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Paul Dreibrodt
© Privatbesitz

Paul Dreibrodt * 1905

Heinrich-Heine-Straße 30 (Harburg, Wilstorf)


Im Widerstand
verhaftet 05.03.1943
Zuchthaus Celle
ermordet 28.05.1945
Zuchthaus Bützow

Paul Dreibrodt, geb. 19.7.1905 in Köllitzsch (Kreis Torgau), im Zuchthaus Bützow-Dreibergen am 28.5.1945 umgekommen

Stadtteil Wilstorf, Heinrich-Heine-Straße 30

Der Zimmermann Paul Dreibrodt heiratete Margarete Bergmann, geb. am 19.2.1908 in Har­burg. Das Ehepaar wohnte vorübergehend in Horst bei Maschen (Kreis Harburg) und ab Oktober 1936 wieder in Harburg in der heutigen Heinrich-Heine-Straße 30. In der NS-Zeit hieß die Straße nach einem nationalistischen Schriftsteller Dietrich-Eckart-Straße. Ihr Sohn Heinz kam am 27.3.1929 zur Welt.

Beide, Margarete und Paul Dreibrodt, waren Kommunisten. Über illegale Tätigkeit unmittelbar nach 1933 ist nichts bekannt. Margarete Dreibrodt verhalf 1935 ihrem Bruder, dem von der Gestapo gesuchten Kommunisten Gustav Bergmann, zur Flucht aus Harburg.

Während des Kriegs unterstützten sie die illegale KPD in Harburg und Wilhelmsburg unter der Leitung von Oskar und Ella Reincke und später die Hamburger Widerstandsorganisation um Bästlein, Jacob und Abshagen (siehe unter Karl Kock). Margarete Drei­brodt hörte den Moskauer Rundfunk, der auch Namen gefangener deutscher Soldaten durchgab. Sie schrieb mit verstellter Schrift an Angehörige Hamburger Soldaten und unterrichtete sie, dass diese am Leben seien. Das war wichtig, denn die Nationalsozialisten behaupteten, die Sowjetarmee würde keine Gefangenen machen und die Soldaten erschießen. Wäre ihre Tätigkeit bei der Gestapo bekannt geworden, hätte das als "Feindbegünstigung" gegolten und wäre hart bestraft worden.

Die Bästlein-Organisation hatte Bertiebszellen in vielen Hamburger Großbetrieben gegründet, auch bei den Harburger Phoenix-Gummiwerken. Im Oktober 1942 begannen die Massenverhaftungen gegen die Organisation. Auf der Phoenix wurden Wilhelm Milke und Herbert Bittcher während der Arbeit festgenommen. Karl Kock, der ebenfalls gesucht wurde, war krankgeschrieben und nicht im Betrieb. Margarete Dreibrodt warnte ihn und verhalf ihm zur Flucht nach Hamburg. Dort tauchte er bei verschiedenen Adressen unter, so bei der Familie Pappermann in der Süder­straße, die mit Karl Kock entfernt verwandt war. Margarete und Paul Dreibrodt suchten ihn mehrmals in seinen Verstecken auf und brachten frische Wäsche und gesammelte Lebensmittelkarten. Paul Dreibrodt kam als Wanderer getarnt mit Mantel und Hut und einem Rucksack auf dem Rücken. Er fuhr auch nach Lübeck, um Fluchtmöglichkeiten für Karl Kock auf einem Schiff ausfindig zu machen, doch ohne Ergebnis. Niemand wollte einen von der Gestapo gesuchten Flüchtling mitnehmen, weil die Kontrollen sehr scharf waren.

Bei der Unterstützung Karl Kocks half auch Paul Dreibrodts Schwester Margarete Glißmann, geb. Dreibrodt (geboren am 4.2.1909 in Anhalt). Sie und ihr Mann Martin Glißmann wohnten ein paar Häuser weiter, Dietrich-Eckart-Straße 39.

Der damals 15-jährige Heinz berichtet heute: "Ich war von meinen Eltern humanistisch und antifaschistisch erzogen worden. Natürlich hörte ich mit, was meine Eltern besprachen. Wiederholt fanden auch illegale Treffs in unserer Wohnung statt. Mein Vater hatte mir eingeschärft, ich sollte auf keinen Fall Namen nennen, falls wir mal ‚Besuch‘ von unliebsamen Leuten bekämen. Am besten sollte ich die Namen verdrängen und vergessen. Das habe ich beherzigt, denn mein Vater war mein großes Vorbild. Noch heute habe ich ein schlechtes Namensgedächtnis. Das stammt aus der damaligen Zeit."

