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Selma Pincus * 1892

Grindelallee 138 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Lodz
1942 weiterdeportiert

Weitere Stolpersteine in Grindelallee 138:
Hugo Frank, Bertha Hauptmann, Ernst Hauptmann, Edgar Rosenbaum, Rieckchen Weil

Selma Pincus, geb. am 31.12.1892 in Mölln, deportiert am 25. Oktober 1941 in das Getto Litzmannstadt (Lodz)
Rieckchen Weil, geb. Pincus, geb. am 18.12.1885 in Mölln, deportiert am 25. Oktober 1941 in das Getto Litzmannstadt (Lodz)

Grindelallee 138

Über Rieckchen Weil und ihre Schwester Selma Pincus wissen wir wenig. Ihr Leben hat in den Archiven nur geringe Spuren hinterlassen, lediglich in der Kultussteuerkartei der Jüdischen Gemeinde und in den Deportationslisten. Nur aus der Biografie ihres Bruders Martin Pincus (s. www.stolpersteine-hamburg.de) erfahren wir einiges über die Familie und damit auch über Rieckchen und Selma. Die Wohnung der Eltern Pincus war der Mittelpunkt der Familie. Die Kinder kamen in Krisensituationen immer dorthin zurück.

Familie Pincus lebte in Mölln. Rieckchens und Selmas Vater war Aron Marcus Pincus, (geboren 23. November 1839 in Moisling bei Lübeck), ihre Mutter Frieda, geborene Horwitz (geboren 3. April 1862 in Neustadt/Holstein). Beide hatten um 1883/1884 geheiratet und lebten bis 1896 in Mölln. Dort wurden ihre vier Kinder geboren: Rieckchen, Ella (7. Januar 1887), Martin (10. Februar 1889) und als letzte Selma. Aron Pincus war Jude und als Kaufmann gemeldet. Im Juli 1896 zog die Familie nach Lübeck, wo Aron Pincus schon 1869 die Staatsangehörigkeit erworben hatte. Er wurde im Register der dortigen Israelitischen Gemeinde geführt. Aron Pincus war als Zwischenhändler Agent und Makler. Er verdiente sein Geld mit dem Weiterverkauf größerer Warenposten. Frieda Pincus’ verwitwete Mutter, Henriette Horwitz, geborene Wolfsberg, (geboren 17. September 1826 in Neustadt/Holstein) zog zu ihrer Tochter nach Lübeck und starb dort im Juli 1899.

Der Umzug der Familie Pincus nach Hamburg erfolgte in Etappen. Tochter Ella Pincus lebte dort seit 1901. Sie war Putzmacherin und stellte Schmuck für Damenhüte her. Sie wohnte bei ihrem Onkel Hermann Horwitz (1867–1944), der in der Bornstraße 14 (Rotherbaum) eine Schlachterei und Wurstmacherei betrieb. Als die Eltern mit Selma 1904 in Hamburg eintrafen, zog sie zu ihnen.

1904 siedelte Aron Pincus mit seiner Ehefrau Frieda und der 12-jährigen Tochter Selma nach Hamburg in die Straße Kleiner Kielort 11 in Eimsbüttel über, später nur wenige Häuser weiter in die Kielortallee 1. Ob Aron mit seinen 65 Jahren noch berufstätig war, ist nicht bekannt. Aus der Kultussteuerkartei geht hervor, dass seine Tochter Rieckchen ihn in Hamburg finanziell unterstützte.

Rieckchen Pincus war bereits drei Monate vor ihren Eltern nach Hamburg gezogen und wohnte vorübergehend bei Verwandten der Wolfsberg-Familie in der Dillstraße 16 zur Untermiete. Ihre Großmutter mütterlicherseits war eine geborene Wolfsberg. Rieckchen arbeitete als Kontoristin. Um 1920 war sie beim Bankgeschäft Lisser & Rosenkranz am Neuen Wall 10 beschäftigt. Auch sie zog 1904 wieder zu den Eltern.

1908 wechselte Familie Pincus in die Rutschbahn 29 im Stadtteil Rotherbaum, wo Aron Pincus am 1. Januar 1915 im Alter von 75 Jahren starb. Seine Witwe Frieda blieb dort mit den Kindern bis 1935 wohnen.

Martin Pincus hatte Lübeck schon am 18. Dezember 1903 verlassen, um in Frankfurt am Main eine Lehre als Tapezierer anzutreten. 1914 kam er nach Hamburg und zog in die elterliche Wohnung in der Rutschbahn 29. Gemeldet war er als "Kommis" (kaufmännischer Angestellter). 1920 gründete Martin mit Iwan Valk, geboren am 8. Oktober 1878 in Lübeck, das Schreibwarengeschäft Pincus & Valk engros & endetail. Im September desselben Jahres heiratete Iwan Valk Ella Pincus. Beide mieteten eine eigene Wohnung in der Rutschbahn 29. Im selben Haus hatte Martin mittlerweile im Erdgeschoss ebenfalls eine eigene Wohnung gefunden; im Hochparterre lebte die Mutter Frieda Pincus mit den Schwestern Rieckchen und Selma.

Um 1923 heiratete Rieckchen Pincus den jüdischen Kaufmann Ludwig Weil, geboren am 29. April 1879 in Merzig/Saar. Sie bezogen eine eigene Wohnung. Ab 1924 wohnte das Ehepaar Valk in der Mansteinstraße 3 in Hoheluft. 1935 heiratete der 46-jährige Martin Pincus Käthe Josias, geboren am 8. Januar 1899 in Hamburg. Beide hatten bereits zusammen in Martins Wohnung an der Rutschbahn gelebt, verließen diese nun aber. In den folgenden Jahren wohnten sie nur noch zur Untermiete.

Im April/Mai 1935 siedelten Frieda Pincus und ihre Töchter Selma Pincus und Rieckchen Weil in die Grindelallee 138, II. Stock, über, wo Frieda Pincus im Februar 1941 eines natürlichen Todes starb. Selma Pincus arbeitete in den 1930er-Jahren als Händlerin bei Leon Levy. Ihr Verdienst kann nicht sehr hoch gewesen sein, da sie von 1931 bis 1941 keine Kultussteuer bezahlen musste.

Zum Zeitpunkt des Todes von Frieda Pincus wohnte auch ihre Tochter Ella wieder bei der Mutter. Ihr Mann Iwan Valk war bereits im Juli 1937 emigriert. Ella folgte ihrem Mann im September 1941 in das bereits besetzte Amsterdam. Beide wurden im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Nur ihrem gemeinsamen Sohn Alfred Valk, geboren 13. Juni 1921 in Hamburg, gelang 1937 die Flucht nach New York, wo seit 1934 auch Iwan Valks Sohn aus erster Ehe lebte.

Auch Rieckchen Weil, geborene Pincus, zog in jenen Jahren wieder zu ihrer Mutter und der Schwester Selma – nachdem ihr Mann Ludwig Weil gestorben war. Wann das geschah und wann Ludwig Weil starb, war nicht zu ermitteln. Ab 1934 wurde Rieckchen in der Kultussteuerkartei als Witwe geführt mit dem Wohnort Rutschbahn 29, später Grindelallee 138. Ihre regelmäßige Veranlagung zur Steuer an die jüdische Gemeinde begann aber erst im Januar 1936. Sie arbeitete als Buchhalterin bei der Firma S. Magnus, Kohlenhandel, in der Rutschbahn 11.

Nach dem Tod ihrer Mutter Frieda im Februar 1941 wurden Rieckchen und Selma Pincus von Hamburg aus am 25. Oktober 1941 mit dem Zug nach Litzmannstadt/Lodz deportiert. Sie kehrten nicht zurück.

Mit demselben Transport wurden Martin und Käthe deportiert. Sie starben im Getto Lodz am 1. Juni bzw. am 13. August 1942.

Stand: Juli 2017
© Peter Steckhan

Quellen: 1; 4; 5; StaH 522-11 Jüdische Gemeinden 992 e 2 Bd. 1, Liste 2; Björn Eggert, Biografie Martin Pincus, s. www.stolpersteine-hamburg.de.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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