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Heinz Colland * 1903

Wandsbeker Chaussee 270 / Ecke Menkesallee (Wandsbek, Eilbek)


HIER WOHNTE
HEINZ COLLAND
JG. 1903
DEPORTIERT 1941
MINSK
ERMORDET

Heinz Colland, geb. am 28.3.1903 in Aachen, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Wandsbeker Chaussee 270, Ecke Menkesallee (Wandsbeckerchaussee 258)

Am 17. April 1935 fand vor dem Hanseatischen Sondergericht die Hauptverhandlung gegen "Colland und Genossen" wegen illegaler Betätigung statt. Neben Heinz Colland standen der Elektriker S. und der Schriftsetzer W. vor Gericht. Sie waren angeklagt, in Hamburg im Jahr 1934 bis zum 17. August, dem Tag ihrer Festnahme, "der von der obersten Landesbehörde bzw. der die­ser nachgeordneten Behörde, nämlich der Polizeibehörde Hamburg, zur Durchführung der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28.2.1933 erlassenen Anordnung vom 24.6.1933, durch die der Freie Wirtschaftsbund e. V. (F.F.F., heute: Deutscher Freiwirtschaftsbund e. V.) mit allen Untergliederungen mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist, zuwidergehandelt zu haben".

Die Angeklagten hatten sich trotz Verbotes mit weiteren vier Personen in der "Rhetorischen Vereinigung" zu Geselligkeiten, Vorträgen und rhetorischen Übungen getroffen und sich durch das Tragen von Stecknadeln mit grünen Köpfen kenntlich gemacht. Organisatorischer Leiter der "Rhetorischen Vereinigung" war der Druckereibesitzer Heinz Colland, die übrigen Mitglieder waren der Schriftsetzer W., der Elektriker S., die Reinmachefrau B., der Fensterputzer H., die Haustochter P. und der Tapezierer S., von dem die grünen Stecknadeln stammten. Am Abend des 17. August 1934 sollte Herr H. in der Wohnung von Frau P. einen Vortrag über "Individualismus und Sozialismus" halten, er erschien aber nicht, weil er die Rede des Führers Adolf Hitler hören wollte. Colland, S. und W. gingen gemeinsam nach Hause. Sie fielen zwei SA-Männern auf, weil sie sich mehrfach nach ihnen umsahen. Diese beschuldigten sie, sozialdemokratische Handzettel geklebt zu haben und nahmen sie deswegen mit zur Wache. Dort wurden bei der Durchsuchung ihrer Aktentasche Schweizer Zeitungen gefunden und Einladungskarten zum Vortrag bei Frau P., aus denen die Verbindung zwischen der "Rhetorischen Vereinigung" und dem F.F.F. hervorging.

Obwohl in der Rhetorischen Vereinigung tatsächlich öffentliches Reden geübt wurde, geschah das an Inhalten, wie sie vom Freien Wirtschaftsbund vertreten wurden. Die drei Fs standen für Frei-Land, Frei-Geld, Fest-Währung, womit die Pfeiler für eine dem Kapitalismus entgegen gesetzte Wirtschaftsform gekennzeichnet wurden. Die Bewegung ging auf Silvio Gesells (1862–1930) Wirtschaftslehre zurück und hatte nach dem Ersten Weltkrieg mit dessen verheerenden wirtschaftlichen Folgen weite Verbreitung in Deutschland und in der Schweiz gefunden. Vor Gericht bezeichnete sich Heinz Colland als national gesonnen, er habe bei der NSDAP wirtschaftspolitische Ziele erkannt, wie sie die Freiwirtschaftler vertraten, und habe sich denen angeschlossen, da ihm als "Nichtarier" die Mitgliedschaft in der NSDAP verwehrt sei. Mit der Rednerschule habe er sich ein zusätzliches Einkommen schaffen wollen. Er gab unumwunden zu, dass er wegen der antisemitischen Maßnahmen des NS-Regimes antinationalsozialistisch eingestellt sei, jedoch keinerlei Aktivitäten zu dessen Umsturz plane oder unterstütze.

Allen sieben Angeklagten war Untersuchungshaftverschonung gewährt worden, da weder Flucht- noch Verdunkelungsgefahr bestand und es sich bei den Vergehen nicht um Hochverrat handelte. Auch das Gericht unterstellte Heinz Colland keine umstürzlerischen Absichten, sondern befand, "er stellt sich als einer von jenen nur Intellektuellen dar, die wegen ihrer jüdischen Abstammung nicht zur Volksgemeinschaft gehören, sich aber das Recht anmaßen, die Regierung zu kritisieren und gegen die Regierung zu arbeiten". Es verurteilte ihn zu einem Jahr Gefängnis. Die Angeklagte B. wurde frei gesprochen, weil sie glaubhaft machen konnte, dass es ihr lediglich darum ging, sich weiterzubilden. Den übrigen fünf Angeklagten wurde zur Last gelegt, dass sie in der "Rhetorischen Vereinigung" das Gedankengut des Freien Wirtschaftsbundes weiter pflegen wollten. Sie wurden mit Gefängnishaft von sechs Monaten bestraft.

