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Elka Appermann (geborene Verschleisser) * 1878

Schlegelsweg 1 (Wandsbek, Eilbek)


HIER WOHNTE
ELKA APPERMANN
GEB. VERSCHLEISSER
JG. 1878
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA

Elka Appermann, geb. Verschleisser, geb. 18.11.1878 in Wien, deportiert am 6.12.1941 nach Riga

Schlegelsweg 1 (Schlegelsweg 11)

Elka Verschleisser wurde am 18. November 1878 in Wien geboren. Sie heiratete den ebenfalls in Wien gebürtigen Moriz Appermann. Zeitpunkt und Ort der Eheschließung sind nicht bekannt. Ihre Eltern, der Hutmacher Moses Verschleisser und Sara, geborene Hühner, hatten die polnische Staatsangehörigkeit und waren jüdischen Glaubens. Elka Appermann besaß, wie sie 1940 gegenüber der Hamburger Polizei angab, die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie stützte diese Angabe auf einen 1904 ausgestellten Reisepass, in dem vermutlich die österreichische Staatsangehörigkeit ausgewiesen war. Nach dem "Anschluss" Österreichs bekamen Österreicher mit der "Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit im Lande Österreich" vom 3. Juli 1938 die deutsche Staatsangehörigkeit, so auch Elka Appermann.

Die vier Kinder des Ehepaares Elka und Moriz Appermann kamen in Hamburg zur Welt: Gerhard, geboren am 26. April 1907, Heinz, geboren am 7. April 1908, Walter, geboren am 27. Juli 1909, und Werra, geboren am 13. Juni 1910.

Die Ehe von Elka und Moriz Appermann wurde geschieden. Elka Appermann gab gegenüber der Polizei als Scheidungsjahr 1922 an. Dies trifft jedoch nicht zu, denn bereits 1921 heiratete Moriz Appermann erneut.

Nach der Trennung wohnte Elka Appermann viele Jahre im Stadtteil Eilbek: 1920 bis 1923 in der Friedenstraße 13, 1924 bis mindestens 1933 im Schlegelsweg 11. Beide Wohnungen lagen in der Nähe der Kantstraße 4, der Adresse ihres Sohnes Gerhard Appermann und seiner Familie, die sie zu Fuß innerhalb weniger Minuten erreichen konnte.

Die Einträge im Hamburger Adressbuch über Elka Appermann enthalten jeweils den Zusatz "Näherin". Sie wird jedoch kaum ein nennenswertes Einkommen erzielt haben. Nach eige­nen Angaben war sie seit 1918 erwerbslos.

1939 verließ Elka Appermann den Stadtteil Eilbek. Die Gründe für den Umzug liegen im Dunkeln. Möglicherweise wurde sie wie so viele andere jüdische Familien aus ihrer bisherigen Wohnung verdrängt. Ihre Adresse lautete jetzt Rutschbahn 25a. Dort wohnte sie auch noch, als das Wohnhaus im Jahre 1941 ein so genanntes Judenhaus wurde. Elka Appermann wurde von der Jüdischen Gemeinde mit monatlich 44,50 RM unterhalten.
1940 geriet Elka Appermann ins Visier der Hamburger Polizei, weil sie es versäumt hatte, rechtzeitig die seit Mitte 1938 vorgeschriebene spezielle Kennkarte für Jüdinnen und Juden zu beantragen. Als Erklärung gab Elka Appermann zu Protokoll, sie habe die Kennkarte für Juden nicht fristgemäß beantragt, weil sie zum einen krank gewesen sei und zum anderen gedacht habe, sie als Wienerin müsse das nicht in Hamburg erledigen.

Bevor es in dieser Angelegenheit zu einem behördlichen Entscheid kam, wurde sie zum 15. August 1940 erneut auf das Polizeirevier vorgeladen. Jetzt ging es darum zu erklären, weshalb sie es auch versäumt habe, der Hamburger Polizeibehörde fristgerecht mitzuteilen, dass sie inzwischen einen zusätzlichen Vornamen, nämlich Sara, angenommen habe. Sie als Jüdin sei per Gesetz verpflichtet gewesen, dies zu tun. Sie erwiderte, dass sie ihren jüdischen Pflichtvornamen am 21. Juli 1939 angemeldet habe; dies sei so spät geschehen, weil sie nicht gewusst habe, dass sie ihn auch bei der Hamburger Polizei hätte anmelden müssen. Außerdem habe sie im Israelitischen Krankenhaus gelegen.

