, wohin und in welchen Größenordnungen finanzielle Mittel über das Institut flossen, und ob die Synagogen-Verwaltung oder deren Leitung politisch aktiv sei. Bei diesen jeweils zwei- bis vierzehnstündigen Vernehmungen sah sie sich massiver Gewalt ausgesetzt. Schon bei Vorlage ihres Arbeitsbuchs sei sie durch bewusst lautes Vorlesen des Namens "Israelitisches Vorschussinstitut" verhöhnt und ihr dabei ins Gesicht gespuckt worden. Ihr Protest wurde mit verbaler Verunglimpfung als "Sau-Jude" und heftigen Ohrfeigen beantwortet: "Ich wurde meistens beschimpft, geschlagen und mit dem Fuß gestoßen. Ich litt viel, auch psychisch. Ich, die alte Hamburgerin, Mitglied einer vornehmen Hamburger Familie, vornehmer Verbindungen im Gesellschaftlichen, sollte von allem wissen, welches die Gestapo interessiert hat, war keine Nacht sicher, ob ich in meinem Heim übernachten kann", berichtete sie später.

Während eines Besuchs bei ihrem Bruder Max, der ebenfalls in ärmlichen Verhältnissen in Berlin-Steglitz, Schloss-Straße 28, II., b/Gradewitz lebte, wurde sie Zeuge, wie dieser in seiner Wohnung von der Gestapo verhaftet wurde. Dieses Ereignis bewog sie, Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen. (Max Bonheim wurde am 19. Januar 1942 von Berlin in das Getto Riga deportiert, wo er zu Tode kam.)

Käthe Bonheim wanderte am 8. März 1939 nach Schweden aus, wo sie auf einen Neuanfang hoffte. Aber schon fünf Monate nach ihrer Emigration wurde eine unheilbare Augenkrankheit diagnostiziert, die sie 1943 völlig erblinden ließ. Erwerbsunfähig und anfänglich ohne jegliche Pensionsbezüge mittellos, bezog sie ihren Lebensunterhalt von der schwedischen Armenverwaltung. Ab 1947 lebte sie im städtischen Altersheim von Växjö. Am 28. Dezember 1949 versuchte sie ihre Pensionsansprüche, die ihr seit 1939 nicht mehr ausgezahlt worden waren, in der Bundesrepublik Deutschland geltend zu machen. Auch machte sie Regressansprüche für das verlorene Familiensilber geltend, welches sie einer Hausbewohnerin anvertraut hatte, das aber nach deren Aussage durch Feindeinwirkung verloren gegangen war. Zu diesem Zeitpunkt existierte für solche Ansprüche noch keine entsprechende Gesetzesgrundlage. Erst das am 18. September 1953 in Kraft getretene Bundesentschädigungsgesetz ermöglichte es ihr, Wiedergutmachungsanträge auf den Weg zu bringen und nach langjährigen Verfahren eine geringe Rente zu erwirken. Erst als ein spätes augenärztliches Gutachten bescheinigte, dass das Leiden eine unmittelbare Spätfolge der Drangsalierungs- u. Verfolgungsmaßnahmen war, erhielt sie eine einmalige Ausgleichszahlung. Zusätzlich unterstützten sie der in den USA lebende Bruder Hans Hermann und ein Freund/Verwandter aus Den Haag. Noch immer unter der Obhut der schwedischen Fürsorge, starb sie am 27. November 1963 in ärmlichen Verhältnissen.

Doch zurück zu Paul, Käthe und Erwin Alfred Bonheim. Sie hatten 1939 in Rotterdam eine Wohnung in Hilligersberg, Hoyledesingel 16 gefunden. Dort wollten sie nur vorübergehend bleiben, denn die für RM 1900 gebuchte Passage bei der Holland-Amerika-Linie musste bis zum 13. August 1939 angetreten werden. Danach drohten die Tickets zu verfallen. Doch hielten die Bonheims bis zu diesem Datum kein gültiges Einreisevisum in Händen, da die USA aufgrund der Vielzahl der inzwischen eingereisten Juden einen Einwanderungsstopp verhängt hatten. Zwar gelang es Paul Bonheim noch, bei der Hamburg-Amerika-Linie auf einen späteren Termin umzubuchen, aber mit Kriegsbeginn wurde die Passagierschifffahrt auf dem Atlantik eingestellt. Zudem war Käthe Bonheim schwer erkrankt. So richtete sich die Familie darauf ein, auf unbestimmte Zeit in Holland zu bleiben.

