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Paula Bundheim 1930
© Nathan Ben-Brith

Paula Bundheim * 1924

Brahmsallee 19 (vormals Hansastraße 57) (Eimsbüttel, Harvestehude)

1941 Minsk

Weitere Stolpersteine in Brahmsallee 19 (vormals Hansastraße 57):
Kela Bundheim, Max Bundheim

Max Bundheim, geb. am 23.4.1889 in Altona, am 8.11.1941 deportiert nach Minsk
Kela Bundheim, geb. Bamberger, gesch. Schwarzschild, geb. am 31.1.1900 in Sulz, am 8.11.1941 deportiert nach Minsk
Paula Bundheim, geb. am 22.3.1924 in Hamburg, am 8.11.1941 deportiert nach Minsk

Brahmsallee 19 (Hansastraße 57)

Max Bundheim war der älteste Sohn von Nathan und Caroline Bundheim. Seine jüngere Schwester Henriette (geb. 1890) war von Kindheit an behindert. Max bekam noch einen Bruder, Ernst (geb.1895), und zwei Schwestern: Frida (geb. 1892) und Gertrud (geb.1896). Die Familie war sich ihrer sephardischen Herkunft bewusst und pflegte alle verwandtschaftlichen Beziehungen. Ein Neffe von Max, Joseph Ben Brith (früher Bundheim), befasste sich in seinen späteren Lebensjahren intensiv mit der Geschichte der Bundheims und rekonstruierte sie bis zur Vertreibung der Juden von der Iberischen Halbinsel.

Nathan Bundheim (1855–1915), Max’ Vater, war Privatbankier in Altona. Seine Kinder erinnerten sich an ihn als großen, hageren, streng religiösen Patriarchen, der an jedem Sabbat in seiner Wohnung mit gleichgesinnten Familienvätern ein Lehrpensum erarbeitete. Am 11. April 1888 heiratete er in Hamburg die zehn Jahre jüngere Caroline Gelle Wertheim, deren Vater in Hessen ebenfalls Bankier war und Nathan Bundheim durch die Geschäfte kennengelernt hatte. Die junge Ehefrau starb schon 1865 bei der Geburt von Caroline Gelle, die den Vornamen der Mutter erhielt, und ihrer Zwillingsschwester. Der Enkel Joseph Ben Brit (Bundheim) beschrieb seine Großmutter Caroline Gelle Wertheim als stattliche liebevolle Frau. Sie überlebte ihren Mann, der 1915 starb, um zwanzig Jahre. In ihrer Wohnung in der Hansastraße 43 kamen zwei ihrer Enkel, Kinder ihres Sohnes Ernst und seiner Frau Johanna, zur Welt.

Max Bundheim besuchte in Hamburg die Talmud Tora Schule. Anschließend schlug er den Berufsweg des Vaters ein und absolvierte eine Ausbildung in Bankgeschäften. 1914 wurde er als Soldat eingezogen. Während des Ersten Weltkriegs stand er im Feld bis zum Zusammenbruch der Westfront. Er kehrte von dort zurück, während sein gleichaltriger Freund Siegfried Glückstadt nach den Kämpfen vor Verdun im Sommer 1916 verschollen blieb. 1920 heiratete Max Bundheim die 1895 in Hamburg geborene Erna Levi. Um die gleiche Zeit gründeten auch seine Geschwister Familien: Schon 1914 hatte Frida den aus Oberschlesien gebürtigen Martin Wolkowsky geheiratet, Gertrud wurde Ehefrau von Max Sommer und Ernst verband sich mit der einzigen Tochter der befreundeten Familie Glückstadt. Max Bundheim ließ sich 1918 als Fondsmakler ins Handelsregister eintragen und übernahm das Büro seines verstorbenen Vaters im "Ludwigshof", dem um die Jahrhundertwende erbauten prachtvollen Bürohaus Hohe Bleichen 20. Ein Ausdruck dafür, wie gut sein Geschäft lief, war auch der Hauskauf. 1923 erwarb Max Bundheim das große Mehrfamilienhaus in der Hansastraße 57/Ecke Schlüterstraße vom Eigentümer E. Süth, der als Wohnadresse Hohe Bleichen 20 angab.

