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Fanny Dvid
© StaHH

Fanny David * 1892

Haynstraße 5 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

1943 Theresienstadt
1944 weiterdeportiert nach Auschwitz

Siehe auch:

    Weitere Stolpersteine in Haynstraße 5:
    Liselotte Brinitzer, Arno Glassmann, Kurt Glassmann, Helene Herzberg, Eleonore Holz, Jacob Holz, Antonie Fanny Riess, Helma Wehl, Irma Zancker

    Fanny David, geb. 2.12.1892 in Berlin, am 23.6.1943 nach Theresienstadt deportiert, am 28.10.1944 nach Auschwitz weiterdeportiert
    Haynstraße 5

    Martha David, geb. Brach, geb. 3.7.1871 in Berlin, am 23.6.1943 nach Theresienstadt deportiert, dort am 12.10.1944 gestorben
    Hauersweg 18

    Irma Zancker, geb. David, geb. 25.6.1901 in Altona, am 23.6.1943 nach Theresienstadt deportiert, am 28.10.1944 nach Auschwitz weiterdeportiert
    Sierichstraße 46

    Fanny wurde als ältestes Kind des Kaufmanns Max David und seiner Ehefrau Martha, geborene Brach, in Berlin geboren. Um 1900 siedelte die Familie nach Altona über, wo der Vater, wie bereits in Berlin, ein Geschäft für Wein- und Spirituosen-Import betrieb. Max David starb 1929.

    Laut Adressbuch von 1933 wohnte Fanny David in Hamburg am Kämmererufer 10. Nun folgte ein Umzug in den Hauersweg 18 I, wo sie bis April 1939 zusammen mit ihrer Mutter lebte. Zum 5. April 1939 musste sie mit ihrer Mutter in das Haus Haynstraße 5 umziehen; auch Fannys Schwester Irma zog zwangsweise in die zwei Zimmer im Parterre. Weitere Zwangsumzüge für die drei Frauen folgten: am 7. April 1942 ins "Judenhaus" Ostmarkstraße 24 (heute wieder Hallerstraße) und zum 1. September 1942 ordnete die Gestapo die Umquartierung in das "Judenhaus" Beneckestraße 4 an.

    Seit dem 11. Juni 1943 standen die Bewohner des Gebäudekomplexes Beneckestraße 2–6 unter Hausarrest. Von dort wurden alle drei Frauen am 23. Juni 1943 mit dem 14. Transport nach Theresienstadt deportiert.

    Fanny, die in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen aufgewachsen war, engagierte sich "in der praktischen und politischen Wohlfahrtsarbeit und trat in das 1921 neu gegründete Wohlfahrtsamt Hamburg ein". Für ihre verantwortungsvolle Aufgabe brachte sie laut Werner Jochmann "besondere Voraussetzungen mit: gute Menschenkenntnis, Geduld und Verständnis, sowie innere Ausgeglichenheit selbst in schwierigen Situationen und bei extremen Belastungen". Aufgrund ihrer fachlichen und sozialen Kompetenz wurde sie bald zur Inspektorin ernannt und weiter befördert.

    Die Beamtin des gehobenen und mittleren Verwaltungsdienstes Fanny David leitete als einzige Frau von 1930 bis 1933 die Hamburger Wohlfahrtsstelle im Stadtteil Barmbek. In dieser Position gehörte sie zum Beraterkreis des Präsidenten des Wohlfahrtsamtes. 1932 zur Oberinspektorin ernannt, war sie bei Bewohnerinnen und Bewohnern ihres Stadtteils äußerst beliebt, da diese "spürten, dass nicht nur ein Beamter vor ihnen saß, … sondern ein Mensch, der am Schicksal jedes einzelnen Anteil nahm …".

    Nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums am 4. April 1933 wurde sie als Jüdin und Sozialdemokratin fristlos entlassen. Auf Bitten des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde arbeitete sie in der Folge als "erfahrene und charakterstarke Frau" in der neugegründeten Beratungsstelle. 1939 übernahm sie die Leitung des Wohlfahrtswesens in der Jüdischen Gemeinde Hamburgs. Als Stellvertreterin des Leiters der Hauptabteilung Fürsorgewesen übte sie seit Herbst 1939 "Arbeiten zur Zwangsüberleitung der gesamten öffentlichen Fürsorge für Juden auf den Jüdischen Religionsverband" aus, als das NS-Regime Juden von staatlichen Leistungen ausschloss.

    Nachdem alle jüdischen Organisationen aufgelöst worden waren, wurden am 23. Juni 1943 die letzten Angestellten des "Jüdischen Religionsverbandes" nach Theresienstadt deportiert. Unter den Deportierten befanden sich auch Fanny, ihre jüngere Schwester Irma Zancker, sowie ihre Mutter Martha David. Auf den Kultussteuerkarten von Fanny und ihrer Mutter wurde vermerkt: "deportiert 23/6 43", ein ungewöhnlicher Hinweis, da eigentlich der gewollt irreführende Vermerk "Abwanderung" oder "Evakuierung" gebräuchlich war. Aufgrund ihrer Tätig­keit war Fanny relativ gut über das weitere Schicksal der deportierten Jüdinnen und Juden informiert, das nun auch sie selbst, ihre Schwester und ihre Mutter traf.

    In Theresienstadt wurde Fanny in unterschiedlichen Arbeitskolonnen, u. a. in der Putzkolonne eingesetzt, bis sie in der Lagerselbstverwaltung tätig war.

