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Die Geschwister Lotti und Erwin Cohn (1936/37). Das Mädchen in der Mitte ist unbekannt.
© Privatbesitz

Max Cohn * 1891

Isestraße 85 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1941 Lodz
1942 ermordet in Chelmno

Weitere Stolpersteine in Isestraße 85:
Erna Baruch, Walter Baruch, Gretchen Cohn, Erwin Cohn, Senta Lissauer, Ruth Lissauer, Wolfgang Lissauer, Cerline Elise Nathan

Gretchen Cohn, geb. Magnus, geb. am 5.7.1897 in Hamburg, am 25.10.1941 deportiert nach Lodz
Max Cohn, geb. 14.2.1891 in Hamburg, am 25.10.1941 deportiert nach Lodz
Erwin Julius Cohn, geb. 9.6.1923 in Hamburg, am 25.8.1941 im KZ Mauthausen ums Leben gekommen

Familie Cohn lebte schon vor 1933 in der Isestraße. Max Cohn hatte nach dem Besuch der Oberrealschule vor dem Holstentor eine kaufmännische Ausbildung gemacht. Mit seiner ersten Frau, Selma, geb. Sonn, hatte er eine Tochter, Erika Lotte, geboren 1922, und einen Sohn, Erwin Julius, geboren 1923. Seine Frau starb im Februar 1927, und gut ein Jahr später heiratete er Gretchen Magnus. Die zweite Ehe blieb kinderlos.

Max Cohn arbeitete als Buchhalter bei verschiedenen Firmen, die mit Tankanlagen zu tun hat­ten. Bis 1934 stand er in einem festen Arbeitsverhältnis. Dann scheint er seine Arbeit verloren zu haben, denn er konnte, wie die Abrechnung der Rentenversicherung ausweist, die Familie zeitweise nur noch mit einem sehr geringen Einkommen aus einer eingeschränkten Beschäftigung ernähren.

1936 fand Max Cohn jedoch wieder eine feste Anstellung in seinem Beruf, wie schon früher im Bereich der Rohölindustrie, diesmal bei der Firma Hazan, Danon GmbH. Er war dort von Januar 1936 bis September 1941 beschäftigt. Das bestätigte die Firma, die nach dem Zweiten Weltkrieg weiter bestand, 1958 für das "Wiedergutmachungsverfahren".

Den Sohn Erwin schickten die Eltern im Februar 1938 nach Amsterdam. Seine Cousine berichtet im Jahr 2010: "Erwin kam zu seiner Tante, der Schwester seines Vaters, nach Amsterdam. Minna Spijer geb. Cohn wohnte schon seit vor dem 1. Weltkrieg dort, war mit einem Holländer verheiratet und hatte einen Sohn, etwa ein Jahr älter als Erwin. Dieser Vetter, der jetzt in Australien lebt, hat uns in diesem Jahr besucht und uns etwas über seinen Cousin er­zählt. Er war wohl ein neugieriger, ungestümer und vielleicht auch eigenwilliger Junge, der die Warnungen der Tante und des älteren Vetters, nach dem Einmarsch der Deutschen in Holland nicht mehr allein und ungeschützt aus dem Haus zu gehen, nicht ernst nahm und die Verbote nicht befolgte. So kam es, dass er 1941 bei einem solchen unerlaubten ‚Ausgang‘ einfach auf offener Straße gefasst und deportiert wurde. ‚Auf der Flucht erschossen‘, wurde den Verwandten aus dem KZ Mauthausen mitgeteilt. Er war 18 Jahre alt."

Im August 1938 hatte Max Cohn auf Grund einer "Unbedenklichkeitsbescheinigung" des Oberfinanzpräsidenten die Genehmigung für eine Reise nach Holland erhalten. Er hatte seinen Antrag damit begründet, dass er beabsichtigte, die weitere Auswanderung seines Sohnes zu verhindern. Vermutlich wollte er einfach die Familie besuchen und sehen, wie es seinem Sohn ging. Ob er tatsächlich reiste, ist unbekannt. Jedenfalls kehrte Erwin, wie wir gesehen haben, nicht nach Deutschland zurück, sondern lebte noch drei Jahre in Amsterdam. Sein Todesdatum ist der 25. August 1941. Wir wissen nicht, ob Erwins Eltern noch vor ihrer Deportation nach Lodz von seinem Schicksal erfuhren.