Das Verfahren gegen Elka Appermann zog sich hin. Eine am 26. Juli 1940 an die Wiener Behörden gerichtete Anfrage der Hamburger Oberstaatsanwaltschaft wurde dort erst am 6. September 1940 bearbeitet. Die Antwort bestätigte Elka Appermanns Angaben. Das Amtsgericht Hamburg verhängte daraufhin am 4. Oktober 1940 wegen der Versäumnisse einen Strafbefehl über zweimal 20 RM, hob diesen aber nach einem Gnadengesuch und wegen Mittellosigkeit von Elka Appermann am 6. November 1940 wieder auf.

Elka Appermann wurde am 6. Dezember 1941 im Alter von 63 Jahren nach Riga deportiert. Seitdem gibt es kein Lebenszeichen von ihr.

Auch zwei ihrer Kinder wurden von den Nationalsozialisten ermordet:
Ihr ältester Sohn Gerhard (siehe dort) wurde am 8. November 1941 nach Minsk deportiert.
Der Sohn Walter floh offenbar nach Frankreich. Seine letzte bekannte Adresse vor der Inhaftierung war nach einer Mitteilung des französischen Ministère des Anciens Combattants das am 25. Februar 1939 errichtete Internierungslager Septfonds in Südfrankreich. Dieses diente der französischen Armee nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens am 22. Juni 1940 zwischen Frankreich und dem "Dritten Reich" zur Inhaftierung von "gefährlichen Personen". Beginn und Dauer des Aufenthalts von Walter Appermann in Septfonds sind nicht bekannt, ebenso wenig, unter welchen Umständen und zu welchem Zeitpunkt er in das Sammellager Drancy kam. Von dort wurde er am 31. Oktober 1943 nach Auschwitz deportiert. In den Akten des SS-Hygiene Instituts Berlin, das unter anderem verantwortlich war für die Experimente an Menschen in Konzentrationslagern, ist er verzeichnet als kranker Häftling in Abschnitt BIIf Bl. 12 in Birkenau. Ihm wurde Sputum entnommen, das auf Tbc-Bazillen untersucht werden sollte. Es ist sicher anzunehmen, dass er das Lager Birkenau nicht überlebt hat.
Heinz Appermann wanderte im Juni 1938 nach New York aus.
Werra Appermann, das jüngste der vier Kinder, blieb unverheiratet. Sie war von Beruf Verkäuferin, seit dem 1. Februar 1938 aber erwerbslos gemeldet. Sie wollte im Januar 1939 nach Frankreich auswandern, was jedoch nicht gelang. Am 23. Dezember 1938 war ihr die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes für ihre Auswanderung ausgestellt worden. Warum dann aber, wie auf der Kultussteuerkartei der jüdischen Gemeinde in Hamburg vermerkt, die Auswanderung nach Frankreich nicht erfolgte, geht aus der Auswanderungsakte nicht hervor. Es existiert ein Vermerk, nach dem sie am 17./18. Mai 1939 nach England ausgereist sei. Unter dem 18. Mai 1939 wurde ihr Pass als gesperrt notiert. Das bedeutete, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt Deutschland verlassen hatte bzw. verlassen haben musste. Vielleicht hatte sie die Möglichkeit, mit einem der Kindertransporte nach England auszureisen – dank des glücklichen Umstandes, mit ihren 17 Jahren und elf Monaten die Altersobergrenze von 18 Lebensjahren, die für die Kindertransporte galten, nicht überschritten zu haben.

Stand Februar 2024
© Peter Offenborn / Ingo Wille

Quellen: 1; 2; 6; 9; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafakten 4929/39, 5608/43; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 11118; 522-1 Jüdische Gemeinden 922 e 2 (Deportationslisten); Standesamt Ham­burg-Nord, Geburtsurkunde 518/1910 Werra Appermann; Auschwitz Museum Archives (Auskunft zu Walter Appermann); Yad Vashem (Auskunft über Familie Appermann); Rosenberg, Heinz, Jahre des Schreckens.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link Recherche und Quellen.

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