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Georg Schumacher * 1882

Grindelallee 146 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Riga

Weitere Stolpersteine in Grindelallee 146:
Markus Adler, Ida Adler, Lotti Adler, Erika Adler, Hermann Adler

Georg Schumacher, geb. am 6.5.1882 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga, dort ermordet

Grindelallee 146

Georg Schumacher war ein Sohn des jüdischen Ehepaares Salomon Schumacher (1838–1926) und Henriette, geborene Laski (1853–1935). Er hatte einen Bruder, Max, der Arzt wurde. Dieser arbeitete einige Jahre an einem St. Petersburger Krankenhaus und kehrte nach der Oktoberrevolution 1917 nach Hamburg zurück.

1892 gründete Salomon Schumacher in der Mathildenstraße 4 in St. Pauli eine Zigarettenfabrik, die er zunächst allein führte. Etwa 1905 trat Georg in das Unternehmen ein, und der Vater zog sich aus dem Geschäft zurück. Aber bereits 1907, als die Konjunktur kurzzeitig abflaute, geriet das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten und wurde liquidiert.

Georg Schumacher ging für einige Jahre nach Kairo/Ägypten. Nach seiner Rückkehr heiratete er in Hamburg am 25. Juli 1913 die nichtjüdische Marie Amalie Caroline Müller (1888–1962). Das Ehepaar hatte zwei Töchter, Gerda (geboren 1916) und Annemarie (geboren 1917) und wohnte in der Friedensallee 71 in Altona.

Georg Schumacher war ein eher stiller Mensch, seine Frau Marie hingegen eine sehr agile Persönlichkeit, die immer wieder nach neuen Möglichkeiten suchte, die wirtschaftliche Lage der Familie zu verbessern. So baute sie zunächst nach der Heirat in Heimarbeit als Grossistin ein kleines Geschäft mit dem Kundenstamm der früheren Firma Schumacher auf. Georg Schumacher war zu der Zeit als Prokurist für die Zigarettenfabrik L. Serdaropulos & Co. tätig. Er verlor seine Arbeitsstelle, als Lissandros Panayoti Serdaropulos, der Chef des Unternehmens, im März 1916 starb, und auch Marie Schumacher musste ihre kleine Firma wegen der infolge des Ersten Weltkrieges sehr schwierigen Wirtschaftslage aufgeben.

Ende 1917 versuchte das Ehepaar Schumacher, die Zigarettenproduktion wieder aufzunehmen, zunächst in Heimarbeit mit einer kleinen handbetriebenen Tabakschneidemaschine im eigenen Keller in der Friedensallee 48 in Altona. Trotz der krisenhaften Zeiten gelang es Frau Schumacher, wichtige Geschäftsverbindungen anzuknüpfen, sodass sich das kleine Unternehmen gut entwickelte und sie Arbeitskräfte einstellen konnten. Im April 1920 zog der Betrieb in die Behnstraße 8, aber auch diese Räumlichkeiten reichten bald nicht mehr aus. 1921 verlegten sie die Fabrikation in die Holstentwiete 48/50 und die Firma bekam den Namen "Gerdami". 1923 übersiedelte sie in ein eigenes Fabrikgebäude in der Großen Freiheit 79/83. Nach Auffassung von Marie Schumacher war ihr Unternehmen Anfang 1924 ähnlich erfolgreich wie der Konkurrent Reemtsma; eine starke Übertreibung, denn für Reemtsma arbeiteten damals mehr als 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, während sie und ihr Mann nicht einmal 200 Arbeiter und Arbeiterinnen sowie 25 Personen in der Verwaltung beschäftigten. Dabei lag die Verantwortung vor allem bei Marie. Nur zeitweise erhielt sie Unterstützung durch ihren Schwager Max Schumacher, der aber als Mediziner über keine wesentlichen Erfahrungen in der Tabakbranche verfügte.

