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Fritz Breslauer * 1871

Rostocker Straße 44 (Hamburg-Mitte, St. Georg)


HIER WOHNTE
FRITZ BRESLAUER
JG. 1871
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 9.8.1943

Weitere Stolpersteine in Rostocker Straße 44:
Elsa Breslauer

Fritz Breslauer, geb. am 10.2.1871 in Berlin, deportiert am 15.7.1942 ins Getto Theresienstadt, ermordet am 9.8.1942
Elsa Breslauer, geb. Grünfeld(t), geb. am 27.7.1875 in Wismar, deportiert am 15.7.1942 ins Getto Theresienstadt, ermordet am 20.5.1943

Rostocker Straße 44 (St. Georg)

Fritz Breslauer wurde am 10. Februar 1871 als Sohn von Hermann (Jg. 1838) und Elise Breslauer, geborene Pappenheim (Jg. 1849) in einer jüdischen Familie geboren. Er hatte zwei Schwestern: Clara (geb. 16.3.1872) und Martha (geb. 12.8.1886) sowie zwei Brüder: Albert (geb. 24.10.1874) und Richard (geb. 26.6.1869).

Über die Kindheit und Jugendzeit, den schulischen und beruflichen Werdegang von Fritz Breslauer ist uns nichts bekannt. Der Vater starb am 12. April 1899, die Mutter am 26. August 1919.

Fritz Breslauer war verheiratet mit Elsa, geb. Grünfeld/Grünfeldt (geb. 27.7.1875). Sie war die Tochter von Bernhard und Pauline Grünfeldt, geborene Meyer (Jg. 1848), die jüdische Familie lebte in Hagenow. Elsa hatte sechs Geschwister: Johanna (geb. 9.5.1874), Minna (geb. 25.10.1876), Clara (geb. 25.1.1878), Hugo (geb. 26.05.1879), Emma (geb. 8.9.1880) und Martin Bernhard (geb. 18.1.1885). Der Vater Bernhard Grünfeldt war in Wismar als Kaufmann und Fabrikant tätig. Er verstarb 1891 in Wismar. Die Mutter Pauline Grünfeldt zog zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes von Wismar mit ihren Töchtern Emma, Clara und Minna nach Lübeck. Pauline Grünfeldt gehörte bis zu ihrem Tod im Jahre 1915 der dortigen Jüdischen Gemeinde an.

Das junge Ehepaar Breslauer bekam einen Sohn: Hermann Bernhard (genannt Harry), geb. 22. April 1900 in Kiel, und eine Tochter Käthe, geb. 29. November 1902 in Kiel.

Seit 1900 war die Familie Breslauer in Kiel ansässig, zunächst bis 1901 wohnhaft in der Wilhelminenstraße 1 Dreiecksplatz), dann bis 1907 in der Brunswiker Straße 37. Unter den Adressen wurde Fritz Breslauer als Kaufmann mit einem Unternehmen für Putz- und Modewaren – Spezialhaus für Damenputz – geführt. Im Jahr 1907 gab es außerdem noch einen Laden, das "Breslauer Putzgeschäft", in der Eckernförder Straße 4.

Über den Wohnort von Fritz Breslauer und seiner Familie in der Zeit von 1908 bis 1914 ist uns nichts bekannt.

Seit 1915 wohnte die Familie Breslauer in der Rostocker Straße 44 in Hamburg-St. Georg. Fritz Breslauer war sowohl als selbständiger Kaufmann in der Textilbranche tätig als auch als selbständiger Vertreter von Textilfirmen. Freunde, die die Familie seit 1927 kannten, schätzten nach dem Krieg das Einkommen von Fritz Breslauer in den Jahren 1930-1933 – höchstwahrscheinlich mit der in der Branche üblichen Beteiligung am Umsatz – auf ca. 800 – 1.000 RM monatlich.

Diese Freunde berichteten des Weiteren im Rahmen des Wiedergutmachungsverfahrens, dass die Familie Breslauer ein gutbürgerliches Leben geführt, sehr sparsam gelebt, Rücklagen für das Alter gebildet habe und beide Kinder eine gute Erziehung an höheren Schulen erhalten hätten. Sie erinnerten sich an eine 4-5-Zimmer-Wohnung, die mit einigen antiken Möbelstücken ausgestattet gewesen sei, und an Tafel- und sonstige Ziersilber, das in Schränken mit Glasfenstern aufbewahrt wurde. Die Freunde gaben an, dass ihnen diese Möbel außerordentlich wertvoll erschienen sei, das antike Silber habe Elsa Breslauer mit in die Ehe gebracht.