Als die Wehrmacht am 10. Mai 1940 die neutralen Niederlande überfiel und die deutschen Truppen das Land in nur fünf Tagen besetzten, sahen sich die dorthin emigrierten Juden erneuter Verfolgung ausgesetzt. Dies galt auch für die einheimische jüdische Bevölkerung. Ab Sommer 1940 erstellte die Besatzungsbehörde "Judenmeldeprotokolle". Am 10. Januar 1941 trat die "Verordnung des Reichskommissars für die besetzten niederländischen Gebiete über die Meldepflicht von Personen, die ganz oder teilweise jüdischen Blutes sind" in Kraft. Diese Registrierung in der "Judenkartei", an der sich auch niederländische Behörden beteiligten, war Anfang Juli 1941 abgeschlossen. Mehr als 160.000 Personen wurden erfasst. Ab Oktober 1941 begannen die deutschen Besatzer damit, die jüdische Bevölkerung in Lager zu verbringen und Deportationsbefehle zu erlassen. Die ersten Transporte erfolgten vom 10. auf den 11. Mai 1942. Den Juden wurde vermittelt, sie kämen in Arbeitslager nach Deutschland. Ab 1. November 1942 wurden sie vornehmlich in den großen Lagern Westerbork und Vught gesammelt und dann in Vernichtungslager deportiert.

Währenddessen zog das Deutsche Reich gemäß der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat das Vermögen der aus Deutschland emigrierten Juden ein, auch das der Bonheims. Das einst ansehnliche Vermögen war inzwischen auf rund RM 70 geschrumpft. Auch verloren sie als Auswanderer die deutsche Staatsangehörigkeit. Paul und Hans Hermann Bonheim wurden wegen "Unwürdigkeit” nachträglich die akademischen Grade im Auftrag des Reichsführers SS von der Universität Hamburg aberkannt.

Im Herbst 1941 zogen Paul und Käthe von Rotterdam nach De Steeg, Gemeinde Velp, wo sie gemeinsam mit der Familie Zuckermann ein Haus im Hullekesbergseweg 2 bewohnten.

James Zuckermann (geb. 13.8.1876 in Hamburg, gest. 14.6.1941 in De Steeg), und seine Frau Ida Betty Zuckermann-Jonas (geb. 15.1.1880 in Hamburg) waren ebenfalls in den 1930er-Jahren aus Hamburg in die Niederlande gekommen. Ida Betty wurde am 29. März 1944 ins Durchgangslager Westerbork eingewiesen und am 3. September 1944 nach Auschwitz deportiert und gleich nach ihrer Ankunft am 6. September 1944 ermordet. Deren gemeinsame Tochter Ilse Sophie, am 17.12.1893 in Hamburg geboren, verheiratet mit Isaac Eisemann, geb. am 4.9.1893 in Meckerheim, wurde bereits am 25. Mai 1943 zusammen mit ihren beiden Kindern, Renate (geb. 7.6.1929 in Hamburg) und Harald (geb. 26.3.1932 in Amsterdam) nach Sobibor deportiert und dort am 28. Mai 1943 ermordet. Ihr Sohn, Joseph Helmut Zuckermann, der im März 1939 Wilhelmina Scheltema aus Den Haag geheiratet hatte, zog 1941 von De Steeg nach Gorssel und überlebte, dank seiner Mischehe, dort Krieg und Verfolgung.

Erwin Alfred Bonheim hatte sich in Eefde, Gemeinde Gorssel, unter der Adresse Rijksstraatweg E462 angemeldet. Er suchte Arbeit und inserierte im "Het Joodsche Weekblad" vom 17. Juli 1942 mit einer Kleinanzeige: "Reisebeschränkung. Vertreter bietet sich an für Handelsbeziehungen in Deventer und Zutphen". Doch der Wohnort brachte ihm kein Glück: Der Notiz 2899 des "Allgemeen Politieblad", Nr. 47 vom 26. November 1942 konnten Leser entnehmen, dass der Bürgermeister der Gemeinde Gorssel die Festnahme des Handelsreisenden Erwin Alfred Bonheim beantragt hatte und ihn vor Gericht stellen wollte, weil er seinen Wohnsitz ohne die erforderliche Genehmigung gewechselt hatte. Der Bürgermeister vermutete, Erwin Alfred Bonheim sei untergetaucht.

Ein gutes Jahr später, am 10. Januar 1944, wurde Erwin Alfred während einer Razzia in Amsterdam verhaftet. Laut Polizeibericht trug er 0,61 Gulden, eine Uhr und einen Füller bei sich. Am 12. Januar 1944 wurde er ins Lager Westerbork überführt und in der Strafbaracke 67, anschließend in der Krankenbaracke 81 untergebracht, bis er am 3. März 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde. Später wurde er auf den 31. Juli 1944 für tot erklärt.