So erfolgreich der berufliche Werdegang von Max Bundheim auch verlief, so lastete doch ein Verhängnis auf der jungen Familie. Der am 3.1.1922 geborene erste Sohn Norbert Nathan starb im Alter von kaum zwei Jahren. Auch Gerhard, 1926 und Lotte, 1930 geboren, überlebten die ersten Kindheitsmonate nicht. Von fünf Kindern wuchsen nur die beiden Mädchen Paula (geb. 1924) und Hilde (geb. 1929) gesund heran. Unter diesen Schicksalsschlägen zerbrach die Ehe von Max und Erna, sie ließen sich scheiden.

Die jüngere Tochter, Hilde, blieb bei ihrer geschiedenen Mutter, der es gelang, sie vor der nationalsozialistischen Verfolgung mit einem Kindertransport nach England zu schicken, danach selbst nach England zu emigrieren und dort eine Existenz zu gründen. Mutter und Tochter nahmen nach dem Krieg die britische Staatsangehörigkeit an. Max Bundheim heiratete in zweiter Ehe die ebenfalls geschiedene Kela Schwarzschild, geborene Bamberger. Aus ihrer früheren Ehe mit dem Kantor Ignaz Schwarzschild stammten zwei Söhne: Leopold und Salomon (Schlomo). Schlomo litt sehr unter der Entzweiung seiner Eltern. Er verbrachte deshalb ein Jahr bei Verwandten in der Schweiz, ehe er zusammen mit seiner Mutter Kela in die Familie Bundheim aufgenommen wurde. Wie sein Bruder Leopold besuchte er die Talmud Tora Schule. Beide machten in Blankenese eine landwirtschaftliche Ausbildung im Rahmen der Hachschara, der Vorbereitung auf die Alija, die Auswanderung nach Palästina. In die Jugendalija aufgenommen wurde allerdings nur der erst 14-jährige Schlomo, während Leopold mit 17 Jahren die gesetzte Altersgrenze überschritten hatte. Schlomo Schwarzschild, der Stiefsohn von Max Bundheim, überlebte in Palästina/Israel die Shoa.

In Hamburg geriet Max Bundheim durch die nationalsozialistischen Gesetze zunehmend in Schwierigkeiten. Er verlor seine "arische" Kundschaft, und jüdische Klienten konnten nur noch bedingt über ihr Geldvermögen verfügen. Schon ab 1935 war Bundheims Geschäft praktisch lahmgelegt. Er befasste sich mit Heilkunde und betätigte sich als Masseur, um Beschäftigung und Einkommen zu haben und lernte Englisch. An Emigration scheint er damals trotzdem nicht ernsthaft gedacht zu haben. Als Ältester fühlte er sich verantwortlich für seine alleinstehende Mutter und die behinderte Schwester Henriette. Auch war er durch den Hausbesitz gebunden. Im August 1938 wurde er "wegen Nichtführen des Namens Israel" zu 50 RM Strafe anstelle von fünf Tagen Haft verurteilt. Nun bemühte er sich verstärkt um die Auswanderung in die USA. Denn erschreckend schnell vollzog sich der totale Ruin seiner bürgerlichen Existenz. Die Vermögensverhältnisse von Max Bundheim waren bereits in der "Judenkartei" des Oberfinanzpräsidenten/Devisenstelle gespeichert. Am 12. Dezember 1938 wurde das von Kanzler Brüning 1932 erlassene Devisengesetz ergänzt. Danach wurden alle bisherigen Angaben über jüdische Vermögen erneut überprüft. Die Ergebnisse hielten als Grunddaten fest: Die Firma sei 1918 als Einzelfirma von Max Bundheim gegründet worden. Der Inhaber, "Jude deutscher Staatsangehörigkeit", sei als Fondsmakler tätig gewesen. Das Geschäft ruhe seit 1936 und sei am 31. Dezember 1938 ganz geschlossen worden. Da es sich um ein Maklergeschäft handele, dessen Wert ausschließlich auf persönlichen Beziehungen des Inhabers beruhe, seien Arisierungsverhandlungen nicht anhängig.