Fritz Breslauer war 1925 aus der Jüdischen Gemeinde ausgeschieden. Ob er sich christlich taufen ließ oder sich als "Dissident" betrachtete, ist uns nicht bekannt. Wie alle "Volljuden" im Sinne der Nationalsozialisten musste er jedoch 1939/1940 der Jüdischen Gemeinde wieder beitreten, die nun "Jüdischer Religionsverband e.V." hieß und zu einer untergeordneten Bezirksstelle der Zwangsorganisation "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" geworden war.

Ab 1939 war das Ehepaar mittellos und wurde von Sohn Hermann, ebenfalls Kaufmann (Textilwaren Großhandel), finanziell unterstützt. Hermann Breslauer wurde von Freunden der Familie als ein Mann von stattlichem gutem Aussehen, gefälligem Wesen und anderen persönlichen Eigenschaften beschrieben, die ihm offenbar in seinem Geschäftsleben sehr nützlich waren.

Hermann Breslauer, zuletzt wohnhaft in Harvestehude, Parkallee 4 bei Cerini, wurde mit seiner Frau Selma Breslauer, geb. Kahn, am 8. November 1941 nach Minsk deportiert und dort ermordet. Er wurde am 8. Mai 1945 für tot erklärt. An das Ehepaar Hermann und Selma Breslauer erinnern in Hamburg Stolpersteine in der Parkallee 4 und an Selma Breslauer in Bamberg, Austraße 23.

Neben der psychischen Belastung durch die Deportation des Sohnes entfiel für Fritz und Elsa Breslauer damit auch dessen finanzielle Unterstützung. Der NS-Staat hatte zudem Juden generell aus der staatlichen Fürsorge ausgeschlossen und diese der Reichsvereinigung aufgebürdet. So bezog Fritz Breslauer ab Januar die geringere Wohlfahrtsunterstützung vom "Jüdischen Religionsverband".

1942 mussten Fritz und Elsa Breslauer in das ehemalige Stift in der Bundesstraße 35 umziehen, das nun als "Judenhaus" genutzt wurde. Von den Deportationen im Herbst und Winter 1941 waren sie als über 65jährige verschont geblieben. Doch für den 15. Juli 1942 erhielten sie den Befehl zur ersten Großdeportation aus Hamburg in das "Altersgetto" Theresienstadt.

Dort starb Elsa Breslauer am 20. Mai 1943. Fritz Breslauer folgte ihr am 9. August 1943. Auf seiner Todesbescheinigung hatten die jüdischen Ärzte als Krankheiten "Lungen-TBC" und eine "Darmentzündung" angegeben, als Todesursache "Lungenentzündung".

Beider Namen sind auf der 2020 angebrachten Erinnerungstafel an der Hamburger Sternschanze nachzulesen, die an die Deportation am 15.7.1942 erinnert.

Elsa Breslauers Schwestern Emma, Clara und Minna wurden 1941 nach Riga deportiert und dort ermordet. An die Schwestern und ihr Schicksal erinnern Stolpersteine in Lübeck in der Charlottenstraße 26 und eine dazugehörige Biografie (siehe www.stolpersteine-luebeck.de).

Die Schwester Johanna Borgwardt, geborene Grünfeldt, verstarb am 2.12.1922.

Elsa Breslauers Bruder Martin Bernhard war Schauspieler, ledig und verstarb am 22.11.1922 in Rostock.

Der Bruder Hugo war zum Protestantismus konvertiert und wurde am 12.10.1898 in Lübeck getauft. Er arbeitete dort als Kaufmann und erhielt am 24.6.1908 die Aufnahmeurkunde der Lübeckischen Staatsangehörigkeit. Über sein weiteres Schicksal ist uns nichts bekannt.

Fritz Breslauers Bruder Albert Breslauer, zuletzt wohnhaft Dortmunder Straße 8 in Berlin wurde am 17. März 1943 ebenfalls nach Theresienstadt deportiert und verstarb dort am 1. Februar 1944.