    Die beiden Schwestern lebten mit ihrer Mutter unter "erbärmlichen Verhältnissen", die sich noch verschlechterten, nachdem Fanny durch ihren "Aufstieg" in die Lagerselbstverwaltung als "prominent B" eingestuft wurde. Dieser "Ehrung" folgte ein Umzug "in eine standesgemäße Ubikation", die sich als "dunkles kleines Gelass" erwies, welches die drei Frauen mit einer weiteren Person teilen mussten.

    Käthe Starke beschrieb in ihrem Buch die Situation, als Fanny im Oktober 1944 den eigenen und den Namen ihrer Schwester auf der Transportliste nach Auschwitz gelesen hatte: "… als sich die Tür erneut öffnete und Fanny David in bester Haltung aber ganz tonlos sagte: ,… wir sind dabei.‘ – Das harte Licht zeichnete die Schatten des Zerfalls in ihre Züge, die wir anstarrten, während wir zu begreifen versuchten. ‚Wie gut, dass Mutter nicht mehr lebt‘, sagte sie. Fanny traf letzte Bestimmungen und übergab Käthe Starkes Schwester die Hamburger Transportlisten, die sie heimlich geführt und um Transport- und Todesdaten ergänzt hatte. ‚Ich sehe mich schon mit geschorenem Kopf‘, sagte Fanny und schluchzte ein einziges Mal trocken auf, ‚ich hab solche Angst.‘" Am nächsten Morgen, dem 28. Oktober 1944, erfolgte der Abtransport. Die von Fanny geführten Listen konnten gerettet werden.

    Irma, die jüngere Schwester, war 1901 in Altona geboren worden und heiratete 1923 Johannes Peter Claus Asmus Zancker. Am 17. Januar 1929 wurde der Sohn Claus geboren, die Ehe ein Jahr später geschieden. Nach der Trennung arbeitete Irma Zancker als Werkerzieherin in den Hamburger Werkstätten für Erwerbsbeschränkte, wo sie 1933 fristlos entlassen wurde. Erst drei Jahre später konnte sie eine Stelle als Stenotypistin bei der Jüdischen Gemeinde antreten. Bis zu ihrem erzwungenen Umzug in das Haus Haynstraße 5 hatte Irma in der Sierichstraße gewohnt.

    Nach Angaben eines Fragebogens der Gestapo vom 27. April 1939 beabsichtigte Irma, nach England zu emigrieren. Ihr Umzugsgut wurde am 27. Juni 1939 geprüft und geschätzt. Es befanden sich keine Wertgegenstände darunter. Warum ihre Auswanderung letztlich unterblieb, geht aus den Akten nicht hervor. Vermutlich verhinderte der Kriegsbeginn ihre Ausreise.

    Nach ihrer Deportation wurde sie im Getto Theresienstadt von der Arbeitszentrale angewiesen, Kartoffeln auszulesen. Später arbeitete sie in der Wärmeküche. Am 26. September 1943 schickte Irma eine Postkarte an Max Plaut, der zuletzt als Leiter der Bezirksstelle Nord­west­deutschland der Reichsvereinigung der Juden in Hamburg tätig war, mit dem verschlüsselten Hilferuf, "dringend Lebensmittel zu schicken".
    Am 28. Oktober 1944 wurde Irma zusammen mit ihrer Schwester nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

    Ihr Sohn Claus Zancker konnte 1939 mit einem Kindertransport nach England gerettet werden. Nach Abschluss einer weiterführenden Schule erlernte er einen kaufmännischen Beruf. 1947 nahm er die britische Staatsbürgerschaft an, änderte seinen Namen in Peter David Gor­don Sinclair und lebte seit 1959 in Schottland.

    Martha David wurde als Tochter von Isidor Brach und seiner Ehefrau Remy, geborene Simon, in Berlin geboren. Um 1890 heiratete sie den Kaufmann Max David. Später zog das Ehepaar mit der Tochter Fanny nach Altona (s. Fanny David).
    Nach einem Vermerk in der Kultussteuerkartei wurde Martha David spätestens seit dem 18. September 1936 "wegen Geringfügigkeit nicht veranlagt". Angaben über frühere Veranlagungen sind nicht vorhanden. Vermutlich war sie auf die Unterstützung ihrer Tochter Fanny, in deren Haushalt sie lebte, angewiesen.

    In Theresienstadt lebte sie mit ihren beiden Töchtern zusammen. Aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes verließ sie nie das Zimmer. Die ärztliche Versorgung war sehr schwierig, zumal es gegen ihr starkes Asthma keine Medikamente gab. Am 12. Oktober 1944 erlag sie ihrem Leiden, kurz bevor ihre Töchter nach Auschwitz weiterdeportiert wurden.

    1964 wurde eine Straße in Hamburg-Lohbrügge nach Fanny David benannt.

    © Ulrike Graubner

    Quellen: 1; 2; 4; 7; 8; StaH 332-8 Meldewesen 2353; StaH 314-15 OFP, Fvg 5800; StaH 552-2 Jüd. Gemeinden, 992e2 Band 5; AB 1933; StaH 720-1 Nr.215 Da 160, Portraitfoto; Herzig/Rohde (Hrsg.) Juden in Hamburg, 1991; Martens/Tormin, Für Freiheit und Demokratie, Landesverband der SPD Hamburg, (Hrsg.) 2003; Sparr, Stolpersteine, 2008; Starke, Der Führer, 1975; Lohalm in: Das Jüdische Hamburg, 2000, S. 52f.; ders., Völkische Wohlfahrtsdiktatur, 2010, S. 27 u. 51, Meyer, (Hrsg.) Verfolgung, 2006.
    Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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