Paul und Käthe Bonheim, die seit dem 3. Mai 1942 den "Judenstern" tragen mussten, erkrankten im Herbst 1942 schwer und wurden in einem Krankenhaus behandelt. Noch im November erfuhren sie über Pauls in Schweden lebende Schwester Käthe von der Geburt ihres ersten Enkels Nelson in den USA.

Bonheims fanden einen Helfer: Ein Herr Meijer aus De Steeg, der sich immer wieder unter Lebensgefahr für Juden einsetzte und ihnen Verstecke organisierte (wofür er nach dem Krieg vom Staat Israel ausgezeichnet wurde), versteckte auch das Ehepaar Bonheim in Alkmaar.

Dennoch schieden Paul und Käthe Bonheim am 13. Dezember 1942, einem Sonntag, gemeinsam in Velp aus dem Leben. Vielleicht reichten ihre Kräfte für das anstrengende Leben im Untergrund nicht mehr, vielleicht waren sie durch den Verlust ihres Freundes James Zuckermann in Panik geraten, oder wollten so der drohenden Deportation nach Polen zuvorkommen. Hatten sie schon über ihr Leben nicht bestimmen können, so doch über ihren Tod. Im Abschiedsbrief an seinen Sohn Hans Hermann schrieb Paul Bonheim: "Alles was wir in Deutschland erdulden mussten und was uns zur Auswanderung zwang, hat sich seit zwei Jahren hier wiederholt. Das Laufen mit dem Stern, um acht Uhr zu Hause sein, nur von drei bis fünf Uhr in Läden gehen wäre alles nicht so schlimm, wenn man nicht jetzt wie ein Verbrecher gesucht und aus dem Hause geholt würde, um nach Polen geschickt zu werden. Ein Mensch, der wie ich sein ganzes Leben lang als Arzt erfolgreich seinen arischen Mitmenschen geholfen hat, und der im vorigen Kriege vier Jahre lang den Soldaten mit Erfolg zu Gesundheit verholfen hat, und der mit vier Orden geschmückt ist, der soll jetzt wie ein gewöhnlicher Verbrecher sich versteckt halten und das Tageslicht scheuen. Das mache ich nicht mit."

Paul Bonheim verfasste während seines Exils in Holland eine umfangreiche Autobiographie, die uns nicht zugänglich war. Dem deutschen Generalkonsulat in San Francisco lagen 1964, als es um die Erstattung von auswanderungsbedingten "Haushaltsverschleuderungen" ging, eine Reihe von Schreibheften mit tagebuchartigen, persönlichen Aufzeichnungen vor. Dort beschrieb Paul Bonheim "sein Steckenpferd", "meine Bibliothek": Er hatte sich zu allen feierlichen Gelegenheiten Bücher schenken lassen, in denen er las, wenn seine Zeit es erlaubte. An allen Wänden seines Sprechzimmers standen Bücherschränke. Eine besondere Vorliebe zeigte er für Napoleon I., der ihm imponierte, weil er aus "kleinsten Anfängen heraus" eine Weltmachtstellung erreicht hatte und mit anderen Kaisern der alten Dynastien umging wie mit Angestellten, der die Weltkarte "ummodelte", wie es ihm passte. "Vor allem gefiel mir, dass er nicht, wie so viele Emporkömmlinge, sich seiner eigenen Familie schämte, sondern alle Brüder und Verwandten zu Königen und Großherzogen machte. Dann imponierte mir sein Gerechtigkeitssinn den Juden gegenüber". Und auch – "als der Stern jenes allmächtigen Mannes im Sinken war" – freute sich Paul Bonheim an der Tatsache, dass Bäume nicht in den Himmel wachsen und Diktatoren immer zu Fall kommen! Paul Bonheims Bibliothek war für sein Alter gedacht. Ein Patient hatte ihm von den Büchern erzählt, die er gesammelt hatte, aber in den "besten Jahren" nicht hatte lesen können. Im Alter, als er Zeit hatte, waren seine Augen so schlecht geworden, dass er nicht mehr lesen konnte. "Bei mir", so Paul Bonheim, "hat es sich anders verhalten. Ich musste meine Bücher verkaufen. Für verbotene Bücher – nur das waren in Deutschland die meisten – bekam ich einen bescheidenen Preis. Der Rest wurde stückweise für Pfennige verkauft, zum großen Teil als Altpapier für einige Pfennige per Kilo. Der Lateiner sagt: ,Habent sua fata libelli‘ – auch die Bücher haben ihre Schicksale."