Vom Geschäft konnte also unmittelbar weder Geld noch sonstiger Wert abgeschöpft werden, wohl aber von der Immobilie und dem privaten Besitz. Als Vermögenswert aufgeführt wurden das Grundstück mit einem Einheitswert von 55.000 RM, verschiedene Wertpapiere und Versicherungspolicen, der Inhalt eines Schließfachs und hypothekarische Grundstücksansprüche an den Schuldner Leo Brummer. Gemäß § 59 des Devisen-Gesetzes vom 12. Dezember 1938 wurden all diese Werte "sichergestellt". Binnen drei Tagen mussten sie nachweislich auf ein gesondertes Depot bei der Vereinsbank übertragen werden. Zum Lebensunterhalt der Familie sollten die Erträge der gesperrten Vermögenswerte genügen.

Gemäß der vom Reichswirtschaftsministerium erlassenen Verordnung vom 6. Februar 1939 über den Einsatz jüdischen Vermögens, so erfuhr Bundheim, sei bei der staatlichen Verwaltung ein Antrag auf Verkauf des "im Besitz des Juden Max Israel Bundheim befindlichen Grundstücks Hansastraße 57" eingegangen. Vom 17. Juni 1939 datierte der Verkauf des Hauses Hansastraße 57 an Dr. med. Albert Sophus Henneberg, getätigt durch seinen Neffen Albert Adolph Hermann Otto Henneberg, einen nationalsozialistisch eingestellten praktischen Arzt. Der Kaufbetrag von 46.767,03 RM wurde vom Makler direkt auf Max Bundheims Sperrkonto bei der Vereinsbank eingezahlt. Der neue Eigentümer wohnte nicht im Haus, sondern in der Ostmarkstraße 48. Da aber für Bundheim durch den Immobilienverkauf keine Mieten mehr eingingen, verringerten sich dessen Kapitelerträge entsprechend und reichten mit nurmehr 200 RM nicht für den Lebensbedarf der Familie. Auf Bundheims Vorstellung, er benötige monatlich 700 RM, wurde ihm gestattet, pro Monat 500 RM vom Konto der "Sicherungsverwahrung" abzuheben. Kostenbeträge für alles Übrige, von der Klempnerrechnung bis zur Ausstattung für die Auswanderung seines Stiefsohnes Schlomo Schwarzschild musste Bundheim förmlich erbitten und genau belegen. Bezahlen durfte er solche Beträge nur durch direkte Überweisung.

Bundheim wohnte mit seiner Familie nun zur Miete im ersten Stock des Hauses in der Hansastraße 57. Solange er Eigentümer gewesen war, hatte es nicht sehr viele Mieterwechsel gegeben. Erst im Adressbuch von 1942, das offensichtlich die Verhältnisse vom Vorjahr festhielt, wurden nun acht jüdische Mieter aufgeführt, kenntlich an den Vornamen "Israel" und "Sara". Davon hatten nur zwei schon im Vorjahr unter dieser Adresse gelebt, außer Bundheim waren es "S. Israel Wolff" und "Prof. F. Israel Adler". Im Adressbuch des nächsten Jahres (1943) waren alle acht Namen verschwunden. Das Haus wurde also kurzzeitig als "Judenhaus" genutzt. Allen anderen Hausbewohnern dürfte dieser Wechsel von plötzlicher Fülle und anschließender Leere nicht entgangen sein.