Eines Tages tauchte Gestapomann Henry Helms bei den Pappermanns auf, in ähnlicher Aufmachung wie Paul Dreibrodt. Die Verstecke hatte die Gestapo inzwischen herausbekommen, und jemand, der bereits in Haft war, hatte wohl unter der Folter das Losungswort preisgegeben, das jeder nannte, der mit Karl Kock Kontakt aufnehmen wollte. Die Pappermanns wurden festgenommen, ebenso am 5. März 1943 Paul Dreibrodt und einen Tag später Karl Kock, der sich jetzt in Harburg am Kapellenweg 15 bei August Quest verborgen hielt.

Paul Dreibrodt kam ins Gestapogefängnis Fuhlsbüttel und dann ins Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis. Margarete Dreibrodt erhielt mehrere Vorladungen zum Verhör bei der Gestapo ins Stadthaus. Sie gab vor, nichts zu wissen, und auch die Festgenommenen schwiegen. So blieb sie in Freiheit.

Im Mai 1944 fanden die Prozesse gegen die Mitglieder der Widerstandsorganisation statt, sechs davon vor dem "Volksgerichtshof", der zu diesem Zweck in Hamburg tagte. Paul Dreibrodt erhielt sechs Jahre Zuchthaus und wurde ins Zuchthaus Celle verlegt.

Als die Front immer näher rückte, wurden die Gefangenen aus Celle abtransportiert, denn nach dem Willen der Nationalsozialisten sollte kein Häftling lebend in die Hände der Alliierten fallen. Paul Dreibrodt wurde am 10. April 1945 aus Celle mit der Bahn fortgebracht (einen Tag später erreichten die amerikanischen Truppen den Ort). Der Transport ging kreuz und quer durch Norddeutschland, immer von Luftangriffen bedroht. Die Häftlinge kamen schließlich im Mecklenburger Zuchthaus Bützow-Dreibergen an. Sie erhielten keine oder völlig unzureichende Nahrung. Viele starben an Krankheiten, Hunger oder Entkräftung, auch nach­dem die Sowjetarmee sie befreit hatte. Paul Dreibrodt kam dort am 28. Mai 1945 um.

Aus einem Brief Paul Dreibrodts aus dem Zuchthaus Celle vom Juni 1944
"Liebe Mutti,
Wie oft haben wir früher das schöne Lönslied ,Es stehn drei Birken wohl auf der Heide‘ gesungen, wenn wir Hand in Hand auf Heidefahrt gingen, und uns nichts Arges dabei gedacht – im Gegenteil, unsere Herzen waren übervoll – , wenn wir die Worte sangen: ,... zu Celle steht ein festes Haus, mit unserer Liebe ist es aus.‘ Dieses feste Haus ist das Zuchthaus, und da bin ich nun. Am Pfingstsonnabend bin ich hierher gekommen. (...)

Mein Heinz, lass dir kräftig die Hände drücken. Ich freue mich, dass du solch ein kleiner tapferer Kerl bist. Es ist mir darum nicht bange um dich, denn du wirst dich schon durchsetzen. Es ist oft nicht einfach und manchmal recht feindlich im Leben. Aber wer den Mut hat und das Leben bejaht, wird immer eine Quelle finden, aus der er die notwendige Kraft schöpfen kann, um alle Schwierigkeiten zu überwinden. Eins müssen wir alle, und das ist: Lernen! Sieh mal, alles, was du hier siehst – außer der Natur selbstverständlich – ist doch vom Menschen gemacht, schöne Häuser, kunstvolle Bauten, die Maschinen, unsere Eisenbahn, die Straßen und die herrlichen Parks und vieles andere mehr. Es ist doch schön, wenn man sagen kann: An diesem Werk habe ich als tätiges Glied mitgeschafft. Aber welch stolzes Gefühl ist es erst, wenn man sagen kann: Das ist mein Werk, meine Gedanken, meine Schöpfung, das habe ich gebaut. Jeder wird zum Meister, wenn er nur will, Heinzi. Du musst immer ,Hammer auf dem Amboss‘ werden. Deine Mutter hilft dir dabei. (...)"


© Hans-Joachim Meyer

Quellen: VVN-BdA Harburg (Hrsg.), Die anderen, s. Personenverzeichnis; Hochmuth/Meyer, Streiflichter, s. Personenverzeichnis; VVN-BdA Harburg (Hrsg.), Stumme Zeugen, s. Personenverzeichnis; StaH, 332-8 Meldewesen, A46; Heyl/Maronde-Heyl, Abschlussbericht; Totenliste VAN.

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