Am 1. Juli 2014 wurden in der Brahmsallee 19 die Stolpersteine für Paul, Käthe und Erwin Alfred Bonheim verlegt. Der Standort entspricht dem Teil der Hansastraße, in dem früher das Haus mit der Nr. 70 stand und der die Brahmsallee mit dem Grindelberg verband. Er existiert heute nicht mehr, weil er den Luftangriffen zum Opfer fiel. Heute stehen dort die Grindelhochhäuser. Es reisten Enkel, respektive Großneffen, Karl Bonheim, dessen Gattin Dorothy und Tochter Lauren aus den USA an.

Ein zweiter Stein erinnert an Paul Bonheim vor dessen einstiger Wirkungsstätte, dem ehemaligen Freimaurer-Krankenhaus im Kleinen Schäferkamp.

Stand: September 2016
© Michael Steffen

Quellen: StaH 314-15 R 1938/3205; StaH 314-15 F 184; StaH 314-15 Fvg 3724; StaH 351-11 31820; StaH 351-11 11263; StaH R7 1938/3209; StaH 361-2 II B 223; StaH 362-2/19 22 Bd.1; StaH 362-2/30 675 Bd.2; StaH 352-3 I H5d; StaH 332-7 B III 79330; StaH 332-8 K 4271; StaH 364-5 I Heft L 50.6.69; Deutscher Reichsanzeiger und preußischer Staatsanzeiger vom 13.10.1941; StaH 522-1, 992b, Kultussteuerkarte Dr. Paul Bonheim; Kultussteuerkarte Dr. Hans Hermann Bonheim; Auskunft Jost v. Maydell zu Friedensohn; Gedenkbuch www.bundesarchiv.de (zugegriffen am 23.4.2014): "Die Zeit"-Archiv, Jg. 1957, Ausg. 15. www.zeit-online.de (zugegriffen am 4.9.2014); www.dasjuedischehamburg.de/"Max Plaut" (Meyer) (zugegriffen am 9.9.2014); diverse Adress- u. Fernsprechbücher Hamburg 1920–1940; Stadtarchiv Rostock; Staats- u. Universitätsbibliothek Hamburg/Universität Kiel, Dissertation Dr. Paul Bonheim/Universität Hamburg Dissertation Dr. Hans Hermann Bonheim; "Reichsmedicinal-Kalender" Theil II von Dr. Paul Börner, Bände 1903–1913, Kap. XXV Freie und Hansestadt Hamburg, Georg Thieme Vlg. Leipzig; Schülerverzeichnis Wilhelm-Gymnasium 1893 M II a 12. Schuljahr www.forum.ahnenforschung.net (zugegriffen am 28.8.2014); Festschrift 100 Jahre KH Barmbek 2013; Held, Juden und Freimaurer, S.23, 44, 87, 94f., 132, 158f., 161; Villiez, Mit aller Kraft, S. 74ff., 111ff., 131f., 231f.; www.wienerlibrary.co.uk/Search-document-collection?item=2619 (zugegriffen am 20.10.2014); www.bibnet.org/ vufind/Record/careum53485 (zugegriffen am 14.10.2014); Jüdische Gewerbetreibende in Berlin 1930–1945 www.2.hu-berlin.de/djgb/www/find (zugegriffen am 18.10.2014); www.niod.nl/zoekresultaat?query=Eisemann&op=Submit; (zugegriffen am 2.11.2014); www.geldersarchief.nl Inventarisnummer 9777 (zugegriffen am 4.11.2014); josemartin@kampwesterbork.nl (email 28.10.2014); www.joodsmonument.nl/person/213579/en (zugegriffen am 16.11.2014); Hans Kooger, Joods leven in Dieren, Rheden en Velp, Zutphen 1987, S. 77ff., 83f. 87, ISBN 90-6011-528-7; www.gmic.co.uk jewish officers in the German Army of WW I (zugegriffen am 3.11.2014); www.denkmalprojekt.org (Gedenkbuch der gefallenen deutschen jüdischen Soldaten im 1. WK der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten) (zugegriffen am 3.11.2014); Wikipedia Bertha Markheim; persönliche tagebuchähnliche Aufzeichnungen Dr. Paul Bonheim; Auskunft Dr. Nelson Bonheim U.S.A.; New York Times vom 26.9.2006; Paul Bonheim, "Zur Behandlung der Tuberkulose mit Schildkröten-Tuberkelbazillen nach Piorkowski", Bibliographie 40 (1914) H 26, S. 1318–1319.

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