Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Victor Cohn
© Yad Vashem

Victor Cohn * 1888

Brahmsallee 8 (Eimsbüttel, Harvestehude)

Auschwitz
ermordet

Weitere Stolpersteine in Brahmsallee 8:
Johanna Bernstein, Thekla Cohn, Else Levy, Louis Nathan Levy, Dr. Joseph Norden, Anna Rothenberg

Victor Cohn, geb. am 1.4.1888 in Görlitz, Emigration nach Italien, Albanien und Frankreich, deportiert ab Drancy/Frankreich am 9.9.1942 nach Auschwitz
Thekla Cohn, geb. Simson, geb. am 14.1.1896 in Danzig, Emigration nach Italien, Albanien und Frankreich, deportiert ab Drancy/Frankreich am 9.9.1942 nach Auschwitz

Brahmsallee 8

Victor Cohn, geb. 1.4.1888 in Görlitz, kam als Sohn des Kaufmanns Bernhard (geb. 1862 in Wollstein/Posen) und Helene (Lene) Cohn, geb. Reich (geb. 1865 in Ostrowo/Posen) zur Welt. Sechs Monate nach seiner Geburt siedelte die Familie nach Dresden über. Dort wurden Victors Geschwister David Max (geb. 28.7.1889), Erich Samuel (geb. 8.1.1892) und Therese Ella (geb. 10.10.1890) geboren. Bernhard Cohn hatte Anfang 1889 den Versand und Lagerverkauf "Zur Goldenen Vier" eröffnet, der Artikel des Haushaltsbedarfs im Einzel- und Großhandel anbot. Helene Cohn führte einen privaten Mittagstisch. Die Dresdener Adressbüchern nennen das Geschäft von Bernhard Cohn letztmalig im Jahr 1890, Helene Cohns Mittagstisch findet sich nach 1909 nicht mehr in den Adressbüchern. Weitere Blicke auf das Leben der Familie in Dresden sind nicht mehr möglich, da die dortigen Melderegister durch die Luftangriffe im Jahr 1945 zerstört wurden. So wissen wir auch nichts über Victor Cohns schulischen und beruflichen Werdegang.

Er lebte mit seiner Ehefrau Thekla, geb. Simson, geb. am 14.1.1896 in Danzig, von deren Vorgeschichte uns ebenfalls nichts bekannt ist, etwa elf Jahre lang in Hamburg.

Hier wurde Victor Cohn erstmals 1921 im Adressbuch unter der Firmenadresse "Victor Cohn, Bernsteinwaren, Graskeller 8 (Nähe Rödingsmarkt)" verzeichnet, ab 1922 auch mit der Wohnung Brahmsallee 8, 4. Stock. Zudem gehörte ihm die Firma Max Simson & Co, Handel mit Bernsteinwaren, mit. Sein Partner und vermutlich auch Schwiegervater war Max Simson, Kaufmann und Fabrikant in Danzig. Die Hamburger Niederlassung wurde nach Auskunft des Handelsregisters in Hamburg am 29. September 1922 gegründet, aber bereits am 31. März 1924 aufgelöst und erlosch zum 17. Mai 1926. Im Hamburger Adressbuch existierte dann bis zum Jahr 1929 ein Eintrag für Victor Cohn als "Generalvertreter" mit Büro im Graskeller 8.

Zwei Kinder kamen zur Welt, als die Familie in der Brahmsallee 8 lebte: Marion Eliza Helene am 7.12.1922 und Edgar Herbert am 7.4.1925. Die Familie zog spätestens in der zweiten Jahreshälfte 1928 in die Oberaltenallee 72 und, nach kurzem Aufenthalt dort, in den Krohnskamp 78 in Winterhude. Am 24. Oktober 1931 wechselte sie nach Berlin-Köpenick, wie die Hamburger Jüdische Gemeinde 1936 notierte, der sie bis dahin angehört hatte. In Berlin lebte sie 1933 in der Genovevastraße 6 im Stadtteil Köpenick.