Für Heinz Colland, der seine Druckerei als Ein-Mann-Betrieb führte, bedeutete das Urteil die Vernichtung seiner beruflichen Existenz. Um das zu vermeiden, beantragte er die Aussetzung der Strafe zur Bewährung, nicht zuletzt unter Hinweis auf die Notwendigkeit, Familiäres klären zu müssen. Offenbar gewann er Verwandte, ihm finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, denn als der Antrag abgelehnt wurde, ersuchte er, wie die Mitangeklagten H. und S., die Staatsanwaltschaft um die Umwandlung ihrer Haft- in Geldstrafen. Das Gesuch wurde jedoch ebenfalls abgelehnt. Wegen der Dauer der Haft musste Heinz Colland seinen Betrieb liquidieren, was einige Zeit in Anspruch nahm, zumal er keinen Käufer für die Schnellpresse fand. Sein damit begründetes Gesuch auf Verschiebung des Haftantritts wurde von der Staatsanwaltschaft genehmigt. Er bat um eine erneute Verschiebung, weil er die Schnellpresse zwar nicht veräußern konnte, aber jemanden gefunden hatte, den er in ihre Handhabung einarbeiten konnte. Zudem lag ihm ein größerer Auftrag von 1000 Preiskatalogen vor. Auch diesem Gesuch gab die Staatsanwaltschaft statt.

Nachdem Heinz Colland seinen 70-jährigen Vater in Düsseldorf noch einmal besucht hatte, trat er am 1. August 1935 die Haft an. Er wurde in das Gefängnis Wolfenbüttel überstellt. Nach Verbüßung von zwei Dritteln der Haftzeit richtete er am 1. April 1936 ein Gnadengesuch an die Staatsanwaltschaft in Hamburg – mit Bleistift in einer Grundschülerschrift geschrieben, doch intellektuell geschliffen: "Als mildernd bitte ich Sie zu berücksichtigen, dass es sich bei der Freiwirtschaft nicht um eine politische, staats- oder volksfeindliche Angelegenheit handelt, sondern, wie ja auch s. Zt. vom Gericht festgestellt, um eine geld- und währungswirtschaftliche Theorie, über die sachlich zu diskutieren, auch unter den heutigen Verhältnissen gestattet ist." Der Vorsteher der Haftanstalt charakterisierte "den Strafgefangenen Colland" als einen etwas verdrehten Menschen mit schiefen Ansichten und lehnte einen Gnadenerweis ab. Regulär am 1. August 1936 wurde Heinz Colland entlassen und der Polizeibehörde zugeführt. Seine Akte wurde im folgenden Jahr noch einmal vom Wandsbeker Polizeiamt angefordert, 1939 interessierte sich die Gestapo für die freiwirtschaftlichen Schriften, die bei den Hausdurchsuchungen beschlagnahmt worden waren. Beides hatte offenbar keine Folgen für ihn.

Über Heinz Werner Collands Werdegang und Weg von Aachen, wo er am 28. März 1903 zur Welt kam, bis zu seiner Deportation nach Minsk am 8. November 1941 ist wenig bekannt. Die Eltern ließen ihren Sohn Heinz Werner im Alter von 13 Jahren taufen. Seinem Vater, dem Apotheker Rudolf Josef, und auch ihm selbst, war 1919 gestattet worden, anstelle des Geburtsnamens Cohn den Namen Colland zu führen. Heinz Collands Mutter, Gertrud, geborene Hirsch, war "Halbjüdin". Sie zogen zu einem nicht bekannten Zeitpunkt nach Düsseldorf, wo Rudolf Colland eine Apotheke betrieb. Er starb nach dem Besuch seines Sohnes noch vor 1940.

1930 wurde Heinz Colland im Hamburger Adressbuch als Kaufmann mit der Anschrift Steilshooper Straße 108 aufgeführt. Danach wohnte er bis zu seiner Verhaftung in Untermiete bei der Kaufmannswitwe H. Fick im Eilbeker Weg 204 und betrieb seine Druckerei in der Mathildenstraße 12 in Wandsbek (nach der Eingemeindung nach Hamburg 1937 umbenannt in "Beim Wandsbeker Rathaus"). Nach seiner Haftentlassung zog er bei B. Dietrich, einem Friseur, in der Wandsbeker Chaussee 258 ein.

Heinz Colland verfügte über ein sicheres Einkommen, dessen Quelle sich nicht ermitteln ließ. Er war nicht Mitglied des Jüdischen Religionsverbandes Hamburg. Am 5. Oktober 1939 trat er zwangsweise der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" bei, seine Post wurde ohne den Zwangsnamen "Israel" adressiert. Bei der Festsetzung seiner Abgaben an die Reichsvereinigung wurden die entrichteten Kirchensteuern abgezogen. Er wohnte noch in seiner Wohnung in der Wandsbeker Chaussee 258, als er die Aufforderung zum Transport in das Getto von Minsk erhielt. Die Deportationsliste mit seiner Transportnummer 170 und Berufsangabe "Plattentechniker" ist die letzte Spur von ihm.

Stand Februar 2014
© Hildegard Thevs

Quellen: 1; 4; 5; 9; AB; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht Strafsachen L 358/35, 3 Bde; Archiv der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, Adressbücher; Meyers Enzyklopädie; Stadtverwaltung Aachen, Standesamt; Meyer, Reichsvereinigung.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link Recherche und Quellen.

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