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Felix Arnheim * 1864

Isekai 5 (Hamburg-Nord, Eppendorf)


HIER WOHNTE
DR. FELIX ARNHEIM
JG. 1864
BERUFSVERBOT 1939
FLUCHT BELGIEN
ENTRECHTET/GEDEMÜTIGT
TOT 15.11.1941 BELGIEN

Weitere Stolpersteine in Isekai 5:
Paul Adler, Hedwig Slutzki

Dr. Felix Heinrich Arnheim, geb. 23.3.1864 in Berlin, im August 1939 nach Belgien geflohen, am 15.11.1941 in Grembergen gestorben
Hedwig Slutzky-Arnheim, geb. Arnheim, gesch. Dülberg, geb 7.1.1894 in Hamburg, am 7.10.1943 von Drancy nach Auschwitz deportiert

Isekai 5 (Isequai)

Nachdem Felix Arnheim sein Abitur in Berlin abgelegt hatte, nahm er am 22. Oktober 1883 in Jena das Medizinstudium auf. Seine Dissertation "Beiträge zur Theorie der Localisation von Schallempfindungen mittels der Bogengänge" versah er mit folgender Widmung: "Meinem hochverehrten väterlichen Freunde und Lehrer Herrn Sanitätsrath Dr. Zober zu Berlin in Dankbarkeit gewidmet". Arnheim wurde im November 1887 in Jena promoviert und legte dort einige Monate später, am 9. März 1888, das Staatsexamen ab. Seine Praxiszulassung erhielt er 1893 in Hamburg. Im gleichen Jahr hatte er auch seine Frau Lisbeth, geborene Samuel, konfessionslos wie er, geheiratet.

Felix Arnheim war als praktischer Arzt seit 1893/1894 in Hamburg tätig und bei seinen Patienten geschätzt und beliebt. Von 1895 bis 1910 waren als Praxisadressen Eppendorfer Landstraße 105, 82c und 42, jeweils mit Angabe der Sprechzeiten, in den Fernsprechbüchern verzeichnet. Vermutlich waren Wohnung und Praxis in einem Haus untergebracht. 1910 erwarb Felix Arnheim eine repräsentative Stadtvilla in Eppendorf, Isequai 5, in der er bis 1936 auch seine Praxis betrieb; parallel war er in einer weiteren Praxis am Eppendorfer Baum 36 tätig. Sowohl in der Praxis im Erdgeschoss als auch in den Wohnräumen in den oberen Etagen der Villa befanden sich um­fangreiche Bibliotheken.

Das Ehepaar Arnheim bekam vier Kinder. Als ältestes kam am 7. Januar 1894 Hedwig Slutzky-Arnheim zur Welt (s. u.). Ein Jahr später wurde der Sohn Hans geboren. Das Schicksal dieses Sohnes konnte nicht ganz geklärt werden. Er emigrierte vermutlich 1939 nach England. 1940 wurde er von einem britischen Militärgericht in Tunis zum Tode verurteilt, der Anklagegrund ist nicht überliefert.

Am 24. März 1902 wurde Eva Karoline Friederike geboren. Sie floh 1939 zunächst nach Brüssel, wo sie einen Herrn Charles heiratete; später nach Frankreich. Das Paar bekam drei Kinder. Be­ruflich war Eva Karoline als Gymnastiklehrerin tätig.

Als jüngstes Kind kam Ruth Anna Frieda am 16. April 1912 zur Welt. 1936 registrierte die Jüdische Gemeinde sie als Mitglied. Am 21. Mai 1936 wurde ihre Tochter Kathrin Elisabeth geboren. Als Beruf wurde "Gutssekretärin" angegeben. Bei ihrer Emigration nach England im März 1939 mit ihrer kleinen Tochter verweigerte ihr das Deut­sche Reich die Mitnahme von "6 Bezügen" für das Kinderbett wegen "Rohstoffmangels". In England wurde sie 1940, wie alle "enemy aliens" auf der Isle of Man interniert. Nach Kriegsende kehrte sie nach Hamburg zurück.

Die Familie Arnheim lebte bis Anfang 1936 in der herrschaftlichen Stadtvilla Isequai 5. Einige der 13 Räume waren zeitweise möbliert vermietet: ein "Salon" an Professor Friedrich Adler sowie ein "Esszimmer" an den Fotografen Erich Kastan. Im Souterrain wohnte von 1929 bis Anfang Januar 1936 Paula Hadenfeld, die nach dem Tod von Frau Arnheim als Haushälterin in dem großen Haus tätig war. Lisbeth Arnheim starb am 1. Januar 1929 in ihrer Wohnung an einer Lungenentzündung.

Felix Arnheim war vielfältig gebildet und interessiert, vor allem an philosophischen Themen. Er gehörte der Patriotischen Gesellschaft an und war bis zu seinem Austritt 1928 Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.