Zu diesem Zeitpunkt gab es aufgrund der unterschiedlichen Temperamente Schwierigkeiten in der Ehe von Marie und Georg Schumacher. Sie lebten, wenigstens zeitweise, "von Tisch und Bett getrennt", ließen sich jedoch wegen der Töchter nicht scheiden. Georg Schumacher betätigte sich kaum im Unternehmen. Er war häufig krank und verbrachte viel Zeit auf Reisen. Darüber hinaus ließ er sich zu Spekulationen mit Geschäftsgeldern verleiten, die schiefgingen. Darauf reagierte er mit einem Zusammenbruch, der ihn längere Zeit bettlägerig machte, und es blieb Marie Schumacher überlassen, "die Karre aus dem Dreck zu ziehen", wie sie selbst es formulierte.

Ab 1926 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Firma jedoch deutlich, und nun ließ sich Marie Schumacher auf kriminelle Geschäfte ein, in die auch ein Zollbeamter namens Tank verwickelt war. Als die Machenschaften aufflogen, kam sie zeitweise in Untersuchungshaft und die "Gerdami" wurde 1927 stillgelegt. Es dauerte allerdings mehrere Jahre, bis das Verfahren abgeschlossen war. Zunächst wurde Marie Schumacher im Oktober 1931 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, unter anderem wegen "wiederholter Bestechung in Tateinheit mit Anstiftung zur Unterschlagung, wegen wiederholter Hehlerei in Tateinheit mit unbefugter Beschaffung von Steuerzeichen und wegen gewinnsüchtiger Fälschung öffentlicher Urkunden". 1932 und 1933 wurden noch weitere Vorgänge separat verhandelt und wegen Bestechung und wiederholter Bestechung Strafen in Höhe von vier und drei Monaten verhängt.

Georg Schumacher hatte zu der Zeit keinen steten Lebenswandel. Er wechselte häufig die Wohnung und verfügte nur noch über unregelmäßige Einkünfte. Nominell war er allerdings noch immer Besitzer einer Zigarettenfabrik. Offenbar gab es neben der "Gerdami" noch mindestens ein weiteres Unternehmen, über das wir jedoch nichts wissen.

Bis 1933 verschlechterte sich die Lage immer mehr. Nun wurde offenbar wieder Marie Schumacher aktiv. Sie sorgte dafür, dass das Unternehmen an einen nichtjüdischen Mitarbeiter übertragen wurde, den Werkmeister Friedrich Dismer. Die Tochter Annemarie wurde stille Teilhaberin. Bis Juli 1938 bestand die Firma noch in der Meissnerstraße 18. Dann wurde sie doch stillgelegt, denn "diese Umstellung des Betriebes auf Herrn Dismer und Fr. Schumacher verehel. Poelmann wurde lt. Schreiben der Umsatzgemeinschaft der Zigaretten-Industrie Berlin nicht anerkannt".

Am 1. Februar 1939 ließ sich Marie Schumacher von ihrem Mann scheiden. Wie sie nach dem Krieg geltend machte, handelte es sich um eine erzwungene Scheidung und so konnte sie Witwenrente beziehen.

Georg Schumacher, der kurzzeitig noch inoffiziell für einen Wirtschaftsprüfer gearbeitet hatte, war ab April 1938 erwerbslos. Er wurde aber auch nach der Scheidung von Marie unterstützt und hielt sich wohl immer noch häufig bei seiner Familie auf. Erneut zog er mehrfach um, bis er als Untermieter in der Grindelallee 146 unterkam.

Von dort wurde Georg Schumacher am 6. Dezember 1941 nach Riga-Jungfernhof deportiert und dort ermordet.

Stand: Juli 2017
© Petra Schmolinske

Quellen: 1; 3; 4; 5; Hamburger Adressbücher; StaH 213–11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, A07102/32, A 7102; StaH 332–4 Aufsicht über die Standesämter, 672; StaH 332– 5 Standesämter, 2028–2234/1882, 3229–369/1913, 9821–2134/1926; StaH 335–11 Amt für Wiedergutmachung, 5528, 5529, 5530, 11032; StaH 424–111 Amtsgericht Altona, Dc2050.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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