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Werner Ebeling
© Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf

Werner Ebeling * 1928

Methfesselstraße 23-25 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
WERNER EBELING
JG. 1928
EINGEWIESEN 1935
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 10.8.1943
HEILANSTALT MAINKOFEN
ERMORDET 14.5.1944

Werner Hans Ebeling, geb. am 16.6.1928 in Hamburg, aufgenommen in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) am 15.11.1935, abtransportiert nach der "Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen" bei Deggendorf am 10.8.1943, dort gestorben am 14.5.1944

Methfesselstraße 23-25 (Eimsbüttel)

Werner Hans Ebeling kam am 16.6.1928 als einziges Kind des Arbeiters Max Heinrich Henry Ebeling, geb. 31.1.1906 in Hamburg, und seiner Ehefrau Emma Berta Auguste, geb. Moering, geboren am 25.5.1907 in Hamburg, zur Welt.

Gleich nach Werner Ebelings kompliziert verlaufener Geburt in der Frauenklinik Eppendorf wurde bei dem Säugling eine Gehirnblutung festgestellt. Er soll danach stets unruhig gewesen sein und Wutanfälle gehabt haben. Die Alsterdorfer Patientenakte hielt fest, dass er mit annähernd sieben Jahren Krämpfe erlitt, die bis zu drei Stunden dauerten.

Werner Ebeling wohnte bei seinen Eltern bis der Leitende Oberarzt des Hamburger Fürsorgewesens ihn am 31. Oktober 1935 wegen "Idiotie" in die damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) überwies. ("Idiotie" ist ein veralteter Begriff für eine schwere Form der Intelligenzminderung.)

Bei der Aufnahme in Alsterdorf am 15. November 1935 wurde der siebenjährige Junge als störrisch, aufgeregt und eigensinnig wahrgenommen. Besonders in der ersten Zeit habe er sich nicht einfügen können. Er soll umher gerannt und auf diverse Betten geklettert sein. Werner Ebeling soll auch Mitpatienten gebissen haben. Schließlich wurde ihm eine "Schutzjacke" angelegt, die wohl weniger zu seinem eigenen Schutz als zu dem der anderen Patienten dienen sollte. (Mit einer "Schutzjacke", umgangssprachlich als "Zwangsjacke" bezeichnet, konnte eine weitgehende Bewegungseinschränkung erzwungen werden.) Werner Ebeling habe nicht sprechen können und musste gefüttert werden.

Diese Beschreibung wiederholte sich in den Folgejahren in seiner Akte. Mehrmals hieß es, er habe Mitpatienten geschlagen oder gekratzt und in Erregung Scheiben eingeschlagen. Der vorletzte Eintrag während der Alsterdorfer Zeit datiert vom März 1942. Darin wurde Werner Ebelings Zustand so beschrieben: "Pat.[ient] ist vollständiger Pflegling, muss völlig besorgt werden. Er kann nicht sprechen, gibt nur unartikulierte Laute von sich. Seine Umgebung kennt er nicht. Seine einzige Beschäftigung besteht darin, dass er im Aufenthaltsraum hin- und herläuft."

Zuletzt notierte der Leitende Oberarzt Gerhard Kreyenberg am 6. August 1943 in Werner Ebelings Krankenakte: "Wegen schwerer Beschädigung der Anstalt durch Fliegerangriff verlegt nach Mainkofen."

Nachdem die Alsterdorfer Anstalten während der schweren Luftangriffe der Alliierten auf Hamburg Ende Juli/Anfang August 1943 ("Operation Gomorrha") Schäden erlitten hatten, nutzte der Leiter der Alsterdorfer Anstalten, SA-Mitglied Pastor Friedrich Lensch, diese Situation und bat die Hamburger Gesundheitsbehörde um Genehmigung für den Abtransport von etwa 750 Anstaltsbewohnerinnen und -bewohnern, weil sie durch die Bombenangriffe obdachlos geworden seien. Daraufhin verließen zwischen dem 7. und dem 16. August 1943 drei Transporte mit insgesamt 469 Mädchen, Jungen, Frauen und Männern Alsterdorf in verschiedene Richtungen, darunter am 10. August 1943 ein Transport mit 113 Männern, Jugendlichen und Jungen mit dem Ziel "Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen" in der Nähe von Passau. Unter ihnen befand sich Hans Werner Ebeling.

Die "Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen", in der vornationalsozialistischen Zeit ein psychiatrisches Krankenhaus, wurde systematisch zu einer Sterbeanstalt entwickelt. Von dort wurden während der ersten Phase der "Euthanasie"-Morde bis August 1941 Menschen in die Tötungsanstalt Schloss Hartheim in der Nähe von Linz verschleppt und mit Gas ermordet. 604 von ihnen sind namentlich bekannt. Im Anschluss daran wurde der Tod der Patientinnen und Patienten in Mainkofen selbst vorsätzlich herbeigeführt, und zwar durch Nahrungsentzug im Rahmen des "Bayrischen Hungererlasses" (Hungerkost, fleisch- und fettlose Ernährung, in Mainkofen als "3-b Kost" bezeichnet), pflegerische Vernachlässigung und überdosierte Medikamente. In Mainkofen starben 762 Patientinnen und Patienten in den sogenannten Hungerhäusern. Als angebliche Todesursache wurde insbesondere Darmkatarrh, Tuberkulose, Lungenentzündung bzw. Lungentuberkulose angegeben. So geschah es auch bei Werner Ebeling.

Noch am 22. April 1944 hatte sein Vater auf eine Nachfrage, wie es dem Sohn ginge, den Bescheid erhalten, "daß im Befinden Ihres Sohnes, […], insofern eine Änderung eingetreten ist, als er körperlich in letzter Zeit ziemlich zurückgeht."

Erst am 1. Mai 1944 – fast neun Monate nach seiner Ankunft – wurde erstmals ein Bericht in Werner Ebelings Krankenakte aufgenommen: "Geht körperlich in letzter Zeit stark zurück, hat dauernd Durchfälle. Lungen zeigen an verschiedenen Stellen unbestimmtes Atmen. Tuberkuloseverdacht!"

Zehn Tage später hieß es: "Die Widerstandskräfte des Knaben lassen mehr und mehr nach. An der Diagnose einer Darmtuberkulose ist wohl nicht mehr zu zweifeln." Und schließlich am 14. Mai 1944: "Pat.[ient] kommt heute an seiner Darmtuberkulose ad Exitus."

Werner Ebeling starb, ohne dass aus den Akten erkennbare ärztliche Bemühungen ersichtlich sind, seine Krankheit zu lindern oder gar zu heilen.
Er wurde lt. Krankenakte am 18. Mai 1944 auf dem Mainkofener Anstaltsfriedhof beerdigt.

Von den 113 Alsterdorfer Jungen und Männern, die am 12. August 1943 in Mainkofen eintrafen, verstarben 74 bis Ende 1945. Als Todesursache tauchte, wie in anderen Sterbeanstalten auch, immer wieder "Lungentuberkulose" auf, so vierzig Mal bei 74 Alsterdorfer Patienten, die in Mainkofen gestorben sind. "Darmkatarrh" wurde fünfzehn Mal als Todesursache genannt. Nur 39 Menschen aus Alsterdorf überlebten das Jahr 1945, davon 15 Erwachsene sowie 24 Kinder und Jugendliche im Alter bis zu 21 Jahren. Die überlebenden Patienten wurden am 19. Dezember 1947 zurück nach Alsterdorf verlegt.

Aus den damaligen Alsterdorfer Anstalten sind lt. Michael Wunder im Nationalsozialismus insgesamt 630 behinderte Kinder, Frauen und Männer in Zwischenanstalten oder direkt in Tötungsanstalten der "Euthanasie" abtransportiert worden. Von diesen Menschen sind – so der Kenntnisstand von 2016 – 511 getötet worden.

Stand: Juli 2021
© Ingo Wille

Quellen: Evangelische Stiftung Alsterdorf, Archiv, Sonderakte V 421, Werner Hans Ebeling; Hamburger Gedenkbuch Euthanasie – Die Toten 1939-1945, Hamburg 2017, S. 54, 163. Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr – Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Stuttgart 2016, S. 35, 283 ff., 331 ff.

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