Max Cohn wurde während der Verhaftungsaktion im November 1938 ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht, wo er die Häftlingsnummer 8421 erhielt und im Block 19 gefangen gehalten wurde. Wahrscheinlich im Dezember 1938 wurde er entlassen. Bevor er von Berlin aus nach Hamburg reiste, machte er einen kurzen Besuch bei seinem Bruder Alfred, der die Schoah in Berlin überlebte, weil er durch eine "privilegierte Mischehe" geschützt war.

Seine Tochter, damals sechs Jahre alt, erinnert sich: "Es ist dieses Bild, das sich mir aufdrängt, wenn ich an ihn denke. Er steht mit erschrecktem Gesicht und weit aufgerissenen Augen in unserer Küche. Er spricht gehetzt. Er dürfe nichts sagen, er müsse schnell weiter. Das Wort ,Oranienburg’ fällt. Ich sehe mich voller Erstaunen neben meinen Eltern stehen. Was haben sie gesagt? Ich weiß es nicht. Der Onkel verschwand. Es wurde nicht mehr darüber gesprochen, ich fühlte wohl, dass ich auch nicht fragen durfte.
Erst Jahre später wurde mir klar, dass er wahrscheinlich nach dem 9. November 38, der ‚Reichskristallnacht‘ ins KZ Sachsenhausen bei Oranienburg gebracht worden und offenbar aus irgendeinem Grund wieder entlassen wor­den war. Was er erlebt hatte, stand in seinem Gesicht – es war für das Kind nur schemenhaft zu deuten. Ob die Eltern mehr wussten?"

In Hamburg konnte Max Cohn, obwohl durch die Haft gewiss geschwächt und traumatisiert, seine Arbeit in der alten Firma wieder aufnehmen.

Spätestens jetzt fasste die Familie wahr­scheinlich den Entschluss, die Tochter in Sicherheit zu bringen. Sie kam am 14. Juni 1939 mit einem Kindertransport nach England, heiratete im Jahre 1946 und lebt heute in London.

Ihre Cousine beschreibt den Abschiedsbesuch in Hamburg. "In Hamburg auf dem Hauptbahnhof erwartete uns Onkel Max, der Bruder meines Vaters, dem und dessen Familie unser Besuch galt. Wir fuhren mit der Hochbahn in die Isesetraße, wo uns Tante Grete und Lotti, meine Cousine, erwarteten.

Es wurde viel geredet, die Erwachsenen hatten offenbar sehr wichtige Dinge zu besprechen, die ich nicht verstand. Wohl spürte ich aber den Ernst und die Besorgnis, die von ihnen ausging und fürchtete mich. Lotti war etwa 16 Jahre alt, und es ging um eine weite Reise, die sie antreten sollte. Warum eine solche Reise, die doch eigentlich etwas Schönes, Erfreuliches, Aufregendes ist, soviel Angst auslöste, begriff ich erst viele Jahre später, als ich von den Kindertransporten nach England erfuhr. Lotti war für einen solchen Transport vorgesehen. Dass er eine letzte Möglichkeit war, ihr Leben in Sicherheit zu bringen und gleichzeitig unter Umständen eine endgültige Trennung von den Eltern bedeuten konnte, machte die Stimmung so ernst und belastet. Tatsächlich sah Lotti, nachdem sie im Juni 1939 nach London gefahren war, ihre Eltern nicht wieder."

Die Eltern konnten noch eine Zeitlang mit ihrer Tochter korrespondieren. Eine frühere – jüdische – Kollegin des Vaters, die nach Portugal emigriert war, leitete die Post aus Hamburg mit neuer Couvertierung und Adresse nach London weiter, und auch umgekehrt.

Am 25. Oktober 1941 wurden Max und Gretchen Cohn nach Lodz deportiert.
Ihre Wohnungseinrichtung und der gesamte persönliche Besitz in der Isestraße 85 wurden von der Gestapo beschlagnahmt und versteigert, der Erlös an die Oberfinanzdirektion überwiesen.

In Lodz wurden Max und Gretchen Cohn in der Kühlen Gasse 14/38 einquartiert. Alfred Cohn erhielt noch bis 1942 Nachrichten von seinem Bruder und seiner Schwägerin und konnte ihnen Geld schicken. Danach verliert sich ihre Spur. Wahrscheinlich wurden Max und Gretchen Cohn im Mai 1942 in Chelmno ermordet.

© Christa Fladhammer

Quellen: 1; 2; AfW 260222; mündliche Auskunft von Annelie Cohn, Tochter von Alfred Cohn, am 16.4.2010 und Auszüge aus ihren privaten Aufzeichnungen.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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