Seit 1933 wurde ihm die Ausübung seiner Praxis zunehmend erschwert, sodass er immer weniger Einnahmen erzielte. Am 6. Oktober 1934 erschien im "Hamburger Fremdenblatt" eine kleine Anzeige von ihm: "Nach längerer Krankheit und Abwesenheit von Hamburg habe ich meine Praxis wieder aufgenommen. Sprechstunde jetzt nur Isequai 5 9–11 u. 5–7 Uhr. Dr. Arnheim."

Wegen der rückläufigen Einnahmen musste die Villa Ende 1935 verkauft, der Haushalt aufgelöst und das Mobiliar, das nicht mitgenommen werden konnte, zu Schleuderpreisen verkauft werden. Auch innerhalb der Familie wirkten sich die zunehmenden antijüdischen Repressalien aus. Emigrationspläne wurden besprochen. Felix Arnheim zog mit seinen Töchtern Ruth, die er finanziell unterstützte, und Hedwig in die Haynstraße 10/I in eine sechseinhalb Zimmerwohnung, von der zwei Zimmer möbliert an den Fotografen Erich Kastan vermietet wurden. Hedwig emigrierte 1936 nach Frankreich.

In seinem Auswandererfragebogen gab Arnheim an, er habe zwischen 1936 und 1938 keine Einnahmen mehr aus der Praxis erzielt. Im Reichsmedizinalkalender Teil II von 1937 wurde er als "Jude im Sinne der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom November 1935" auf­geführt. Die Approbation entzog ihm die Hamburger Ärztekammer, wie allen jüdischen Ärzten, am 30. September 1938. Aufgrund seines Alters erhielt er eine geringe Rente aus der ärztlichen Versorgungskasse. Da aussagekräftige Unterlagen fehlen, lässt sich nur vermuten, dass Felix Arnheim bis Ende 1935 praktiziert hat.

Aus der Kultussteuerkartei geht hervor, dass Felix Arnheim erhebliche Beträge an Judenvermögensabgabe und Reichsfluchtsteuer zahlen musste. Da er über Grundbesitz verfügte, konn­ten die Forderungen über Sicherungshypotheken abgedeckt werden. Dies hatte jedoch zur Folge, dass er keine Mieteinnahmen mehr hatte und zunehmend verarmte.

Kurz vor seiner Flucht nach Belgien wurde er von der "Reichs-Ärztekammer" genötigt, seinen Rentenanspruch aufzugeben. Sein juristischer Vertreter, Morris Samson, hatte ihm empfohlen, dem Verlangen der "Reichs-Ärztekammer" nicht nachzukommen. Dennoch verzichtete er nach nochmaliger telefonischer Aufforderung auf den Rentenanspruch, da er befürchtete, die Ausreise würde ihm sonst verweigert werden. Am 30. Juni 1939 wurde Felix Arnheim eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für Auswandererzwecke erteilt. Die letzten Monate in Hamburg lebte er zur Untermiete in der Eppendorfer Landstraße 36 bei Thalheimer. Vermutlich konnte er die Wohnung in der Haynstraße nicht mehr finanzieren, zumal seine bei ihm lebende Tochter Ruth und die Enkeltochter Anfang 1939 nach England emigriert waren.

Am 14. August 1939 floh Felix Arnheim nach Belgien, wo zu dieser Zeit noch seine Tochter Eva, verheiratete Charles, lebte. Bei seiner Flucht hatte er nur 10 RM mitnehmen dürfen und war so völlig auf die Unterstützung seiner Tochter und deren Mann angewiesen. Zunächst lebte er in einer kleinen Familien-Pension in Brüssel, bis er im Mai 1940 in einem jüdischen Altersheim unterkam. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes musste er mehrfach ins Krankenhaus und wechselte anschließend in ein katholisches Altersheim in Grembergen (Flandern), in dem er am 15. November 1941 völlig verarmt und vereinsamt starb. Seine Tochter Eva war zu diesem Zeitpunkt mit ihrer Familie bereits nach Frankreich geflohen.

Nach seinem Tod wurde sein gesamter verbliebener Besitz in Hamburg versteigert. Nur die persönlichen Gegenstände wurden dem "Jüdischen Religionsverband" übergeben.

Hedwig Slutzky-Arnheim kam als ältestes Kind des Arztes Felix Arnheim und dessen Ehe­frau Lisbeth, geb. Samuel, am 17. Januar 1894 in Hamburg zur Welt. Mit ihrem Bruder und den beiden Schwestern wuchs sie im protestantischen Glauben auf. Hedwig wurde als sehr schöne Frau beschrieben, vielseitig begabt und mit einer reichen Phantasie ausgestattet, ehrgeizig und anspruchsvoll.

