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Ulla Drenckhan
© Privatbesitz

Ulla Drenckhan * 1932

Hanfftsweg 8 (Hamburg-Mitte, Hamm)


HIER WOHNTE
ULLA DRENCKHAN
JG. 1932
EINGEWIESEN
’HEILANSTALT’
SACHSENBERG
ERMORDET 24.8.1943

Ulla Drenckhan, geb. 21.12.1932 in Hamburg, 4.8.1943 eingewiesen in die Heil- und Pflegeanstalt Schwerin-Sachsenberg, ermordet 24.8.1943

Hanfftsweg 8

Ulla Drenckhan kam am 21.12.1932 als Ursula Anna Lucie Drenckhan auf der Entbindungsstation des Diakonissenkrankenhauses Bethesda, Burgstraße 39 in Hamburg-Borgfelde, auf die Welt. Sie war das zweite Kind des Verwaltungsobersekretärs Carl Friedrich Otto Drenckhan und seiner Ehefrau Anna, geb. Jaap, die im Hanfftsweg 8 in Hamburg-Hamm wohnten.

Familie Drenckhan stammte aus Mecklenburg-Schwerin. Ullas Urgroßvater, Franz Jürgen Christoph Drenckhan, verheiratet mit Henriette Elise Marie, geb. Graak, hatte als Arbeiter auf dem Albertinenhof südlich von Wittenburg gelebt, heute Landkreis Ludwigslust-Parchim. Dort war 1855 Ullas Großvater Johann Jochim Heinrich Friedrich Drenckhan zur Welt gekommen. Seine spätere Ehefrau, Lucia Anna Emma, geb. Werner, genannt Lucie, stammte von einem Hof in Brodten bei Lübeck-Travemünde, der bis heute besteht.

Friedrich und Lucie Drenckhan zogen nach Hamburg-Hamm an den Hammer Deich 129, eine aufstrebende Arbeiterwohngegend. Dort wurde am 1.3.1889 ihr erstes Kind, Ullas Vater Otto, geboren. Ihre nächste Adresse war das oberste Geschoss im Hinterhaus in der Capellenstraße 10 in St. Georg, wo am 14.9.1893 Frieda Caroline zur Welt kam. Bei der Geburt des dritten Kindes, Wanda Herta Martha, lebte die Familie bereits in der Stresowstraße 51 in Rothenburgsort.

Mit den wachsenden Arbeiterstadtteilen stieg die Zahl der Volksschulen. Sie hatten einen hohen Standard, und wer sie nach acht Unterrichtsjahren abschloss, brachte sichere Grundlagen für die folgende Lehrzeit mit. Während Otto Drenckhans Vater noch als Arbeiter den Unterhalt für seine Familie verdient hatte, durchlief Otto eine Ausbildung in der Verwaltung.

Um 1930 heiratete er Anna, geb. Tiedemann, geb. am 5.11.1896 in Hamburg, deren Vorfahren ebenfalls aus Mecklenburg stammten. Ihr Vater, Heinrich Johann Joachim Jaap, war als Arbeiter nach Altona gegangen und betätigte sich später in Hamburg als Schuhmacher. Ihr erstes Kind war der Sohn Hermann Otto, geb. am 3.4.1890, dem Johann folgte, der noch als Säugling starb. Als drittes Kind kam die Tochter Anna, geb. am 5.11.1896, zur Welt, als viertes die Tochter Luise und als letztes Karl am 23.2.1901.

Über die Ausbildung von Anna Jaap und ihren Brüdern ist nichts Näheres bekannt. Mit ihrer Heirat zur Zeit der Weltwirtschaftskrise fiel Anna Drenckhan die Rolle als Hausfrau und bald als Mutter zu. Ihr erstes Kind wurde am 30.1.1931 geboren, Werner, der den Familiennamen seiner Großmutter Lucie als Rufnamen erhielt. Die im Dezember 1932 geborene Ulla trug den Namen Lucie als einen ihrer drei Vornamen. Als die Kinder geboren wurden, lebten ihre Großeltern schon nicht mehr. Als letzte war Lucia Drenckhan 1925 gestorben. Sie hatte zuletzt mit ihrem Sohn Otto in der Hinschenfelder Straße 15 gewohnt.

Werner und Ulla wuchsen gemeinsam in der Fürsorge ihrer Eltern am Hanfftsweg auf. Wie viele Familien wichen sie aus der Enge der Stadt zu Spaziergängen und Ausflügen in die Lüneburger Heide aus. Ein Foto von ca. 1935 zeigt die Familie mit zwei weiteren Erwachsenen bei einem solchen Ausflug. Auf einem anderen Foto sitzen Bruder und Schwester einträchtig an einem Kindertisch vor einer Hauswand unter einem Balkonkasten, Ulla beim Essen. Auf einem anderen Foto stolziert sie, herausfordernd eine langstielige Sonnenhutblüte präsentierend, im Garten eines Wochenendhauses. Ihre Haare waren lang genug für "Affenschaukeln", und an einer großen Schleife auf dem Kopf fehlte es auch nicht. Mit Kleid und weißen Socken in festen Schuhen sah sie festlich aus.

Einen Schatten warf der Tod von Frieda Drenckhan auf die Familie. Sie war ledig und lebte seit geraumer Zeit in der Staatskrankenanstalt Langenhorn. Dort starb sie 1935 im Alter von 41 Jahren. Die Todesursache ist nicht bekannt, doch fiel sie keiner Euthanasieaktion Opfer.

Ursula Drenckhan wurde wahrscheinlich wie wohl auch ihr Bruder Werner in der Hammer Dreifaltigkeitskirche getauft. Wann festgestellt wurde, dass sie unter dem Down-Syndrom litt und welche fördernden Maßnahmen ergriffen wurden, ist nicht bekannt. Mit zehn Jahren, am 31. Mai 1943, wurde sie von der Schulpflicht befreit. Sie entging dem 1939 eingeführten Euthanasieprogramm für Säuglinge und Kleinkinder mit Down-Syndrom, weil sie schon nicht mehr in die Altersgruppe fiel.

Mit den alliierten Luftangriffen auf Hamburg und der folgenden Katastrophe des Feuersturms am 27./28. Juli 1943 begann auch die der Familie Drenckhan. Das Wohnhaus Hanfftsweg 8 wurde unbewohnbar. Anna und Otto Drenckhan blieben noch zwei Tage in Hamburg, bis sie am 30. Juli 1943 aus Hamburg flohen. Über Ahrensburg und Lübeck gelangten sie nach Zarrentin. Es ist nicht bekannt, ob sie versuchten, bei den Verwandten in Brodten oder auf dem Albertinenhof aufgenommen zu werden. Am 2. August fand Anna Drenckhan mit Ulla in Perdöhl bei Wittenburg eine Unterkunft.

Otto Drenckhan kehrte nach Hamburg zurück, wo er beim Weltwirtschaftsarchiv in der Poststraße 19 arbeitete. Werner Drenckhan befand sich zu der Zeit in der Kinderlandverschickung in Schellerhau im Erzgebirge, erfuhr aber durch Briefe seiner Mutter vom Ergehen der Familie.

Ullas Eltern wurden offenbar genötigt, ihre Tochter in die Heil- und Pflegeanstalt Sachsenberg bei Schwerin zu bringen. Am 4. August 1943 wurde sie dort aufgenommen, am 24. des Monats starb sie, angeblich an einem "fieberhaften Magen- und Darmkatarrh".

Die Angabe der Todesursache war wahrscheinlich fiktiv. Ein absichtlich herbeigeführter Tod durch Tabletten oder Morphium oder Skopolamin lässt sich nicht nachweisen. Nur die Umstände weisen darauf hin, dass Ursula Drenckhan ein Opfer des Euthanasieprogramms des NS-Regimes wurde.

Die Eltern wurden nicht benachrichtigt. Als Ullas Mutter am 3. September 1943 ihre Tochter in Sachsenberg besuchen wollte, erfuhr sie von ihrem Tod, zu spät, um an der Beerdigung teilzunehmen. Diese war am 27. August 1943 auf dem Friedhof am Obotritenring erfolgt, nachdem Ulla durch Pastor Kleiminger von der St. Nikolaikirche in Schwerin (Schelfkirche) ausgesegnet worden war. Ihm soll das Schicksal der Kinder in Sachsenberg ein persönliches Anliegen gewesen sein.

Familienangehörige besuchten Ulla Drenckhans Grab bis 1956 mehrfach. 1997 begann Ullas Bruder Werner mit einer erneuten Suche. Er kannte über seine Ehefrau das Schicksal Ruth Weigerts, die in Auschwitz ermordet wurde (siehe www.stolpersteine-hamburg.de). So sensibilisiert und erfahren im Umgang mit Nachforschungen und Auswirkungen der mörderischen Taten der NS-Herrschaft brachte er seine Schwester mit bis dato unbekannten Details in unsere Erinnerung.

Stand: Juli 2020
© Hildegard Thevs

Quellen: StaHH, 332-5 Personenstandsregister; Hamburger Adressbücher; Familie Drenckhan: Ulla Drenckhan, unveröffentlichtes Manuskript, Hamburg 2000; https://de.wikipedia.org/wiki/Brodten; https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Pastoren_der_Schelfkirche_Schwerin, Abruf 12.6.2020.

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