Seine Schwester Martha, wohnhaft Mozartstraße 34 in Hamburg-Barmbek, wurde mit ihrem Mann Adolph Meyer (geb. 26.10.1871) zunächst am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt und am 15. Mai 1944 weiter nach Auschwitz deportiert. Dort wurden beide vermutlich gleich nach der Ankunft ermordet. An das Ehepaar erinnern in Hamburg Stolpersteine in der Mozartstraße 34.
Sie hatten zwei Söhne: Erwin (geb. 16.05.1912) und Günter Hans Meyer (geb. 26.6.1923), die 1937 nach Argentinien emigrierten und später von dort in die USA auswanderten.

Fritz Breslauers zwei Jahre älterer Bruder Richard war bereits am 26.6.1923 verstorben.
Über das Schicksal seiner Schwester Clara ist uns nichts bekannt.

Die einzige Überlebende der Familie Fritz Breslauer war die Tochter Käthe. Sie hatte in Berlin Kurt Loewenstein geheiratet, einen Künstler in der Reklamebranche. Als Künstler hatte er seinen Namen schon vor Beginn der Verfolgung von Loewenstein in Laps geändert. Die letzte Wohnadresse lautete in Berlin Schmargendorf, Ladeckenstraße 10. 1933 wanderten sie nach Holland aus, wo sie später untertauchen mussten. So überlebten sie und wohnten zuletzt in Amsterdam, Helmerstraße 137 II. 1947 wanderten sie nach Norwalk, Connecticut (USA) aus. Käthe nahm die amerikanische Staatsbürgerschaft an und war dort als Hausgehilfin tätig, während ihr Mann Kurt krank und arbeitslos war. Sie ließ sich später von Kurt Laps scheiden und heiratete 1957 George Lyman Paine und führte dann den Namen Kate Paine. Sie lebte in 6, Channing Place, Cambridge, Massachusetts. Beide Eheleute gehörten in den USA der religiösen Gemeinschaft der Quäker an.

Kate Paine litt lebenslang unter dem Schicksal ihrer Familie. 1957 war sie deswegen bereits so schwer erkrankt, dass ihr behandelnder Arzt ihr dringend nahelegte, sich nicht weiter mit der Verfolgung der Familie und dem Antrag auf Wiedergutmachung zu befassen.

Stand: Juni 2023
© Birgit Geyer

Quellen: 1; 3; 4; 5; 7; 8, Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Hamburger Adressbücher von 1915 – 1941; Stadtarchiv Kiel – Kieler Adressbücher von 1900 – 1907; Stadtarchiv Kiel – Geburtsregister https://katalog-stadtarchiv.kiel.de/ (Zugriff 14-11-2022; StaH Entschädigungssachen: 213-13_25489 (Fritz Breslauer); 213-13_7999 (Erwin und Martha Meyer); StaH Amt für Wiedergutmachung: 351-11_1737 (Adolph und Martha Meyer); 351-11_8851 (Martha Meyer); 351-11_37829 (Erwin und Martha Meyer); 522-1 Kultussteuerkartei: 741-4_K 4291; 332-8 Meldewesen: 741-4_K 2320; Theresienstädter Gedenkbuch: Todesfallanzeige (Zugriff 8.8.2022); Datenbank der Namen von Holocaust-Überlebenden und Opfern: Datensatz-Nummer 114801142 (Zugriff 8.8.2022); ITS Arolsen Archives - https://collections.arolsen-archives.org/, DOC ID 86044504 (Zugriff 8.8.2022); https://www.sternschanze1942.de/die-namen-der-deportierten-vom-15-und 19-juli-1942 (Zugriff 8.1.2023); Auskünfte Erich Koch, Datenbank schleswig-hosteinischer Juden (Mecklenburg Volkszählung 1890 und 1900; Standesamt Rostock: Sterberegister; Lübeck Bürgerannahmebücher und Register zum Erwerb der Staatsangehörigkeit 1591-1919; Taufregister Lübeck 1898; Dr. Peter Guttkuhn, Die Lübecker Geschwister Grünfeldt, Vom Leben, Leiden und Sterben "nichtarischer” Christinnen, Lübeck 2001, herausgegeben vom Kirchenkreis Lübeck der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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