Nach Absolvierung der Schule (Henckelschule) hielt sie sich, 18-jährig, eine Zeit in Großbritannien auf. Künstlerisch begabt, war sie bereits vor 1914 Schülerin der Hamburger Kunstgewerbeschule gewesen, wo sie bei Friedrich Adler Kunstgewerbe und Design studiert hatte. Ihr besonderes Interesse galt jedoch der künstlerischen Stickerei. Ihren Lehrer in Akt- und Portraitzeichnen, den Maler und Holzschneider Ewald Dülberg, heiratete sie 1915. Ihre Tochter Esther Maria wurde 1918 geboren. Die Ehe wurde jedoch drei Jahre später geschieden.

Hedwig Arnheim ging mit ihrer Tochter ans Weimarer Bauhaus, besuchte dort Kurse bei Johannes Itten und ging bei der Webmeisterin Gunta Stölzl in die Lehre.
1923 heiratete sie den Beleuchtungs- und Schmuckkünstler Naum Slutzky. Das Ehepaar lebte in Berlin, wo es für die "Werkstätten Bildender Kunst" von Franz Singer arbeitete. Für kurze Zeit lebten sie dann in Wien und kehrten im Oktober 1924 aus wirtschaftlichen Gründen nach Hamburg zurück, wo sie in Hedwigs Elternhaus Isequai 5 wohnten. Als selbstständige Künstlerin bestritt Hedwig ihren Lebensunterhalt als "Kunstgewerblerin und Inneneinrichterin", später mit hervorragenden Schneiderarbeiten. Von Naum Slutzky ließ sie sich 1930 scheiden.

Sie war weiterhin künstlerisch tätig. "Sie entwarf und stickte z. B. abstrakte Ton-in-Ton-Kompositionen oder Frauenakte auf gelbem Grund in gelber Wolle mit blauen Haaren und blauen Glasperlen", beschreibt Maike Bruhns ihre Arbeiten.

Bis zu ihrer Emigration nach Frankreich am 15. Februar 1936 lebte sie nach dem Umzug in die Haynstraße 10 weiter in der väterlichen Wohnung. Sie emigrierte nach Südfrankreich, wo sie sich in Nizza niederließ. Dort verdiente sie ihren Lebensunterhalt mit Schneiderarbeiten.

Aufgrund einer Denunziation am 20. September 1943 wurde sie zusammen mit einer Grup­pe von 345 jüdischen Häftlingen am 23. September 1943 im Lager Drancy interniert. Hedwig Slutzky-Arnheim hatte bei ihrer Ankunft im Lager 500 Francs bei sich. Am 7. Oktober 1943 wurde sie mit dem Konvoi Nr. 60 nach Auschwitz deportiert. Für einen Transport am 7. Okto­ber 1943 um 10.30 Uhr mit 1000 Juden gab Eichmann grünes Licht. Die "glückliche" Ankunft des Konvois am 10. Oktober um 5.30 Uhr wurde vom Kommandanten Höss bestätigt. Der Zeitzeuge Robert Waitz berichtete, in den Waggons seien jeweils etwa 100 Personen zusammengepfercht gewesen; Frauen mit Säuglingen, alte Menschen, Schwerstkranke sowie neun "Geisteskranke", die ununterbrochen schrien. Beim Versuch, ein Herzmittel für einen alten Mann zu erhalten, wurde dem mitreisenden Professor Waitz von einem deutschen Unteroffizier entgegengeschleudert: "Er kann verrecken, er wird sowieso nicht mehr lange leben". (deutsch im französischen Original). Nach der Ankunft in Auschwitz wurden 491 Personen, so berichtete später Waitz, sofort ins Gas geschickt.

Bei der Befreiung des Lagers im Januar 1945 hatten 39 Personen überlebt; davon vier Frauen, Hedwig Slutzky-Arnheim war nicht darunter.

© Ulrike Graubner

Quellen: 1; 2; 8; 9; StaH 314-15 OFP, R 1939/743; StaH 314-15 OFP, FVG 4901; StaH 351-11 AfW, 230364; StaH 332-5 Personenstandsbuch Sta. 3a 10346 Nr.10 1929; StaH 352-5 Sta. 3a Nr. 10346 Todesbescheinigung; Mitgliedskartei Ärztlicher Verein (Fotokopie); Reichs-Medizinal-Kalender für Deutschland Teil II von 1937; Fremdenblatt vom 6.10.1934; schriftl. Auskunft Björn Eggert vom 14.11.2007, Amtliche Fernsprechbücher 1895–1939; schriftl. Auskunft Universität Jena vom 27.8.2009; Bruhns, Kunst, Bd. 2, 2001, S. 363f.; Bruhns, Geflohen, 2007; Archives Du Centre De Documentation Juive Contemporaine; Zeitzeugenbericht Waitz 7.10.1943 (Übersetzung aus dem Französischen von Barbara Brix).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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