Max Bundheim wartete vergeblich auf eine Ausreisemöglichkeit. Seit dem offiziellen Verbot im Oktober 1941 bestand keinerlei Hoffnung mehr auf Emigration. Am 15. November 1941 leitete die Oberfinanzbehörde ein Verteilungsverfahren ein für das Grundstück Leo Brummer, "der zur Zeit in Litzmannstadt weilt". Das war jedoch nur noch ein Schattenspiel, denn ebenso wie Leo Brummer war auch Max Bundheim inzwischen "evakuiert". Das Vermögen der Deportierten wurde weiter akribisch verwaltet. Die Vereinsbank bestätigte, dass "Max Israel Bundheim" am 4. November 1941 seiner Mutter "Frau Gela Sara Bundheim" RM 4500 Obligationen geschenkt habe. Da keine Genehmigung eingeholt worden sei und die Übertragung folglich "ein Unrecht" darstelle, wurde die Übertragung an die 76-jährige, völlig mittellose Witwe Bundheim nur "ausnahmsweise gestattet". Max Bundheim konnte sich zu Verfügungen über seine Hinterlassenschaft nicht mehr äußern. Die Vermögensverwertungsstelle beschloss ihre Aktionen mit der lapidaren Feststellung: "Max und Kela Bundheim wurden im November 1941 unter Einziehung ihres Vermögens evakuiert."

Max, Kela und Tochter Paula Bundheim bekamen die Order, sich am 8. November 1941 zur "Aussiedlung" bereitzuhalten. Der Transport mit 965 Personen hatte Minsk zum Ziel. Was die drei Menschen dort antrafen, können wir uns nur nach allgemeinen Berichten vorstellen. In dem neu eingerichteten Getto Minsk waren zuvor 12.000 jüdische Bewohner getötet worden, um den "reichsdeutschen" Juden Platz zu machen. Die Hamburger Deportierten wurden zusammen mit Frankfurtern im "Roten Haus" einquartiert. Dort installierten sie eine Notküche, die für alle Gettobewohner lebenswichtig wurde. Ein Teil der Juden wurde zu Arbeiten bei der Wehrmacht, in Werkstätten oder bei Privatfirmen eingesetzt. Über Einzelschicksale ist wenig bekannt. Wer die unmenschlichen Strapazen überlebt hatte, wurde in einem Massaker am 8. März 1943 erschossen oder in Gaswagen erstickt.

Großmutter Caroline Gela Bundheim wohnte zuletzt bei einem Verwandten in Blankenese. Am 19. Juli 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 2. Oktober 1942 starb. Ihr Name ist auf einem Holzstab des Erinnerungsmals im Grotiusweg 36 eingeschrieben.

Der erste Ehemann von Kela Bundheim, Ignaz Schwarzschild, wurde zusammen mit seiner zweiten Ehefrau Betty, den 1938 und 1939 geborenen Kindern und dem Sohn Leopold aus erster Ehe am 6. Dezember 1941 zum Jungfernhof bei Riga deportiert und dort ermordet.

Schlomo Schwarzschild überlebte in Palästina/Israel. Er hielt Verbindung zu noch lebenden Verwandten. Mehrmals besuchte er Hamburg und berichtete von den Schicksalen der Familien. Hilde, Max Bundheims Tochter aus erster Ehe, stand ebenfalls in ständigem Kontakt mit den überlebenden Verwandten. Sie hinterlegte das Gedenkblatt in Yad Vashem für ihren Vater und half ihrem Vetter Joseph Ben Brith (Bundheim) bei seinen Familien-Recherchen.

Stand: September 2016
© Inge Grolle

Quellen: 1; 2; 3; 4; 8; StaH 314-15 OFD Oberfinanzpräsident R1939/62; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 1116, 141029; Grundbuch Harvestehude Bd 66 Bl. 157; Meyer (Hrsg.), Verfolgung, S. 62–64; Guth, Erinnerungsbuch, S. 40ff.; Joseph Ben Brith, Die Odyssee der Henrique-Familie. In: Kieler Werkstücke Reihe A Nr. 26. 2001; Nathan Ben-Brith: Mein Gedächtnis nimmt es so wahr, Erinnerungen an den Holocaust; Göttingen 2015; WdE/FZH, Sybille Baumbach und Susanne Lohmeyer: Interviews (Audio und Video) mit Schlomo Schwarzschild 10.11.1988. www.stolpersteine-hamburg.de: Kela Schwarzschild (geb. Bamberger) geb. 1900; (eingesehen 6.6.2014).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen."

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