Über das weitere Schicksal berichtet die Tochter Marion Eliza Helene, die überlebt hatte, im Jahr 1950. Mittlerweile Mrs. Barclay, wohnhaft in Newcastle upon Tyne in England, schrieb sie dem Internationalen Suchdienst (ITS) in Bad Arolsen, dass die Familie im Juni oder Juli 1933 von Berlin nach Como in Italien ausgewanderte. Trotz der faschistischen Herrschaft Mussolinis war das Land für viele deutsche Jüdinnen und Juden ein gefragtes Ziel, denn es konnte ohne Visum erreicht werden und bot Arbeitsmöglichkeiten. Bis zum Jahr 1938 erfuhren jüdische Einwanderer keine Benachteiligung. Trotzdem zog die Familie später, wie die Tochter schrieb, nach Albanien. Albanien war ein Königreich, stand aber durch geheime Militärabkommen unter politischem Einfluss Italiens.

1938 trennte sich die Familie. Die Eltern schickten Edgar Herbert in die Schweiz, Marion Eliza Helene nach England.

Der Weg Viktor und Thekla Cohns führte Anfang 1939 nach Paris, wo sie nach der teilweisen Besetzung Frankreichs durch die deutschen Truppen im Mai 1940 interniert wurden. Nach ihrer Entlassung und vor der Einnahme von Paris am 14. Juni 1940 durch die deutsche Wehrmacht verließen sie die Stadt und begaben sich in das unbesetzte Südfrankreich, das ab Juli 1940 dem Vichy-Regime unterstand. Dort lebten sie in Agen, einer Kleinstadt in der Region Aquitanien/Département Lot et Garonne, und in der kleinen Gemeinde Bon-Encontre, ebenfalls im Département Lot et Garonne.

Dort wurden Thekla und Viktor Cohn verhaftet und in das Camp de Casseneuil überstellt. Eine weitere Station vor ihrer Deportation war das Sammellager Drancy. Ihr letztes Lebenszeichen, einen Brief vom August 1942, erhielt die Tochter noch. Sie schrieben, sie würden wohl in den nächsten Tagen "nach Polen" deportiert werden. Die Deportation führte sie am 9. September 1942 direkt nach Auschwitz, wo sie nach ihrer Ankunft am 11. September 1942 vermutlich sofort ermordet wurden.

Marion Eliza Helene Cohn hinterlegte bereits im Mai 1948 ein Gedenkblatt, eine "Page of Testimony", für ihre Eltern in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Vielleicht hoffte sie, dadurch Hinweise auf deren Verbleib zu bekommen.

In Hamburg erinnert ein Stolperstein vor dem Haus Brahmsallee 8 bisher nur an Viktor Cohn.

Stand: September 2016
© Christina Igla

Quellen: 1; 5; 8; StaH: 231-7 Amtsgericht Hamburg, Handels-u. Genossenschaftsregister_A6 Band7; 376-2_Zentralgewerbekartei Spz VIII Cc1 (verfilmt 741-4_K3833); 552-1_ 992b Kultussteuerkartei derDeutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg Nr. 11412, 14056, 14777; 552-1_Mitgliedskarten Stand 10.10.1928_388c1 (Cohn, Victor); Standesamt Dresden: Geburtsurkunden Nr. 2127 v.1.8.1889 David Max, 241 Erich Samuel, v. 28.1.1892, 1765, Therese Ella v. 11.10.1890 unter: www.ancestry.de (Zugriff 27.3.2016), Auskunft von Peter Landé, USHMM Washington vom 7.7.2015; email v. 15.6.2015 Stadtarchiv Dresden; Schreiben Stadtarchiv Dresden v. 20.4.2016; email v. 17.6.2015 Ratsarchiv Görlitz; Schreiben Ratsarchiv Görlitz v. 5.4.2016; www. adressbuecher.sachsendigital.de (Dresdner Adressbuch-online- Zugriff 7.5.2016) www. agora.sub.uni-hamburg.de (Hamburger Adressbuch – online – von 1921–1930 Zugriff 20.4.2016), www.ajpn.org/arrestation-1-47001.html (Zugriff 8.5.2016), www. bdi.memorialdelashoah.org, Transportliste Camp de Casseneuil (Zugriff 26.2.2016), www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/kriegsverlauf/besatzungsregime-in-frankreich.html (Zugriff 9.5.2016); www.digital.zlb.de/Berliner Adressbuch – online – der Jahre 1931–1935 (Zugriff 27.2.2016); www.its-arolsen.org (Zugriff 8.5.2016); www.yadvashem.org Page of Testimony Thekla u. Victor Cohn (Zugriff 15.6.2015); Heimat Exil, Frankfurt a.M., S. 41, 48, 55.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang